Gerry Seoane, wo haben Sie die Spiele am Montag gesehen?
Im Kollegenkreis.
Wie wars?
Man schaut sich solche Spiele zuerst immer als Trainer an. Analytisch. Doch wenn es so mitreissend ist, kommt irgendwann der Fan an die Oberfläche. Dann wirds extrem emotional. Erst recht, wenn es sich um meine beiden Länder handelt.
Sie selber haben auch noch einen Spieler im Turnier, den sie möglicherweise noch lange nicht im Training sehen werden.
Es macht Spass zuzuschauen, welch grossartige Leistungen Patrik Schick abliefert. Er ist ein Topstürmer und verfügt über unglaubliche Abschlussqualitäten.
Wann legen Sie in Leverkusen los?
Am nächsten Montag gehts los mit Leistungsdiagnostik.
Sie sind also noch in der Schweiz?
Ja. Ich fahre demnächst wieder nach Leverkusen und schaue mir die Spiele vom Freitag mit meinem Staff schon im Hotel in der Bay-Arena an.
Haben Sie der Schweiz den Exploit gegen Frankreich zugetraut?
Ich habe diesem Team ganz allgemein sehr viel zugetraut. Die Spieler haben Qualität, spielen in Topligen und grossen Klubs, teils in tragenden Rollen. Sie haben sehr viel Selbstvertrauen, sind enorm ehrgeizig. Wenn diese Mannschaft so auftritt, kann sie an einem guten Tag jedem Gegner Paroli bieten.
Auch Spanien?
Aber selbstverständlich.
Was wird es brauchen, damit es am Freitag gelingt?
Gerade nach einem derart emotionalen Spiel wie gegen Frankreich wird es von enormer Bedeutung sein, dass die psychische Bereitschaft auf den Punkt genau wieder auf Toplevel ist. Das ist die hohe Kunst des Spitzensports.
Kann man Granit Xhaka ersetzen?
Dieser Ausfall wiegt schwer. Eins zu eins kann man ihn nicht ersetzen. Das wird auf mehrere Schultern verteilt werden müssen. Granit ist der Eckpfeiler im Team. Er hat mit 28 Jahren 98 Länderspiele gemacht und ist der Captain. Er hat eine tolle Technik, grosse Mentalität, ist physisch stark und verfügt über einen Superpass.
Wer soll ihn ersetzen?
Das kann ich nicht beurteilen, weil ich zu wenig nahe dran bin. Aber Vladimir Petkovic hat mit den beiden ehemaligen YB-Spielern Denis Zakaria und Djibril Sow zwei bundesligaerfahrene zentrale Mittelfeldspieler im Kader, welche geeignet sind. Da wird dann das Gespür des Coaches den Ausschlag geben müssen, wie er die beiden in den Trainings erlebt. Es braucht sicher Spieler, die läuferisch und physisch entgegenhalten können. Das können die beiden.
Wie stufen sie diese spanische Equipe ein?
Es gibt Parallelen zur Schweiz. Auch Spanien hat sich gesteigert, als es um alles oder nichts ging. Das Team hat sich gefestigt, ist in schwierigen Momenten zusammengewachsen, hat Leidens- und Kampfbereitschaft an den Tag gelegt.
Wo liegen die Schwächen?
Ich spreche lieber von einem Handicap, nämlich jenem, über wenig Erfahrung an grossen Turnieren zu verfügen. Dass hat sich in den ersten Spielen gezeigt.
Nach fünf Turnierspielen dürfte das kein grosses Handicap mehr sein.
Klar. Aber die Krux ist, dass dies für alle Mannschaften gilt, die es so weit bringen. Die werden alle von einer Welle der Euphorie und von guten Gefühlen getragen.
Spanien hat mehr Talent als wir.
Nicht ganz auf allen Positionen. Aber es liegt in der Natur der Sache, dass man bei der Grösse des Landes und der Stärke der eigenen Liga grössere Auswahlmöglichkeiten als die Schweiz hat.
Wo hat die Schweiz Vorteile?
