Sein Auftreten war unverkennbar: Mit Steigeisen an den Schuhen und einem Eispickel in jeder Hand rannte er – man kann es nicht anders sagen – die Felswände hoch. Ueli Steck (1976–2017) war eine Legende. In der Szene nannte man ihn «The Swiss Machine» – die Schweizer Maschine. Nachdem er an der Eiger-Nordwand zweimal einen Rekord aufstellte – ohne Sicherung –, bekam er den Übernamen «Eiger Tiger». In der Bergsteigerszene war er eine Koryphäe. Doch auch Laien waren fasziniert vom drahtigen Berner Oberländer.
Steck wusste, wie er sich auch medial in Szene setzen musste, um die grösstmögliche Aufmerksamkeit zu erreichen. Er erklomm im Sprint nahezu vertikale Felswände und liess sich dabei filmen und fotografieren. Er schrieb Bücher und war immer wieder der Mittelpunkt von Dokumentarfilmen.
Eine steile Karriere mit Tiefen
Zu seinen grössten Erfolgen gehört die Solo-Besteigung der Annapurna-Südwand im Jahr 2013. Die Leistung schien derart übermenschlich, dass er von einem Alpinjournalisten der Lüge bezichtigt wurde. Eine gewalttätige Auseinandersetzung mit Sherpas im selben Jahr steckte Steck erst nach einiger Zeit weg und sagte damals zu Blick: «Ich hatte Angst um mein Leben.»
2008 hatte er eine frühere Besteigung der Annapurna abgebrochen, um einem verunglückten spanischen Bergsteiger zu Hilfe zu eilen. Dieser starb schliesslich in Stecks Armen. Für seine selbstlose Tat erhielt der Berner zusammen mit seinem Kletterpartner Simon Anthamatten den Prix Courage.
Am 30. April 2017, genau vor sieben Jahren, stürzte Ueli Steck im Himalaya, nahe des Mount Everest, auf einer Trainingstour ab. Er war alleine unterwegs. Damals schrieb Blick über den 40-Jährigen: «Er überragte alle.»
Steck war auf dem Boden geblieben
Eine, die Ueli Steck sehr gut gekannt hatte, ist Karin Steinbach Tarnutzer (57). «Die Nachricht von seinem Tod hat mich damals sehr getroffen», sagt die Alpin-Journalistin, die in St. Gallen wohnt, beim Besuch von Blick. Die Nachricht seines Todes erreichte sie in den Ferien in Florenz (Italien). Im Zug nach Hause schrieb sie den Nachruf für die «NZZ».
Steinbach hatte intime Einblicke in Stecks Leben, schrieb mit ihm drei Bücher und ist noch heute beeindruckt davon, wie der Ausnahmekönner auf dem Boden geblieben war: «Ich erinnere mich daran, wie wir hier im Wohnzimmer bei einem Glas Wein zusammensassen. Er liess uns nie spüren, dass er alpinistisch in einer völlig anderen Kategorie unterwegs war. Das habe ich sehr an ihm geschätzt.»
«Er hat sich stark mit dem Thema Gefahr und Risiko auseinandergesetzt»
Er sei nie auf dem hohen Ross gesessen. «Wir haben uns aber auch gut ergänzt. Er hat die spannenden Inhalte geliefert und ich habe das Ganze in eine Form gebracht, in der es sich gut lesen lässt.» Berge stehen weiterhin im Zentrum ihrer Arbeit. In ihrem neusten Buch geht es nicht mehr ums Extrembergsteigen, sondern um Reportagen aus den Schweizer Bergen mit 45 Wanderungen.
Zu Stecks Tod sagt Steinbach Tarnutzer: «Dieses Mal fehlte ihm das Glück, das ihn schon einige Male vor dem Tod bewahrt hatte. 2013 war er bereit gewesen, zu sterben.» Sie zitiert damit Steck selbst, der nach seiner 28-stündigen Solo-Durchsteigung der Annapurna-Südwand in eine tiefe Krise gefallen war, weil er selbst gemerkt hatte, dass er zu weit gegangen war. «Ich hatte den Eindruck, dass er sich intensiv mit dem Thema Gefahr und Risiko auseinandergesetzt und eigentlich beschlossen hatte, keine Solo-Begehungen mehr zu machen.» Seinen eigenen Vorsatz habe er wohl einmal zu oft gebrochen.
«Wir haben an der Eiger-Nordwand zusammengearbeitet»
Ein anderer Freund von Ueli Steck, der Fotograf und Alpinist Robert Bösch (69), erinnert sich gerne an seinen Bergsteigerpartner: «Die eine Erinnerung an ihn gibt es nicht. Es ist ein Sammelsurium von Erinnerungen. Wir haben auf ausgezeichnete Art und Weise zusammen funktioniert.»
Nebst Freundschaft pflegten die beiden auch eine Geschäftsbeziehung. Steck rannte den Berg hoch, Bösch fotografierte und filmte ihn dabei. «Wir haben an schwierigen Orten, zum Beispiel an der Eiger-Nordwand, zusammengearbeitet. Wir konnten uns jeweils auf den anderen verlassen.»
Ueli Stecks Tod war zwar schockierend, aber nicht unerwartet, sagt Bösch: «Er starb nicht, weil er den Bogen total überspannt hatte.» Es sei das passiert, was passieren kann, wenn man viel in die Berge gehe. «Das Risiko ist immer mit dabei.»