Deshalb gibt es in der Migros keinen Alkohol
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Marketingtrick von Duttweiler:Deshalb gibt es in der Migros keinen Alkohol

Gegner fordern Befürworter heraus
So verläuft die Alkohol-Front bei der Migros

In weniger als einem Monat herrscht Gewissheit. Dann kommt heraus, ob die Genossenschafter den Verkauf von Alkoholika in Migros-Supermärkten, Restaurants und Take-aways gutheissen – oder die Einführung bachab schicken. Die Debatte läuft auf allen Kanälen.
Publiziert: 17.05.2022 um 23:55 Uhr
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Aktualisiert: 18.05.2022 um 13:33 Uhr
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Für den Verkauf von Bier, Wein und harten Spirituosen spricht sich die amtierende Migros-Präsidentin Ursula Nold aus.
Foto: Keystone
Ulrich Rotzinger

Schwarz oder weiss, Teufel oder Engel, «Oui» oder «Non»: Bei der Aufhebung des Alkoholverkaufsverbots für Migros-Supermärkte, Migros-Restaurants und Migros-Take-aways gibt es kein Dazwischen. Die Fronten sind gemacht.

Die Abstimmungsunterlagen liegen bei den 2,3 Millionen Mitgliedern der zehn regionalen Migros-Genossenschaften auf dem Küchentisch. Seit dem 16. Mai können Ja- und Nein-Sager auch persönlich in einer Filiale der jeweiligen Migros-Genossenschaft abstimmen – als Dank dafür gibts eine «feine Migros-Schoggi», heisst es im Begleitbrief zur Alkohol-Urabstimmung.

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Eine breite Meinungsbildung, sodass möglichst viele ihre Stimmkarte in die Urne legen, hat beim Gottlieb-Duttweiler-Konzern Tradition. So wird die Alkoholdebatte seit Monaten im hauseigenen «Migros Magazin» geführt. Gleichzeitig schalten sich ehemalige und aktuelle Entscheidungsträger aus dem Migros-Imperium über die Medien in die Debatte ein.

Das Schweizer Fernsehen SRF plant derzeit für den 27. Mai eine Abstimmungs-«Arena», wie Franziska Egli, Redaktionsleiterin der «Arena», Blick bestätigt. Über die mögliche Zusammensetzung der Gästerunde gibt das SRF derzeit noch keine Auskunft.

Das Lager der Nein-Sager

Zum Nein-Lager gehört Ex-Migros-Chef Herbert Bolliger (69). Er kämpft gegen Bier und Co. im Regal. Sein Vorwurf an die aktuelle Migros-Führung, sie habe sich nie vertieft mit der Geschichte des Konzerns auseinandergesetzt. «Ich frage mich, ob die überhaupt noch wissen, in welchem Unternehmen sie arbeiten», sagte Bolliger im Interview mit Blick.

Er hat einige seiner engsten Mitarbeiter aus seiner Zeit an der Spitze der Migros um sich geschart, um den Alkoholverkauf zu verhindern. Die sogenannte «Gruppe für die M-Werte» will das Erbe von Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler genannt «Dutti» (1888–1962) verteidigen. Gleichzeitig will die Truppe der Unternehmensführung ins Gewissen reden und der Gesellschaft die Migros-Traditionen und -Werte in Erinnerung rufen.

Ein Nein in die Urne legt auch das Migros-Aushängeschild, glühende Dutti-Verehrerin, und ehemalige Politikerin des Landesrings der Unabhängigen (LdU) Monika Weber (79).

Was die Bevölkerung anbelangt, sind Deutschschweizer eher einem Nein zugeneigt als Westschweizerinnen und Tessiner. Laut einer Anfang April veröffentlichten repräsentativen Tamedia-Umfrage will die Mehrheit der Schweizer und Schweizerinnen, dass die Migros auch künftig keinen Alkohol verkauft.

Viele suchtgefährdete Menschen seien auf die Migros als «alkoholfreie Insel» angewiesen, sagt Philipp Hadorn (55). Der Präsident des Blauen Kreuzes warnt, soziale und volkswirtschaftliche Folgen des Alkoholmissbrauchs zu unterschätzen.

