Roman Josi wird für seine Dominanz in der Abwehr gefeiert, Kevin Fiala für seine Spektakelmache in der Offensive. Doch der (heimliche) Star der NHL-Schweizer ist: Nico Hischier. Der 25-Jährige hat es geschafft, eine enttäuschende und zermürbende Saison mit den New Jersey Devils einfach mal wegzustecken, obwohl er als deren Captain stets und unermüdlich Antworten hat liefern müssen für die Probleme seines Teams und dabei auch Tacheles redet.
Für die Nati ist der Walliser in Prag eine komplette Teamstütze – mit defensiver Stärke sowie Spielübersicht und Torriecher in der Offensive. Vorne stark, dazwischen unerschütterlich, und hinten mehr als sattelfest. Denn Hischier wirkt nochmals reifer, abgeklärter, ausgeglichener – als Spieler, vor allem aber als Mensch.
Vor einem Jahr gehadert
Rückblende, WM 2023. An einem späten Nachmittag sitzt Hischier in Riga mit seinen Eltern in einem Restaurant auf einer Dachterrasse. Der Stürmer sieht gestresst aus. Er hadert, mit sich und seiner Leistung, weil er irgendwie nicht richtig auf Touren kommt. Das nagt an ihm, der Jetlag auch. Das kann er nicht verbergen. Dabei gewinnt die Schweiz Match um Match. Im letzten Gruppenspiel gegen Lettland bekommt er eine Pause, dann das bittere Out im Viertelfinal gegen die Deutschen (1:3).
WM 2024: 365 Tage nach jenem Restaurant-Besuch in Riga schiesst Hischier im Viertelfinal gegen die Deutschen das wegweisende 2:0. Und setzt damit erneut ein Ausrufezeichen, wie bereits in den Gruppenspielen zuvor. Dass er im Gegensatz zum Vorjahr bereits in der Turnier-Vorbereitung zur Nati gestossen ist, hilft dem Center, der für den Schliff seiner Defensivarbeit die Spielweise des Wunder-Russen Pawel Dazjuk (45, ex Detroit) als Inspiration genommen hat.
Zum Auftakt gegen Norwegen (5:2) bleibt Hischier zwar noch ohne Punkte, doch gegen Österreich (6:5) liefert er einen Hattrick ab. Nach acht WM-Partien steht der Assistenzcaptain der Schweizer bei sechs Toren, fünf Assists und einer Plus-Minus-Bilanz von +7. Dass er in Spiel 3 von der Schlittschuh-Kufe des Tschechen Ondrej Kase an der Wange getroffen wird und blutüberströmt das Eis verlässt, gerät fast schon in Vergessenheit. Denn der Nummer-1-Draft von 2017 lässt sich den Schnitt einfach kurz nähen und kehrt wieder zurück.
«Jetzt ist er ein gestandener Captain»
Darauf angesprochen, dass die NHL-Stürmer reflexartig an ihren Skorerpunkten gemessen werden, sagt Hischier: «Man muss nicht immer 100 Tore schiessen oder 100 Punkte buchen. Im Eishockey gibt es abgesehen von Pässen und Toren so viele Dinge, mit denen man auf dem Eis dem Team helfen kann.» Nicht nur die Offensive sei wichtig, auch defensiv könne er Akzente setzen. Anerkennung für seine Abwehrarbeit bekommt er bereits 2023, als ihn die NHL-Fans für die «Selke Trophy», die Auszeichnung für den besten Defensiv-Stürmer, nominieren.
Bei Begegnungen oder in Gesprächen macht Hischier in dieser WM-Kampagne einen entspannteren und gefestigten Eindruck. Man merkt, dass er sich wohlfühlt. Er gibt auch an, sich nicht mehr so leicht stressen lassen zu wollen. Vielleicht auch eine Nebenwirkung der verkorksten oder lehrreichen – wie er sie nennt – NHL-Saison.
Sein Devils- und Nati-Teamkollege Jonas Siegenthaler sagt es so: «In den letzten Jahren konnte ich seine Entwicklung beobachten, wie er von einem jungen, unerfahrenen Captain zu einem Mann geworden ist und sich wohler in dieser Rolle fühlt. Jetzt ist er ein gestandener Captain.» Und in der Nati eine Leaderfigur, die sich für keine Aufgabe auf dem Eis zu schade ist.