Der Arm des Kreml ist lang. Er reicht bis nach Domat/Ems GR. Magdalena Martullo-Blocher (52), Chefin der dort ansässigen Ems-Chemie, hat ihren Mitarbeitenden im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine das Wort «Krieg» verboten. Das zeigt ein internes Schreiben, das der Nachrichtenagentur Keystone-SDA vorliegt. Zuerst berichteten «Woz» und «Südostschweiz» über den Fall.
Die Mitarbeitenden sind angewiesen worden, stattdessen von einem «Konflikt» zu sprechen. Die Sprachregelung gilt nur für das geschäftliche Umfeld der Mitarbeitenden.
Verbot oder Information?
Die Anweisung ist erlassen worden, um die Ems-Mitarbeitenden in Russland zu schützen. «Unseres Wissens nach können Personen, welche von einem ‹Krieg› sprechen, in Russland politisch verfolgt werden. Darüber haben wir unsere Mitarbeitenden informiert», erklärt Ems-Generalsekretär Marc Ehrensperger in der «Südostschweiz». Der Konflikt wirke sich auch international aus, hiess es weiter.
Die «Woz» zitiert direkt aus der internen Anweisung: «In der Ems-Gruppe wird intern und extern ab sofort und bis auf Weiteres von ‹Ukraine-Konflikt› gesprochen. Das Wort ‹Krieg› ist nicht zu verwenden.» Gegenüber Blick will ein Ems-Sprecher von einem dezidierten Verbot des Wortes «Krieg» allerdings nichts wissen. Stattdessen heisst es, man habe die Angestellten nur entsprechend informiert.
Der Bündner Spezialchemiekonzern betreibt in Russland zwei Werke: eines in der Grossstadt Nizhny Novgorod östlich von Moskau, ein anderes nahe der Kleinstadt Jelabuga, noch weiter im Osten des Landes. Die beiden Werke stehen aktuell aber still. «Derzeit ist das Geschäft zusammengebrochen», zitiert die «Südostschweiz» Marc Ehrensperger weiter.
Martullo-Blocher will in Russland weitermachen
Die beiden Werke beschäftigen je rund 30 Mitarbeitende und beliefern in Friedenszeiten die Autoindustrie. Für das Gesamtgeschäft von Ems ist die vorübergehende Auftragsflaute in Russland aber kaum problematisch: Das Russland-Geschäft trägt nur gerade ein Prozent zum Gesamtumsatz der Gruppe bei.
Die betroffenen Mitarbeitenden in Russland sind aktuell mit Unterhaltsarbeiten beschäftigt. Ob sie um ihre Jobs zittern müssen, ist unklar. Wie es weitergeht, hänge von der Entwicklung der Krise ab, so Ehrensperger.
Ems-Chefin Martullo-Blocher hat vor wenigen Tagen in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger» angekündigt, das Russland-Geschäft stehe nur vorübergehend still: «Wenn die Autoproduktion wieder hochfährt, werden wir liefern, wir überlassen unsere Firmen nicht dem russischen Staat.» Russland hatte westlichen Konzernen, die sich zurückziehen, angedroht, ihre zurückbleibenden Läden und Produktionsstätten zu verstaatlichen. (sfa)