Darum gehts
Blufft Donald Trump (78) nur? Getreu seiner Taktik inszeniert sich der US-Präsident weiter als starker Mann der Weltpolitik. Am Dienstag, als er den Handelskrieg gegen Mexiko, Kanada und China verschärfte, sendete er eine neue Drohung in Richtung des nördlichen Nachbarn. Wenn der kanadische Premierminister Justin Trudeau (53) Vergeltungszölle einführe, werde er einfach mit neuen Gegenzöllen reagieren, schrieb Trump auf seinem Kurznachrichtendienst Truth Social. Gleichzeitig flirtete US-Handelsminister Howard Lutnick (63) beim Sender Fox Business bereits mit der Kehrtwende bei den Zöllen gegen Mexiko und Kanada.
Klar ist: Ein langanhaltender Handelskrieg bringt letztlich keine Gewinner hervor. Das lehren uns unter anderem auch die Geschichtsbücher. Trotzdem: Eine weitere Eskalation lässt sich derzeit nicht ausschliessen, ordnet Ökonom Johannes von Mandach (30) vom Wirtschaftsberatungsunternehmen Wellershoff & Partners die Lage ein. «Der Teufelskreis der Zoll-Gegenzoll-Spirale ist erst gerade angelaufen», sagt er gegenüber Blick. Der US-Präsident dürfte dank der grössten Volkswirtschaft der Welt im Rücken derzeit die stärkste Hand zu haben. China, Mexiko, Kanada und auch die ebenfalls im Fokus stehende EU haben aber alle noch Asse im Ärmel, dies sie im Poker mit Trump ausspielen könnten. Blick stellt dir mögliche Gegenmassnahmen vor. Und lässt Experten einordnen.
China: Keine Seltenen Erden mehr fürs iPhone?
Als grosser geopolitischer Gegenspieler der USA hat China Trumps Zoll-Hammer bisher am stärksten zu spüren bekommen – sehr zum Ärger des chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping (71). Bisher steckt Peking noch im Reaktionsmodus und beantwortet die Zölle aus dem Weissen Haus mit Gegenzöllen. Sollte die Volksrepublik aber ins Agieren kommen und von sich aus den Handelskrieg weiter befeuern, könnte Jinping seinen Rohstoff-Joker ziehen.
Sein Land kontrolliert nämlich den Handel mit Seltenen Erden. Im letzten Jahr stammten 70 Prozent der globalen Produktion dieser Metalle aus China. Gleichzeitig sind amerikanische Grosskonzerne stark abhängig von Seltenen Erden. Apple braucht sie für ihre iPhones, Tesla für seine E-Autos. Schränkt Jinping also für US-Firmen den Zugriff auf diese wichtigen Materialien ein, würde das die Wirtschaft der Vereinigten Staaten hart treffen.
Mexiko: Migranten als Druckmittel
Trump begründete die Strafzölle gegen Mexiko unter anderem mit den illegalen Migranten, die von Süden in die USA kommen würden. Fakt ist: Migrationsdruck haben die Vereinigten Staaten an der südlichen Staatsgrenze. Bereits jetzt leben knapp 38 Millionen Mexikaner in den USA. Und jedes Jahr kommen mehr dazu. Von allen Menschen, die in den letzten vier Jahren in die USA einreisen wollten, stammten rund 25 Prozent aus Mexiko. Zusammen mit den anderen Ländern aus Lateinamerika steigt die Quote auf 80 Prozent.
Entsprechend fordert Trump immer wieder, dass Mexiko seine Grenzen besser schützen soll. Und bisher hat das Land meistens nachgegeben. Präsidentin Claudia Sheinbaum (62) könnte aber sprichwörtlich die Schleusen öffnen und die eigenen Grenzkontrollen weitgehend einstellen. Gewiss: Ein perfider und zynischer Schachzug, aber dieser würde Trump und seine harte Linie gegen Migranten ordentlich unter Druck setzen.
Kanada: Kein Strom mehr für New York
Die US-Wirtschaft im Norden des Landes – darunter die Autostadt Detroit und die Weltmetropole New York – ist von Kanada als verlässlichem Energielieferanten abhängig. Praktisch sämtliche US-Gasimporte kommen vom nördlichen Nachbarn. Beim Strom ist Kanada für 80 Prozent der amerikanischen Importe verantwortlich. Und rund die Hälfte des von den USA eingekauften Erdöls stammt ebenfalls von den Ahornblättern.
Diese Abhängigkeit der USA spielt Trudeau in die Karten. Er könnte beim Gas, Erdöl oder Strom – bildlich gesprochen – den Hebel umlegen und die USA auf dem Trockenen sitzenlassen. Einen politischen Fürsprecher von der konservativen Seite hätte der liberale Staatschef auf seiner Seite: Doug Ford (60), Premierminister der kanadischen Provinz Ontario. «Wenn sie versuchen wollen, Ontario zu vernichten, werde ich alles tun, auch ihnen den Strom abdrehen – mit einem Lächeln im Gesicht», sagte er dem Sender CBC.
EU: Waffen nicht mehr bei den Amis kaufen
Europa will aufgrund des Kriegs in der Ukraine militärisch aufrüsten. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (66) will dafür 800 Milliarden Euro lockermachen. Ihr Ass dabei im drohenden Handelskrieg mit Trump: Derzeit kauft die EU im grossen Stil bei US-Rüstungsfirmen ein. Laut einer Analyse des schwedischen Friedensforschungsinstituts Sipri kamen 55 Prozent der europäischen Waffenimporte zwischen 2019 und 2023 aus den USA.
Von der Leyen könnte zusammen mit den Regierungschefs der EU-Länder nun umschwenken – und Waffen vermehrt bei anderen Ländern einkaufen, etwa in Grossbritannien. Oder dann fahren die Schwergewichte Deutschland und Frankreich ihre Eigenproduktionen hoch. Die grosse Schwäche an diesem Trumpfbuur: Das lässt sich nicht von heute auf morgen umsetzen. Und braucht grosse Investitionen.
Was sagen zwei Ökonomen?
Bisher gab es im derzeitigen Handelskrieg nur einen aktiven Player: Donald Trump. Im Hintergrund arbeiten China, Kanada und Mexiko aber sehr wohl an möglichen Gegenschlägen. «Die betroffenen Länder werden mit Sicherheit eine Kosten-Nutzen-Analyse von Gegenmassnahmen durchführen und deshalb vor allem auf solche Massnahmen fokussieren, die vor allem eine Wirkung auf die USA und amerikanische Unternehmen haben, die eigene Wirtschaft aber nur geringfügig belasten», sagt Volkswirt von Mandach. Ob die USA dann mit weiteren Gegenmassnahmen eskaliere, würde sich erst noch weisen müssen.
Zumindest im Fall der beiden Nachbarländer hält Hans Gersbach (65), Co-Direktor der KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich, ein solches Szenario für wenig realistisch: «An einer völligen Eskalation haben Mexiko und Kanada überhaupt kein Interesse, da ihre Volkswirtschaften in eine schwere Rezession geraten würden.» Auch die USA würden wirtschaftliche Schäden davontragen. Die wachsende Sichtbarkeit der negativen Folgen erhöhe die Wahrscheinlichkeit eines Endes des Handelskrieges. Nur: «Es gibt aber keine Sicherheit für ein rasches Ende, weil geopolitische Aspekte und andere Anliegen bei der Trump-Administration auch eine Rolle spielen», so Gersbach zu Blick.