Die Mannschaft ist eingespielt, man kennt sich gut. Diese Routine ist ganz wichtig.
Auf wen müssen wir besonders aufpassen?
Dieses spanische Team definiert sich übers Kollektiv. Die grosse Challenge für die Schweizer wird sein, sich darauf einzustellen, dass sie den Ball wenig haben. Da muss man dann Geduld aufbringen und an seinem Plan festhalten.
Der da heisst: Spielen und seinerseits versuchen oft in Ballbesitz zu sein.
Selbstverständlich. Die Schweiz wird versuchen, ihr Spiel durchzusetzen. Aber sie wird gewisse Abstriche machen müssen.
Gerry Seoane (42) wächst im Kanton Luzern auf. Seine Eltern stammen aus Galizien im Nordwesten Spaniens. Er besitzt sowohl den spanischen wie auch den Schweizerpass. Beim FCL schafft er den Sprung zu den Profis. Später spielt er auch für Sion, La Coruña, Aarau und GC. Spannend: In vier Jahren La Coruña spielt er kein einziges Mal für die Profimannschaft, kommt in der spanischen Heimat seiner Eltern nur bei den Reserven zum Einsatz. 2013 startet Seoane im FCL-Nachwuchs seine Trainerlaufbahn, im Januar 2018 übernimmt er bei den Profis. Nach nur einem halben Jahr, einem allerdings ausserordentlich guten, holt ihn YB als Nachfolger von Heilsbringer Adi Hütter, der den ersten Meistertitel seit 32 Jahren nach Bern geholt hatte. Seoane wird in all seinen drei YB-Saisons Meister, 2020 auch Cupsieger. Er qualifiziert YB erstmals für die Champions League und diese Saison für die Europa-League-Achtelfinals, indem die Berner Bayer Leverkusen eliminieren. Das imponiert Werkself-Geschäftsführer Rudi Völler derart, dass er Seoane zu seinem neuen Coach macht.
Gerry Seoane (42) wächst im Kanton Luzern auf. Seine Eltern stammen aus Galizien im Nordwesten Spaniens. Er besitzt sowohl den spanischen wie auch den Schweizerpass. Beim FCL schafft er den Sprung zu den Profis. Später spielt er auch für Sion, La Coruña, Aarau und GC. Spannend: In vier Jahren La Coruña spielt er kein einziges Mal für die Profimannschaft, kommt in der spanischen Heimat seiner Eltern nur bei den Reserven zum Einsatz. 2013 startet Seoane im FCL-Nachwuchs seine Trainerlaufbahn, im Januar 2018 übernimmt er bei den Profis. Nach nur einem halben Jahr, einem allerdings ausserordentlich guten, holt ihn YB als Nachfolger von Heilsbringer Adi Hütter, der den ersten Meistertitel seit 32 Jahren nach Bern geholt hatte. Seoane wird in all seinen drei YB-Saisons Meister, 2020 auch Cupsieger. Er qualifiziert YB erstmals für die Champions League und diese Saison für die Europa-League-Achtelfinals, indem die Berner Bayer Leverkusen eliminieren. Das imponiert Werkself-Geschäftsführer Rudi Völler derart, dass er Seoane zu seinem neuen Coach macht.
Gegen Italien hat sie es zu wenig versucht. Es ging schief.
Aus diesem Spiel hat man viele Lehren gezogen. Das hat man gegen Frankreich gesehen. Aber es war auch ein Spiel, in welchem ein Topteam einen Supertag erwischt und der Gegner keinen.
Speziell gefährlich ist Spanien aber schon im Angriff.
Ja. Nur weiss man nicht, wer jeweils spielt. Luis Enrique bringt immer andere Spieler. Morata, Ferran Torres, Sarabia, Olmo, Moreno. Die Offensive ist aber die Hauptstärke.
Die spanische Abwehr ist verwundbar.
Diese wirkt noch nicht wirklich eingespielt. Und sie leidet ein wenig unter dem Fokus auf die Offensive.