So will der Bundesrat das Problem der Gas-Knappheit lösen
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Abhängigkeit von Russland:So will der Bundesrat das Problem der Gas-Knappheit lösen

Bund und Branchen geben sich Saures
Grosser Energie-Zoff – schuld ist immer der andere

Simonetta Sommaruga ist zwar Energieministerin. Doch gegen Energieengpässe muss Wirtschaftsminister Guy Parmelin vorgehen.
Publiziert: 03.04.2022 um 17:18 Uhr
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Energieministerin Simonetta Sommaruga war der Stargast am Stadtwerkekongress vom Freitag in Aarau.
Foto: Thomas Meier
Danny Schlumpf

Der Gaskrieg zwischen Putin und dem Westen trifft auch die Schweiz. «Es wird immer schwieriger, unser Land mit Energie zu versorgen», warnte Swisspower-Chef Ronny Kaufmann (46) am Freitag am Stadtwerkekongress in Aarau. Dort war man sich einig: Eine Versorgungskrise gilt es zu verhindern – und zwar jetzt. Eine Herkulesaufgabe für den Stargast des Kongresses, Simonetta Sommaruga (61) – könnte man meinen.

Doch im Gespräch mit SonntagsBlick hebt die Energieministerin hervor: «Wenn es zu einer Mangellage kommt, kümmert sich das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung im Wirtschaftsdepartement von Bundesrat Guy Parmelin darum.»

Parmelin verkündet Aufstockung

Tatsächlich verkündete Parmelin (62) am Mittwoch eine Aufstockung dieses Bundesamts um zwölf Stellen – verschwand jedoch gleich wieder von der Bildfläche. Was Sommaruga augenscheinlich ärgert. Denn sie ist für die mittel- und langfristige Energiepolitik zuständig, nicht für akute Versorgungskrisen.

Am Kongress in Aarau teilte die Bundesrätin auch nach unten aus: Die Schweizer Energieversorgung habe eklatante Schwächen, erklärte Sommaruga den 200 Gästen – und da seien nicht zuletzt die Städte als Besitzer der Stadtwerke gefordert: «Sie müssen sich darüber Gedanken machen, welche Weichen sie stellen.»

«Es wird zuerst gesucht, was falsch ist»

Die Angesprochenen indes betonen, sie würden gern mithelfen. Nur: «Das Geld, das wir erwirtschaften, reicht nicht aus, um die politischen Ziele zu erreichen», rief Hans-Kaspar Scherrer (58), Chef des Aargauer Versorgers Eniwa, in den Saal. Und dann erst die Bewilligungsbehörden: «Wenn wir mit einem Projekt kommen, wird zuerst gesucht, was falsch ist und warum es nicht geht!»

Unterstützung erhielt Scherrer von Kantonsseite: Der Umweltschutz werde zu stark gewichtet, fand Jan Flückiger (43), Generalsekretär der kantonalen Energiedirektorenkonferenz. Diskussionen, ob Fische auch noch eine Schwimmweste bräuchten, seien nicht zielführend. «Blockieren ist immer einfacher», sagte Flückiger. Und: «Alle paar Jahre gibt es neue Regeln. In Bundesbern meint man gern, man wisse es besser.»

Zoff mit allen

Matthias Gysler (57) vom Bundesamt für Energie widersprach: «Vor zehn Jahren hiess es, die Energiewende sei unmöglich. Heute wollen alle vorwärtsmachen. Da fühle ich mich richtig gut!»

Fazit: Der Bund zofft sich mit den Kantonen, die Versorger mit den Behörden. Und fast alle liegen mit den Umweltschützern über Kreuz. Hinzu kommt ein Stadt-Land-Graben auch im Energiebereich. Eniwa-Chef Scherrer: «Die Stadtbewohner wollen vorwärtsmachen mit der Energiewende, aber auf dem Land sieht es anders aus. Das zeigt sich auch bei den Abstimmungen.»

Branche muss über die Bücher

Damit nicht genug: Auch zwischen den Städten ächzt es im Gebälk. So liess der Aarauer Scherrer an die Adresse von Zug ausrichten: «Man hat Nord Stream 2 gebaut statt Terminals für Flüssiggas. Das wird sich jetzt wohl ändern.» Generell müsse die gesamte Branche über die Bücher, so Scherrer: «Wir haben nichts falsch gemacht – wir haben einfach gar nichts gemacht.»

Doch nun drängt die Zeit. Stefan Brem (49), Chief Risk Officer beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz (Babs), erinnerte daran, dass ein Gasmangel auch die Gefahr eines Strom-Blackouts weiter erhöhe – ein Thema, über das bis vor kurzem noch die ganze Schweiz diskutierte.

Risiko verschärft

Zu Recht, denn in der Babs-Risikoanalyse belegt die Gefahr einer Strommangellage den ersten Platz. «Bis jetzt wurden zu wenige Massnahmen umgesetzt, um diese Gefahr abzuwenden», so Brem gegenüber SonntagsBlick. «Jetzt hat sich die Risiken-Gemengelage verschärft.»

Umso wichtiger, dass alle an einem Strick ziehen. Ob das gelingt?

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