Frau Bundesrätin, wie kommen wir weg vom russischen Gas? Und wie schnell?
Simonetta Sommaruga: Die Bevölkerung lebt vor, was jetzt zu tun ist. Sie hat in den letzten zwei Jahren so viel Fotovoltaik zugebaut wie noch nie. Das Gleiche gilt für den Ersatz alter Öl- und Gasheizungen. Die Politik hat ebenfalls vorgesorgt: 11,7 Milliarden Franken stehen für die einheimischen erneuerbaren Energien bereit, weitere vier Milliarden für den Heizungsersatz und Sanierungen. So kommen wir weg von der Auslandsabhängigkeit. Und da sind wir uns alle einig: Die ist ein Problem.
Flüssiggas kann das russische Gas teilweise ersetzen. Kann sich die Schweiz die nötigen internationalen Zugänge sichern?
Für den Gaseinkauf ist die Gasbranche zuständig. Wir haben im Bundesrat dafür gesorgt, dass die Branche unkompliziert einkaufen kann, auch Flüssiggas. Diese Woche konnte die Schweiz überdies mit wichtigen europäischen Staaten – darunter Deutschland und Frankreich – eine Vereinbarung zur gegenseitigen Unterstützung im Gasbereich unterzeichnen.
Aber wenn das Gas knapp wird, schaut die EU doch zuerst für sich. Hat die Schweiz am Schluss nicht das Nachsehen?
Wir haben in der Pandemie gesehen: Wenn wir wirklich eine Krise haben, schaut jeder zuerst für sich. Umso wichtiger ist es, dass wir vorsorgen. Da ist der Zubau der einheimischen Energien zentral. Aber natürlich müssen unsere Stuben auch im nächsten Winter warm sein. Deshalb haben wir der Gasbranche die Möglichkeit gegeben, sich abzusprechen und dafür zu schauen, dass genug Gas vorhanden ist im nächsten Winter.
Simonetta Sommaruga (61) leitete von 2010 bis 2018 das Justiz- und Polizeidepartement. 2019 wechselte die Sozialdemokratin ins Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek), dem sie seither vorsteht. Von 1993 bis 1999 hatte sich die gelernte Konzertpianistin als Geschäftsführerin der Stiftung für Konsumentenschutz einen Namen gemacht, ehe sie 2003 in den Nationalrat gewählt wurde.
Simonetta Sommaruga (61) leitete von 2010 bis 2018 das Justiz- und Polizeidepartement. 2019 wechselte die Sozialdemokratin ins Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek), dem sie seither vorsteht. Von 1993 bis 1999 hatte sich die gelernte Konzertpianistin als Geschäftsführerin der Stiftung für Konsumentenschutz einen Namen gemacht, ehe sie 2003 in den Nationalrat gewählt wurde.
Zurzeit steht das Gas im Fokus. Die drohende Strommangellage löst sich damit allerdings nicht einfach in Luft auf …
Wenn wir beim Gas ein Problem haben, wirkt sich das unmittelbar auf den Strom aus. Darum ist die Frage so wichtig, was wir kurzfristig machen können, um im nächsten Winter genug Gas zu haben. Und wir müssen sehr genau auf die schwankenden Strompreise achten. Gleichzeitig müssen wir die einheimischen Energien ausbauen. Die Grundlagen habe ich in den letzten drei Jahren gelegt. Über 11 Milliarden sind beschlossen und können jetzt investiert werden. Hinzu kommt unter anderem die Beschleunigungsvorlage für grosse Windparks und Stauseen, die für die Versorgungssicherheit wichtig sind. Wir müssen vorwärtsmachen. Wir können nicht mehr 20 Jahre darüber streiten, ob wir eine Staumauer erhöhen. Alle müssen Zugeständnisse machen.
Verschiedene Behörden sind involviert, aber auch Kantone, Gemeinden und Unternehmen. Verzetteln wir uns in einer solchen Krise nicht?
In einer Situation wie jetzt müssen alle zusammenarbeiten. Deshalb sprechen sich der Bund, die Branche und die Kantone eng ab. Wenn es trotzdem zu einer Mangellage kommt, zum Beispiel beim Gas, kümmert sich das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung im Wirtschaftsdepartement von Bundesrat Guy Parmelin darum. Es ordnet bei Mangellagen stufenweise Massnahmen an und sagt am Schluss, wenn es hart auf hart kommt, wer noch Gas erhält und wer nicht.
Und doch besteht Koordinationsbedarf. Sie selbst haben noch im Dezember eine ämter- und branchenübergreifende Taskforce eingesetzt.
Die Taskforce habe ich wegen der stark schwankenden Strompreise ins Leben gerufen. Damals geriet ein Stromunternehmen in finanzielle Engpässe. Die Taskforce prüft jetzt Massnahmen, um solche Krisen zu verhindern. Sie prüft aber auch, wie wir die Versorgung sicherstellen, falls ein Engpass eintritt. Mit dem Krieg in der Ukraine sind neue Themen hinzugekommen. Ziel ist es, die Energieversorgung sicherzustellen.
Die Energiepreise steigen. Wo sollte der Bund sinnvollerweise unterstützen? An der Tankstelle? Bei den Heizkosten?
Finanzminister Ueli Maurer und ich verfolgen die Lage genau. Wichtig finde ich, dass die Tankstellen nicht nur Preiserhöhungen an die Kundschaft weitergeben, sondern auch Senkungen. Beim Benzin haben wir nämlich derzeit starke Schwankungen nach oben und unten. Wenn beim Heizen die Preise massiv steigen, kann das für Haushalte mit einem tiefen Einkommen zu einem Problem werden. Darum müssen wir auch hier hinschauen. Genauso wichtig ist aber, dass die Hausbesitzer die Gebäude sanieren und fossile Heizungen möglichst rasch ersetzen. Dann sinken nämlich auch die Heizkosten für die Mieter.