Die Bauarbeiter in der Schweiz sind sauer. Seit Wochen gehen sie gegen die Forderungen des Schweizerischen Baumeisterverbands (SBV) auf die Strasse – heute Freitag findet in Zürich eine grosse Protestaktion statt (Blick berichtet hier live).
Der SBV verhandelt mit den Gewerkschaften über einen neuen Landesmantelvertrag, der kommendes Jahr in Kraft treten soll. Doch die Fronten sind verhärtet, und die Position klaffen weit auseinander. Trotzdem schaffte es Blick, den SBV-Direktor Bernhard Salzmann (42) und Nico Lutz (51), Bausektor-Chef bei der Unia, an einen Tisch zu bringen. In der Brasserie Federal im Hauptbahnhof Zürich begrüssen die beiden Streithähne sich zwar freundlich mit einem Handschlag. Doch schon wenige Minuten später hauen sie einander verbal auf die Mütze. Die Fetzen fliegen, am Ende bleibt der Handshake aus. Trotzdem geben sich die beiden nach dem Gespräch etwas zuversichtlicher für die anstehende Verhandlungsrunde am Montag.
Blick: Die Gewerkschaften fahren mit den Protesttagen harte Geschütze auf. Warum schaffen Sie es nicht, sich friedlich zu einigen?
Nico Lutz: Für die Bauarbeiter steht viel auf dem Spiel. Ihre Arbeitstage sind heute im Sommer schon zu lange, ihre Gesundheit und die Familie leiden. Und die Baumeister fordern jetzt noch längere Sommertage.
Andere Organisationen und Unternehmen wie die Swiss haben ohne Streik am Verhandlungstisch Lösungen gefunden! Suchen Sie Streit?
Lutz: Wir hatten auf dem Bau auch bei den Verhandlungen in der Vergangenheit sehr intensive Auseinandersetzungen. Es hat Tradition, dass die Bauarbeiter gemeinsam auf die Strasse gehen, wenn die Verhandlungen komplett stocken.
Bernhard Salzmann: Im Gegensatz zu Herrn Lutz empfinde ich die Verhandlungen durchaus als konstruktiv. Wir reden über die wichtigen Themen. Trotzdem organisieren die Gewerkschaften aktuell präventive Streiks. In Basel schickte die Unia vermummte Trupps auf die Baustellen, die prompt auch Arbeiter bedrohten. Solche Methoden sind inakzeptabel und für die Sache kontraproduktiv.
Lutz: Das ist respektlos gegenüber Bauarbeitern, die sich für ihre Arbeitsbedingungen einsetzen. Vielleicht wollen sie nicht erkennbar sein, weil ihr Arbeitgeber ihnen eine Teilnahme verbieten wollte. Ihre Vorwürfe sind jetzt ein erneuter Vorwand, damit Sie nicht verhandeln müssen.
Bis Ende Jahr gilt der alte LMV noch – und mit ihm die Friedenspflicht. Demnach müssen die Gewerkschaften auf Streiks verzichten. Sie haben in Genf wegen Verstoss gegen die Friedenspflicht geklagt und verloren Herr Salzmann. Eine ziemliche Schlappe, oder?
Salzmann: Das Genfer Gericht hat sich inhaltlich gar nicht geäussert. Die Friedenspflicht ist im Vertrag klar geregelt, und die Gewerkschaften brechen sie. Die Gewerkschaften senden mit ihrem Verhalten Signale, als ob sie gar keinen neuen Vertrag möchten. Die Baumeister wollen einen Vertrag, der dann aber auch eingehalten wird.
Lutz: Die aktuelle Situation ist sicher bedauerlich. Die Baumeister haben in den Verhandlungen von Anfang an auf eine Verzögerungstaktik gesetzt. Sie waren in den ersten vier Verhandlungsrunden nicht bereit, über konkrete Inhalte zu sprechen. Wir hingegen haben unsere Forderungen klar auf den Tisch gelegt. Jetzt müssen die Gespräche endlich konkret werden. Finden wir bis Ende Jahr keine Lösung, droht ein branchenweiter Streik.
Salzmann: Es war sehr wichtig, dass wir zusammen gemeinsame Interessen wie den Gesundheitsschutz, die Nachwuchsförderung und das Halten von Fachkräften und älteren Arbeitskräften festlegen konnten. Das ist doch keine Zeitverschwendung! Wir wollen eine attraktive Branche sein.
6 Verhandlungsrunden haben für den neuen LMV schon stattgefunden – erfolglos. Am Montag beginnt die 7. und vorerst letzte.
48 Stunden sollen Bauarbeiter künftig pro Woche, ohne Überzeit gerechnet, maximal arbeiten. Drei Stunden mehr als bisher.
