Am 1. November legten in der Nordwestschweiz tausend Bauarbeiterinnen und -arbeiter 400 Baustellen lahm. Zuvor hatten 2500 Bauarbeiter im Tessin vier von fünf Baustellen bestreikt. Am nächsten Freitag, 11. November, kommt es in Zürich, Bern, in der Ostschweiz und der Zentralschweiz zum wohl zum grössten Streik des Landes.
Der Vorwurf der Gewerkschaften: Sie würden in den laufenden Verhandlungen auf einen neuen Landesmantelvertrag zu schlechteren Bedingungen hinarbeiten. Vor allem auf eine Ausweitung der Arbeitszeiten auf bis zu 58 Stunden pro Woche und 12 Stunden täglich.
Doch wie die «SonntagsZeitung» schreibt, sollen die Gewerkschaften Unia und Syna mit den von ihnen organisierten Arbeitsniederlegungen den Gesamtarbeitsvertrag verletzen, den sie mit dem Schweizerischen Baumeisterverband abgeschlossen haben.
«Arbeitsstörende Beeinflussung untersagt»
Der Vertrag hat zum Zweck, «den unbeschränkten Arbeitsfrieden zu bewahren». Er besagt, dass «jede arbeitsstörende Beeinflussung wie Streik, Streikdrohung, Aufforderung zu Streiks und jeder passive Widerstand sowie jede Massregelung oder weitere Kampfmassnahmen wie Sperre oder Aussperrung untersagt» ist. Dass die Gewerkschaften Unia und Syna trotzdem zu Arbeitsniederlegungen aufrufen, sei «eine Verletzung der Friedenspflicht». Das sagt der Arbeitsrechtsprofessor Thomas Geiser (70) von der Universität St. Gallen.
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Und die Gegenseite? Die beiden Gewerkschaften argumentieren, die Arbeitsniederlegungen seien erlaubt, da sie zeitlich und örtlich beschränkt seien. Und zudem weit im Voraus angekündigt sind, womit sich die Arbeitgeber organisieren könnten. Geiser weist diese Rechtfertigung im Bericht jedoch als haltlos zurück: «Das ist rechtlich keine haltbare Argumentation.»
Klage steht im Raum
Die Gewerkschaften verletzen dem Professor zufolge nicht nur den Gesamtarbeitsvertrag: Da er vom Bundesrat für allgemeinverbindlich erklärt worden sei, würden sie auch gegen einen Bundesratsbeschluss vertossen. Und da im Obligationenrecht stehe, dass jede Vertragspartei eines Gesamtarbeitsvertrags verpflichtet ist, «den Arbeitsfrieden zu wahren und sich insbesondere jeder Kampfmassnahme zu enthalten», handeln die Gewerkschafter laut Geiser auch illegal.
Der Baumeisterverband behält sich eine Klage an das im Gesamtarbeitsvertrag vorgesehene nationale Schiedsgericht vor. (pbe)