Fachkräftemangel im Bundeshaus
Parmelin sucht den Krisenkapitän

Im Winter droht der Schweiz das Gas auszugehen. Ausgerechnet dann tritt der langjährige Chef für die wirtschaftliche Landesversorgung ab. Kann das gutgehen?
Publiziert: 03.07.2022 um 10:59 Uhr
|
Aktualisiert: 09.06.2023 um 11:39 Uhr
1/5
Die Bundesräte Parmelin (SVP) und Sommaruga (SP) warnen vor einer Gas- und Strom-Mangellage: «Alle müssen jetzt an einem Strick ziehen.»
Foto: keystone-sda.ch
Peter Aeschlimann

Es könnte dunkel werden in diesem Winter. Und kalt. Dann nämlich, wenn uns das Gas ausgeht und der Strom. Vor einer solchen Mangellage warnte der Bundesrat am Mittwoch vor den Medien in Bern. Und wie immer, wenn die Situation ernst ist, tat er dies mit reichlich Pathos. «Alle müssen nun an einem Strick ziehen», sagte Guy Parmelin. Es geht also ums Ganze.

Die Botschaft des Vorstehers des Wirtschaftsdepartements (WBF) lautete aber auch: Noch ist es nicht zu spät, noch können wir das Ruder herumreissen. Gelingt uns dies allerdings nicht, könnten das Tragen eines dickeren Pullis und kürzere Duschzeiten bald nicht mehr reichen. Es herrschte dann nämlich Krise – oder in Beamtensprache ausgedrückt: Bereitschaftsgrad 4. In diesem Szenario würden zunächst Jacuzzis trockengelegt und Rolltreppen verboten, im Extremfall drohten mehrstündige Blackouts. Verantwortlich fürs Auslösen dieser Massnahmen wäre ein Mann, von dem vor Covid die wenigsten Schweizerinnen und Schweizer jemals gehört haben dürften: der Delegierte für wirtschaftliche Landesversorgung.

Meier hört im November auf

Im Moment heisst dieser Mann Werner Meier, ein Milizler mit einem 40-Prozent-Pensum. Doch der 66-Jährige hört Ende November auf, vier Monate früher als geplant, 20 Monate nach seiner Pensionierung. Die Stelle ist seit zwei Wochen ausgeschrieben. Im Inserat heisst es: «Im Rahmen der laufenden Reorganisationsmassnahmen hat sich der Bundesrat für eine unbefristete Lösung im Vollamt entschieden.»

Natürlich hat das auch mit Corona zu tun, mit der Masken- und der Impfstoffknappheit. Die Erfahrungen aus der Pandemie liessen im Wirtschaftsdepartement die Erkenntnis reifen, «dass die bisherige Praxis nicht ausreichend ist, um selbst in normalen Zeiten die Leitung der wirtschaftlichen Landesversorgung sicherzustellen», wie es in einer Mitteilung heisst. Im Bundesamt, das seit Ende des Kalten Krieges stets nur geschrumpft ist, wird personell also wieder aufgestockt. Und aus Werner Meiers Nebenamt soll ein Fulltime-Job werden.

Erfahrung wäre gefragt

Krisen sind Chefsache, so steht es in jedem Management-Lehrbuch. Zieht ein Sturm auf, ist Erfahrung gefragt. «Eine Krise ist der denkbar ungünstigste Moment, um strukturelle Probleme zu lösen», sagt Politikberaterin Bettina Mutter. Wer proaktiv denke, gehe Strukturelles früher an.

Dass es im Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) ausgerechnet jetzt zu einer grossen Reorganisation kommt, sorgt denn auch für Kritik im Bundeshaus. «Der Zeitpunkt irritiert», sagt Energiepolitikerin Gabriela Suter. Für die Aargauer SP-Nationalrätin kommt der Wechsel viel zu spät. Die Schweiz müsse besser vorbereitet sein auf alle Arten von Mangellagen. «Man hat das einfach verschlafen», sagt Suter, und das stelle dem Wirtschaftsdepartement kein gutes Zeugnis aus.

Beim WBF lässt man die Kritik nicht gelten. «Es gibt keinen richtigen Zeitpunkt für eine Reorganisation», sagt Sprecherin Evelyn Kobelt. Dass auf die Corona-Krise eine Gaskrise folgen würde, habe niemand antizipieren können. «Wir haben den Krieg in der Ukraine ja nicht angezettelt.» Der Umbau sei dringend nötig, weil die wirtschaftliche Landesversorgung bislang als «Schönwetteramt» organisiert gewesen sei, sagt Kobelt. «In den letzten drei Jahrzehnten ging das Amt beinahe in Vergessenheit, man benötigte es schlicht nicht gross.»

Alle müssen an einem Strick ziehen

Christian Imark, Vizepräsident der Energiekommission im Nationalrat, nimmt seinen Parteikollegen Parmelin in Schutz. «Klar ist ein Leaderwechsel in Krisenzeiten nicht optimal», sagt der Solothurner Nationalrat. Parmelin könne man aber keinen Vorwurf machen: «Es ist die linke Energiepolitik, die nicht krisenresistent ist.»

Das Parteigeplänkel nervt Swissmem-Direktor Stefan Brupbacher (FDP). Der ehemalige WBF-Generalsekretär (2014–2018) sagt: «Das Hin- und Herschieben der heissen Kartoffel bringt nichts.» Es gehe nun darum, weitreichende Schäden abzuwenden, indem alle damit beginnen würden, Gas und auch Strom zu sparen. Dass es im Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung gerade jetzt zum Umbau kommt, hält Brupbacher für unabdingbar: «Das Amt war bislang in der alten Welt verankert. Jetzt ist die neue Welt da. Die angestossenen Erneuerungsprozesse jetzt zu unterbrechen, wäre falsch.»

Fehler gefunden? Jetzt melden

Was sagst du dazu?

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.