Blick: Amina Seferovic, wie ist es Ihnen auf der Tribüne ergangen?
Amina Seferovic: Ich lebe jedes Spiel von Haris sehr intensiv mit, ob zuhause oder im Stadion. Aber so ein emotionales Spiel habe ich noch nie erlebt. Das war eine Achterbahn an Gefühlen und Emotionen. Als Haris das erste Tor erzielte, bin ich in Tränen ausgebrochen – vor Stolz und Freude. Nach der Aufholjagd der Franzosen war ich enttäuscht. Nach dem 1:3 habe ich nicht mehr richtig daran geglaubt. Aber das Team hat weiter gekämpft. Als sie den Rückstand aufgeholt haben, war das sensationell und an Emotionen kaum zu übertreffen. Haris' zweites Tor war für mich noch das i-Tüpfelchen dieser überragenden Aufholjagd! Ab dann habe ich nur noch gehofft, dass die Kräfte reichen und das Glück endlich mal auf Schweizer-Seite ist. So war es dann. Unvergesslich! Historisch!
Konnten Sie beim Penalty-Schiessen überhaupt noch hinsehen?
Ja, ich war selbst verwundert, wie entspannt ich war. Aber die Schweizer haben ein Riesenspiel gemacht und für mich waren sie schon vor dem Penalty-Schiessen die Sieger.
Sie erwarten Ihr zweites Kind. Bräuchten Sie nicht eher Ruhe als Aufregung?
Naja, vor allem braucht man in einer Schwangerschaft das, was einem guttut. Ich bin ein sehr energetischer und ausdauernder Mensch. Während der ganzen Pandemie, waren wir quasi nur zuhause. Bisher konnten wir noch nicht wirklich etwas mit unserer Tochter unternehmen. Mir tuts gut, endlich mal raus zu kommen und etwas Besonderes mit Inaya zu erleben. Ihren Vater an einer EM live zu unterstützen, das sind Erinnerungen, die ein Leben lang bleiben. Diese möchte ich ihr geben. Ich habe zum Glück eine komplikationsfreie Schwangerschaft bisher und befolge alles, was mein Arzt mir empfiehlt und vorschreibt. Wenn nur ein kleinstes Risiko bestünde oder mein Körper mir Signale gäbe, dass es zu viel ist, würde ich zuhause bleiben.
Haben Sie Ihren Mann auf der Tribüne eigentlich auch hören können? Er ging ja auch nach seiner Einwechslung noch voll mit.
Wir konnten ihn nicht hören. Aber ich kann mir nur zu gut vorstellen, wie er die Jungs weiter unterstützt hat. Wenns um Fussball geht, ist er sehr temperamentvoll.
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Zuhause dürfte er jeweils viel ruhiger sein.
Ist er tatsächlich. Er ist eher der ruhende Pol in unserer Beziehung. Ich bin generell die temperamentvolle von uns beiden.
Hat Inaya von der Tribüne aus ihren Papi erkennen können?
Ja. Wir sassen relativ nah am Spielfeld, sie konnte ihn schon beim Aufwärmen erkennen.
Inaya ist noch nicht ganz zwei. Hat sie schon mitgefiebert?
Natürlich versteht sie noch nicht richtig, was passiert. Aber sie weiss schon, dass Papa da jetzt am Arbeiten ist. Ruft dann auch immer lautstark Papa und sagt «Goal». Das habe ich ihr beigebracht (lacht). Jedesmal, wenn sie irgendein Fussballspiel am TV sieht, sagt sie «Papa Goal».
Es schien, als hätte Haris euch zugejubelt. Hat er euch gesehen?
Ja. Er kannte unsere Karten und wusste, wo wir sitzen.
Lange war er an grossen Turnieren im Nati-Dress nicht so treffsicher. Haben Sie immer dran geglaubt, dass er auch an der EM treffen kann?
Ich glaube grundsätzlich immer an Haris und an sein Können. Unabhängig davon, was für Spiele es sind. Ich habe nie an ihm gezweifelt, selbst in seinen schlechtesten Zeiten nicht. Ich kenne seine Qualitäten, ich weiss, was er schon geleistet hat. Er ist ein Riesen-Kämpfer. Er musste im Laufe seiner Karriere – und muss es teilweise immer noch – sehr viel Kritik einstecken. Einige Spieler zerbrechen daran. Ich bewundere ihn unheimlich, wie er damit umgeht. Er ist mental unzerbrechlich.
Gibts jetzt den berühmten Ketchup-Effekt. Lange kommt nichts, dann plötzlich alles. Trifft er auch gegen Spanien?
Hoffentlich!
Fliegen Sie nach St. Petersburg oder setzen Sie und Inaya ein Spiel aus und gehen dann wieder zum Halbfinal?
Wenn ich mich weiterhin so gut fühle und beschwerdefrei bleibe, sind wir am Freitag auch in St. Petersburg.
Was trauen Sie Haris und der Nati jetzt zu?
Alles! Sie haben den Weltmeister geschlagen. Die Franzosen waren der Top-Favorit, die Schweiz hat gewonnen! Grosse Turniere gewinnt man, in dem man grosse Mannschaften besiegt!