Es sind noch sieben Stunden bis zum Halbfinal-Knüller gegen Kanada. Der Kaffee steht bereit auf dem Tisch vor dem Camper mit den Berner Kennzeichen. Roman Josis Mutter Doris und ihr Lebenspartner Peter Bamert haben es sich in der Sonne auf ihren Stühlen bequem gemacht. Seit acht Tagen steht ihr Wohnmobil auf dem Camping Sokol rund neun Kilometer von der Prager Eishalle entfernt. Die eingefleischten Camper fühlen sich pudelwohl.
Neben ihrem Stellplatz gibt es kleine Holzhäuschen, eines davon haben sie noch angemietet. Für Romans zwei Jahre älteren Bruder Yannick, der soeben mit Freundin Michèle und Kumpel Dario um die Ecke biegt. Sie sind kurz zuvor in Prag gelandet, haben sich am Freitag dazu entschlossen, für den Halbfinal und das Medaillen-Spiel anzureisen.
Auch bei Doris Josi ist es ein spontaner Entscheid gewesen. «Als uns Roman mitteilte, dass er die WM spielt, haben wir beschlossen, nach Tschechien zu fahren», erzählt die 59-Jährige. Seit 20 Jahren sind sie und ihr Partner schon mit dem Camper unterwegs, verbringen ihre Ferien gerne in Griechenland, Frankreich oder Italien. Auch an eine Weltmeisterschaft mit dem 14 Quadratmeter grossen Wohnmobil zu fahren, habe Vorteile. «So bleibt man flexibel.» Weil man ja nicht wisse, wie lange die Nati dabei ist, wenns Richtung K.-o.-Spiele geht.
Für die 800 Kilometer lange Hinreise von Bern nach Prag lässt sich das pensionierte Paar Zeit. Beim Fahren wechseln sich Doris Josi und Peter Bamert ab. Einmal haben sie auf dem Weg in Deutschland übernachtet, einmal im tschechischen Pilsen, bevor sie am Tag vor dem Gruppenspiel gegen die Briten in der WM-Stadt eingetroffen sind. «Die Fahrt war völlig stressfrei», berichtet der 68-Jährige. Und auch im bestens eingerichteten Wohnmobil haben sie es immer entspannt zusammen.
Das Paar geniesst die Natur
Für beide das typische Camper-Feeling? «Unabhängig, unbeschwert, unkompliziert», sagen sie, «wir geniessen die Natur und sind viel draussen.» Auf einer Joggingrunde, oder unterwegs mit den Velos, die sie dabei haben. Hier in Prag sind sie täglich mit dem Zug in die Altstadt gefahren, um sie zu erkunden und Bekannte zu treffen. Auch nach Ostrava zum Viertelfinal gegen die Deutschen hat das Paar den Zug genommen und den Camper in Prag stehen lassen. Da sei die Nervosität grösser gewesen als jetzt, am Mittag vor dem Halbfinal. «Aber das kommt vielleicht noch», ahnt Mama Doris Josi, als ihr älterer Sohn drei Nati-Tenüs aus der Tasche holt.
Yannick Josi ist Inhaber eines Aurum-Trainingsstudios in Bern, hätte an diesem Wochenende eigentlich arbeiten müssen. «Meine Mitarbeiter übernehmen liebenswürdigerweise für mich», erzählt der 35-Jährige. Freundin Michèle (34), die im Kinderspital Bern arbeitet, hat sogar ihre Ferien drei Tage verschoben. Statt gestern nach Malaga zu fliegen, lässt sie sich die Nati-Spiele nicht entgehen und reist dann am Montag nach. Auch Josi und Bamert werden sich am Montag auf die Heimfahrt in die Schweiz machen.
Doch zunächst stehen noch zwei Hockey-Krimis an. So langsam macht sich Aufbruchstimmung breit, man trifft sich in der Altstadt noch mit Roman Josis Vater Peter zum Mittagessen. Die ganze Familie ist in Prag, um den Nati-Captain spielen zu sehen. Denn der NHL-Star (Nashville) ist erstmals seit 2019 wieder im Schweizer WM-Team – und mit ihm auf Medaillenkurs.