Die volle Wucht einer Schlagzeile knallt den Blick-Lesern am 16. Januar 1962 entgegen: «EISHOCKEY-DELNON ALS KOMMUNIST ENTLARVT. Verband wirft ihn als National-Trainer hinaus». Den Entscheid, Reto Delnon (†59) auszubooten, fällte das Zentralkomitee des Eishockey-Verbandes nur 19 Tage, nachdem er eingestellt worden war.
«Die Versicherung Delnons, dass er lediglich aus Familientradition Kommunist, im übrigen aber ein völlig unpolitischer Mensch sei, fruchtete nichts», schrieb der Blick und fragte: «Wie konnte ein grosser schweizerischer Sportverband einen erklärten Kommunisten – der aus seiner Gesinnung nie einen Hehl machte – in ein repräsentatives Amt berufen?» Und spottete: «Es scheint wirklich, dass da mit einem Geschick vorgegangen wurde, das etwa dem gegenwärtigen Können unserer Nationalmannschaft entspricht!» Zwei Monate später stieg die Nati an der WM in den USA mit nur einem Sieg aus sieben Spielen unter dem Berner Polizisten Ernst Wenger in die B-Gruppe ab.
«Darf ich keine eigene Meinung haben?»
Heute wäre das Parteibuch von Nati-Coach Patrick Fischer höchstens eine Randnotiz wert. Damals war die Mitgliedschaft von Delnon bei der Partei der Arbeit (PdA) Grund zu einem Polit-Thriller. Der kalte Krieg war nach dem Berliner Mauerbau und Monate vor der Kubakrise auf seinem Höhepunkt. In der Schweiz hatte der Anti-Kommunismus Hochkonjunktur. Ost-Handel und -Kontakte standen unter Beschuss. Wenige Tage vor dem Delnon-Eklat protestierten zum Beispiel Aargauer Kantonsschüler nach einem Auftritt von Sänger Vico Torriani in Moskau.
Delnon wird per Telefon über seinen Rauswurf informiert, als der 37-Jährige gerade dabei ist, Blick in seiner Eisbahn-Beiz «Chez Reto» in La Chaux-de-Fonds ein Interview zu geben. «Darf ich keine eigene Meinung haben? Ist das verboten?», fragt er. «Jeder Spieler und auch die Funktionäre können bestätigen, dass ich Sport und Politik nie vermischt habe.»
Delnon bestritt selbst 74 Länderspiele und war Teil des Europameister-Teams von 1950. Von der WM 1947 in Prag sollen er und seine Brüder Othmar und Hugo, die ebenfalls in der Nati spielten, ihrem Vater Giachem, den Blick als «fanatischen Anarchisten» beschrieb, drei 40 Zentimeter grosse Skulpturen des sowjetischen Diktators Josef Stalin mitgebracht haben, was am Zoll für Aufsehen gesorgt haben soll.
«Sein übles Spiel weiss D. geschickt zu tarnen»
Zum Verhängnis wurde Delnon ein anderer Ost-Besuch, jener mit La Chaux-de-Fonds, wo er von 1950 bis 1961 erst Spieler und dann Spieler-Trainer war. Ein Jahr vor seinem Rausschmiss hatte er nach einem Gastspiel in der DDR gegenüber der PdA-Zeitung «Voix ouvrière» gesagt, dass die Ostdeutschen glücklicher als die Schweizer seien.
Erst später wurde bekannt, dass der Staatsschutz Delnon seit August 1960 im Visier, eine Fiche angelegt und Telefongespräche abgehört hatte. Er versuche, «den HC La Chaux-de-Fonds mit Linksextremisten zu durchsetzen», stand in einem Bericht der Bundesanwaltschaft vom 4. Januar 1962, der dem Verband zugespielt wurde. «Sein übles Spiel weiss D. geschickt zu tarnen, doch wird er scharf im Auge behalten.»
Dreckseckel, Schmutzfink
Während der in der Romandie populäre Bündner jenseits des Röstigrabens Support erhielt, standen die Zeitungen in der Deutschschweiz weitestgehend hinter der Entlassung. Delnon erhielt Morddrohungen und wurde als «Sau-Kommunist», «Dreckseckel» oder «Schmutzfink» beschimpft.
Später war Delnon noch Trainer bei Fribourg. 1983 starb er im Alter von 59 an Nieren-Problemen.