Camion-Chauffeur Hans-Jörg Kröplin (63) aus Birr AG kämpft seit vier Jahren für seine Baumeisterrente ab 60 Jahren und für aberhunderte Überstunden. Er ist überzeugt, dass ihm die Rente und die Überstunden zustehen. Sein ehemaliger Arbeitgeber sieht das ganz anders. Als Büezer Kröplin 2019 für sein Recht eintrat, stellte ihn die Baufirma auf die Strasse – genauso wie zwei seiner Arbeitskollegen. Der Fall ist völlig verworren. Auf dem Küchentisch von Kröplin stapeln sich beim Besuch von Blick die Dokumente.
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In der einen Mappe steckt das Urteil des Bezirksgerichts Brugg AG vom 16. März 2022. Darin hält das Gericht fest, dass die Firma Kröplin 26'035 Franken für 824 nicht bezahlte Überstunden und weitere 24'786 Franken als Entschädigung schuldet. Und dass die Kündigung missbräuchlich war und aus Rache geschah. Sein ehemaliger Arbeitgeber hat das Urteil an die nächste Instanz weitergezogen – und auch dort verloren. Bis am 7. August könnte die Firma nun noch vors Bundesgericht gehen. Danach wäre das Urteil rechtskräftig.
Kröplin war nach seiner Entlassung beim Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum RAV arbeitslos gemeldet. Doch nach mehreren Verlängerungen während der Pandemie ist er dort nach zweieinhalb Jahren durchs Netz gefallen. Seit letztem September ist er ausgesteuert. «Danach habe ich sieben Monate von meinen Ersparnissen gelebt», erzählt Kröplin.
Doch weil sein Kontostand mehr und mehr sinkt, hat er sich jüngst dazu durchgerungen, Sozialhilfe zu beantragen: «Es kann doch nicht sein, dass ich aufs Sozialamt muss.» Er denkt, dass sein früherer Arbeitgeber auf Zeit spielt. «Die warten, bis ich 65 und pensioniert bin.»
Fahrer sind ein Streitthema
Die Baufirma ist unter anderem im Bereich Rückbau und Abbruch von Gebäuden tätig. Kröplin hat dort 13 Jahre gearbeitet und als Chauffeur den Bauschutt und anderes Material von den Baustellen abtransportiert. Gerade die Arbeit von Chauffeuren ist im Baugewerbe ein ewiges Streitthema. Bei reinen Transportfirmen sind die Chauffeure nicht dem Landesmantelvertrag (LMV) des Bauhauptgewerbes unterstellt.
Seit dem Jahr 2003 können Angestellte im Bauhauptgewerbe vom flexiblen Altersrücktritt FAR profitieren. Die Rente ab 60 wird mit zusätzlichen Vorsorgebeiträgen finanziert: Der Arbeitgeber zahlt 5,5 Prozent des AHV-pflichtigen Lohns, der Angestellte 2,25 Prozent. Die Angestellten einzelner Betriebsbereiche können vom Gesamtarbeitsvertrag für den flexiblen Altersrücktritt im Bauhauptgewerbe (GAV FAR) ausgenommen sein – etwa Kantinenpersonal oder Kaderpositionen ohne körperliche Arbeit.
Welche Betriebe dem GAV FAR unterstellt sind, ist in einer Liste festgelegt. Die Stiftung FAR führt Stichproben durch. Verweigere ein Betrieb die Einsicht, werde es aber sehr schwierig, die Baumeisterrenten zu überprüfen und durchzusetzen, heisst es auf Anfrage von Blick. Wenn eine Firma Angestellte dem GAV FAR fälschlicherweise nicht unterstellt hat, müsste dies rückwirkend nachgeholt werden.
Für eine Baumeisterrente muss ein Angestellter in den letzten 20 Jahren während mindestens 10 Jahren nach dem GAV FAR beschäftigt worden sein.
Seit dem Jahr 2003 können Angestellte im Bauhauptgewerbe vom flexiblen Altersrücktritt FAR profitieren. Die Rente ab 60 wird mit zusätzlichen Vorsorgebeiträgen finanziert: Der Arbeitgeber zahlt 5,5 Prozent des AHV-pflichtigen Lohns, der Angestellte 2,25 Prozent. Die Angestellten einzelner Betriebsbereiche können vom Gesamtarbeitsvertrag für den flexiblen Altersrücktritt im Bauhauptgewerbe (GAV FAR) ausgenommen sein – etwa Kantinenpersonal oder Kaderpositionen ohne körperliche Arbeit.
Welche Betriebe dem GAV FAR unterstellt sind, ist in einer Liste festgelegt. Die Stiftung FAR führt Stichproben durch. Verweigere ein Betrieb die Einsicht, werde es aber sehr schwierig, die Baumeisterrenten zu überprüfen und durchzusetzen, heisst es auf Anfrage von Blick. Wenn eine Firma Angestellte dem GAV FAR fälschlicherweise nicht unterstellt hat, müsste dies rückwirkend nachgeholt werden.
Für eine Baumeisterrente muss ein Angestellter in den letzten 20 Jahren während mindestens 10 Jahren nach dem GAV FAR beschäftigt worden sein.
Anders sieht es aus, wenn der Transport einer anderen Tätigkeit der Firma wie dem Transport von Abbruchmaterial dient. Dann gilt für die Fahrer der LMV. Ausser der Transport der Firma ist ein eigenständiger Bereich, der so auch nach aussen hin auftritt.
Bezirks- und Obergericht sind der Meinung, dass die Tätigkeit von Kröplin dem LMV untersteht. Mit den Arbeitsbedingungen im LMV müsste die Firma für ihre Chauffeure künftig deutlich tiefer in die Tasche greifen.
Baumeister gegen Baufirma
Bereits 2009 hat das Bundesgericht in einem Urteil bestätigt, dass für die Chauffeure bei Kröplins ehemaligem Arbeitgeber der LMV gilt. Kläger waren damals neben den Gewerkschaften Syna und Unia auch der Schweizerische Baumeisterverband. Dieser fand, die Baufirma verfüge ansonsten über einen unfairen Wettbewerbsvorteil. Doch wer nach dem LMV angestellt ist, hat in den allermeisten Fällen auch Anrecht auf eine Baumeisterrente.
Kröplins Arbeitergeber hat die Vorsorgebeiträge für die Rente ab 60 für einige Monate einbezahlt und von seinem Gehalt abgezogen, dann ihm aber wieder zurückerstattet.
Das sagt die Firma
Der Grund: Der Geschäftsführer verweist auf Nachfrage von Blick auf veränderte Rahmenbedingungen. Seit 2016 ist es für Mischbetriebe einfacher, die Chauffeure ausserhalb des Landesmantelvertrags zu beschäftigen. Dabei wird unter anderem angeschaut, wie viel Umsatz die Firma mit dem Transport macht.
Die Stiftung für einen flexiblen Altersrücktritt (FAR) fürs Bauhauptgewerbe stuft den Transport der Baufirma als eigenen Bereich ein, wie der Geschäftsführer betont. Sobald das Urteil rechtskräftig ist, dürfte die FAR die Situation aber wohl ebenfalls neu prüfen müssen. Bei der FAR will man sich aus Datenschutzgründen zum konkreten Fall nicht äussern.
Kröplins Glaube in die Behörden hat in den letzten Jahren erheblichen Schaden genommen. «Es kann doch nicht sein, dass so etwas über Jahre hinweg nicht richtig kontrolliert wird», sagt er. Nach dem neuerlichen Urteil zu seinen Gunsten kehrt der Glaube an die Baumeisterrente aber langsam zurück.