Mit «Sucht Schweiz» ist eine gewichtige Lobby-Gruppe in den Abstimmungskampf eingestiegen. Die Migros sei der letzte Ort in der Schweiz, an dem man alkoholfrei einkaufen kann. «Für die 250'000 alkoholabhängigen Menschen – unter ihnen befinden sich rund 20'000 in Behandlung – ist diese Möglichkeit besonders wichtig», so der Fachverband für Alkohol- und Drogenprobleme. Dazu würden all jene Menschen kommen, die ihre Abhängigkeit überwunden haben.

Das Lager der Ja-Sager

Wer sich in der Öffentlichkeit bis heute zur Alkoholfrage äusserte, ist eher für den Verkauf von Alkoholischem. Dazu gehören etwa die Regionalfürsten der Migros Zürich, Luzern, Basel, Wallis, Waadt und Tessin. Auch die Migros Ostschweiz gibt mit der Zusendung der Stimmkarte die Ja-Empfehlung ab. Die regionalen Genossenschaften Neuenburg-Freiburg, Genf und Aare beschlossen Stimmfreigabe. «Fast alle regionalen Verwaltungen haben ein Ja beschlossen, selbst der Migros-Genossenschafts-Bund MGB ist für ein Ja. Es gibt niemanden, der die Nein-Parole ausgegeben hat», stellt Ex-Chef Bolliger im Blick-Interview fest.

Für den Verkauf von Bier, Wein und harten Spirituosen spricht sich folglich auch die amtierende Migros-Präsidentin Ursula Nold (53) aus.

Blick tief ins Glas

Alkohol in der Migros? Was bis vor kurzem undenkbar schien, könnte bald Realität werden. Blick geht diese Woche in einer Serie der Frage nach, wie und weshalb die Schweiz trinkt – und wieso die Migros-Abstimmung Anfang Juni mehr als der Entscheid eines Supermarkts ist. Alle Teile auch auf Blick.ch und in der App.

Lesen Sie morgen: Was die Verfügbarkeit von Alkohol für einen Ex-Alki bedeutet und was beim Trinken in Hirn und Körper passiert.

Alkohol in der Migros? Was bis vor kurzem undenkbar schien, könnte bald Realität werden. Blick geht diese Woche in einer Serie der Frage nach, wie und weshalb die Schweiz trinkt – und wieso die Migros-Abstimmung Anfang Juni mehr als der Entscheid eines Supermarkts ist. Alle Teile auch auf Blick.ch und in der App.

Lesen Sie morgen: Was die Verfügbarkeit von Alkohol für einen Ex-Alki bedeutet und was beim Trinken in Hirn und Körper passiert.

«Wir verzichten auf viele Kunden»

Aber auch alte Migros-Haudegen wie Anton Scherrer (79), bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2005 Migros-Chef, machen sich für ein Ja zum Alkoholverkauf stark. Bier und Wein, das gehöre heutzutage einfach zu einem Vollsortimenter wie der Migros, sagt er. Das auch, um im Kampf gegen ausländische Anbieter bestehen zu können.

Renata Georg (60) hat mit vier weiteren Migros-Delegierten die Alkohol-Abstimmung ins Rollen gebracht. Für sie bietet die Abstimmung die Chance, «die Statuten der Realität anzupassen», sagt Georg im «Migros-Magazin». Sie wünscht sich, dass sich die Mitglieder in allen zehn regionalen Migros-Genossenschaften für den Alkoholverkauf aussprechen. «Wir verzichten auf viele Kunden, die zum Beispiel ihren Wochenendeinkauf in der Migros tätigen könnten, dies aber nicht tun, weil sie für ihr Bier oder ihren Wein nicht noch in einen zweiten Laden gehen möchten.»

Ausnahmefall Genossenschaft Genf

Die Hürde für den Alkoholverkauf in Supermärkten, Restaurants und Take-aways der Migros ist gewaltig. In den Genossenschaften, in denen sich weniger als zwei Drittel für den Alkoholverkauf aussprechen, bleibt alles beim Alten. Ausnahme Genf: Hier reicht die einfache Mehrheit der Migros-Genossenschafter.

Damit die Stimme zählt, muss der Genossenschafter bis spätestens Samstag, 4. Juni (Datum des Poststempels), das «Oui» oder «No» abgegeben haben. Auch Fabrice Zumbrunnen (52) will das bis dann tun. Der aktuelle Migros-Chef lässt sich auf Blick-Anfrage allerdings nicht in die Karten schauen, wo er das Kreuzchen auf der Stimmkarte macht.

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