Auf einem Auge war er blind
Vor 65 Jahren schrieb Willie O'Ree NHL-Geschichte

Am 18. Januar 1958 kam erstmals ein Schwarzer in der NHL zum Einsatz. Doch auch 65 Jahre nach Willie O'Ree ist Eishockey, im Gegensatz zu den anderen grossen Sportarten in Nordamerika, noch vorwiegend weiss.
Publiziert: 18.01.2023 um 15:59 Uhr
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Am 28. Januar 1958 spielte Willie O'Ree als erster Schwarzer in der NHL.
Foto: AP
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Stephan RothStv. Eishockey-Chef

Als Junge hatte Willie O'Ree (87) einen Traum: Dereinst in der NHL zu spielen, obwohl dies damals noch kein Schwarzer geschafft hatte. Seine Hoffnungen schienen aber mit 20 Jahren zu platzen, als ein Puck die Netzhaut seines rechten Auges zertrümmerte.

Um seine Karriere nicht zu gefährden, verheimlichte der Stürmer, dass er auf einem Auge blind ist. Er sagte sich: «Vergiss, was du nicht sehen kannst, und konzentriere dich darauf, was du sehen kannst.» Und am 18. Januar 1958 wurde sein Traum wahr: Er stand mit den Boston Bruins in Montréal auf dem Eis. Er war der erste Schwarze in der NHL. «Ich hatte gar nicht gewusst, dass ich die Rassen-Barriere durchbrochen hatte, ehe ich am nächsten Morgen die Zeitung lass.»

Mit Rassismus sei er in seiner Jugend in New Brunswick nicht konfrontiert worden, so O'Ree. Doch in der NHL, vor allem bei Spielen in den USA, änderte sich das. Fans pöbelten den schwarzen Kanadier an. Gegenspieler provozierten ihn mit rassistischen Sprüchen. Nach einer üblen Prügelei in Chicago war O'Ree nahe dran, alles hinzuschmeissen. Doch er hielt durch. «Wenn ich mich jedes Mal geprügelt hätte, wenn mich jemand beleidigte, wäre ich die ganze Zeit auf der Strafbank gesessen», sagte er. «Es war hart. Vor allem am Anfang. Aber später gewann ich den Respekt – nicht nur von den Fans, sondern auch von den gegnerischen Spielern.»

Späte Anerkennung für O'Ree

Nach 45 NHL-Spielen mit Boston wurde er 1961 nach Montréal transferiert, wo er aber nie spielen sollte. Bis im Alter von 43 Jahren spielte er noch in unteren Ligen.

Anerkennung für seine Rolle als Eisbrecher erhielt er erst viel später. 2018 wurde er in die Hall of Fame der NHL aufgenommen und seit einem Jahr vergeben die Bruins sein Trikot mit der Nummer 22 nicht mehr.

Inzwischen sind es 103 Schwarze, die mindestens eine Partie in der besten Liga der Welt gespielt haben. Doch die NHL ist, im Gegensatz zu den anderen grossen Sportarten in Nordamerika, immer noch vorwiegend weiss. Schwarze Spieler wie der jüngst zurückgetretene Stürmer Devante Smith-Pelly (30) vermissen Fortschritte. «O'Ree musste viel durchmachen. Doch die gleichen Dinge passieren immer noch», sagte der Stanley-Cup-Sieger von 2018 (mit Washington). «Es ist immer noch ein weiter Weg zu gehen.»

Positiver sieht es O'Ree, der seit 1998 als Botschafter für Diversität für die NHL arbeitet. «Es gibt mehr denn je schwarze Mädchen und Buben, die Hockey spielen. Wir sind auf dem Weg in die richtige Richtung.»

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