10 Stunden Reisezeit von der Sammelstelle zur Baustelle und zurück können pro Woche zur maximalen Arbeitszeit hinzukommen.
4,3 Prozent Lohnerhöhung fordern die Gewerkschaften.
6 Verhandlungsrunden haben für den neuen LMV schon stattgefunden – erfolglos. Am Montag beginnt die 7. und vorerst letzte.
48 Stunden sollen Bauarbeiter künftig pro Woche, ohne Überzeit gerechnet, maximal arbeiten. Drei Stunden mehr als bisher.
10 Stunden Reisezeit von der Sammelstelle zur Baustelle und zurück können pro Woche zur maximalen Arbeitszeit hinzukommen.
4,3 Prozent Lohnerhöhung fordern die Gewerkschaften.
Sie sprechen die Gesundheit an und wollen die Bauarbeiter künftig 48 statt 45 Stunden pro Woche arbeiten lassen, ohne Reisezeit gerechnet.
Salzmann: Bereits heute erlaubt der LMV bei Bedarf 48 Wochenstunden. Wir wollen weder in der Woche noch übers ganze Jahr gesehen länger arbeiten als heute. Und wir wollen auch nicht überlange Arbeitstage. Hier schlagen wir konkrete Bremsen vor, die einen Missbrauch verhindern. Doch selbstverständlich gibt es auf dem Bau Zeiten, in denen mehr Arbeit anfällt.
Lutz: Heute sind 48 Stunden nur in Ausnahmefällen möglich. Gemäss Vorschlag der Baumeister könnte dies der Normalzustand sein, das sind 9,6 Stunden jeden Tag, harte körperliche Arbeit bei grosser Hitze. Wenn das möglich wäre, dann würden die Firmen bei dem Termindruck auch so arbeiten lassen. Dazu kämen dann noch weitere Überstunden und ein bis zwei Stunden Reisezeit. Das geht nicht. Wir brauchen im Sommer kürzere Arbeitstage, nicht längere.
Salzmann: Genau deshalb brauchen die Baufirmen bei der Arbeitszeit mehr Spielraum. Sie müssen die Arbeit bei grosser Hitze am Nachmittag einstellen und diese Zeit an einem anderen Tag nachholen können. So sieht konkreter Gesundheitsschutz aus.
Lutz: Sie wissen genau, dies wäre mit der heutigen Regelung bereits möglich. Was wir aber in Zukunft brauchen, ist ein Schutz, dass die Arbeiten ab einer gewissen Temperatur im Freien automatisch eingestellt werden.
Salzmann: Damit wird man den unterschiedlichen Situationen auf dem Bau nicht gerecht. Bei hohen Temperaturen kann im Erdgeschoss im Schatten oft problemlos gearbeitet werden, während es auf einer sonnenexponierten Baustelle keinen Sinn macht. Hier müssen die Firmen baustellenspezifisch reagieren können und das ohne Gefahr, terminlich und kostenmässig in Rückstand zu geraten.
Im Blick haben jüngst zwei Bauarbeiter erzählt, wie schwierig es ist, Arbeit und Familie unter einen Hut zu bringen. Wollen die Baumeister keine attraktiven Arbeitgeber sein?
Salzmann: Doch natürlich. Genau deshalb müssen wir die Arbeitszeit einfacher und flexibler planen können. Wir brauchen in der Breite einfache Regelungen, dass ältere Bauarbeiter oder auch junge aus der Generation Z Teilzeit arbeiten können. Auch Papa-Tage wollen immer mehr. Hier müssen wir Lösungen bieten können.
Lutz: Das sind Märchen, und die Bauarbeiter sind nicht blöd. Teilzeitarbeit ist mit dem aktuellen Landesmantelvertrag problemlos möglich. Euer Vorschlag bedeutet längere Sommertage. Deshalb gehen die Bauarbeiter auf die Strasse.
Der Präsident des Solothurner Baumeisterverbands hat in der Lokalzeitung tiefere Löhne für ältere Arbeitnehmer gefordert. Wollen Sie Ältere herabstufen?
Salzmann: Wir haben den Gewerkschaften in der letzten Verhandlungsrunde in aller Klarheit darauf hingewiesen, dass wir keine Lohnsenkungen für ältere Arbeitskräfte fordern. Wenn die Gewerkschaften das beim Streik am Freitag weiterhin behaupten, ist das einfach nur falsch.
Lutz: Die Möglichkeiten, ältere Mitarbeiter bei einem Jobwechsel tiefer einzustufen und ihren Kündigungsschutz zu reduzieren, waren an den Verhandlungen ganz klar ein Thema. Wenn ihr das jetzt nicht mehr fordert, freut uns das natürlich.