Von den letzten zehn Meistertiteln haben sich der SCB und der ZSC deren acht gekrallt. Einzig Davos konnte 2011 und 2015 dazwischenfunken. Fünf gingen nach Bern, drei nach Zürich. Und heute stehen sich die beiden alten Rivalen im Hallenstadion im letzten Cupfinal (20.15, live SRF2) gegenüber, bevor nach sieben Jahren der Vorhang wieder fällt.
Nimmt man die Duelle der letzten Jahre zum Massstab, wird es ein Schlussfeuerwerk. Emotionen sind garantiert. Der Hit ZSC – SCB hat noch jedesmal gehalten, was er versprochen hat. Egal wie sich die sportliche Situation gerade präsentierte.
«Es hat sich zu einem dieser Klassiker entwickelt. Das macht die Affiche schon noch etwas spezieller. Und in einem Finalspiel blendet man auch alles andere aus», sagt ZSC-Captain Patrick Geering (31), der schon seit 13 Jahren bei den Lions spielt.
Unfassbare Dramatik im Final 2012
So war der Verteidiger auch dabei, als die Rivalität zwischen den beiden Klubs entflammte. Die Vorgeschichte: Am 21. Oktober 2011 entässt SCB-Boss Marc Lüthi den Meistertrainer von 2010, Larry Huras, nach einer Heimniederlage gegen die Zürcher (1:2 n.V.). Der Grund: mangelndes Spektakel. Lüthi sagt zudem, dass man gegen diesen ZSC nicht verlieren dürfe. Fast sechs Monate später gibt es ein Wiedersehen: In einem Playoff-Final, dessen Dramaturgie nichts zu wünschen übrig lässt. Der favorisierte SCB gibt die Serie nach einer 3:1-Führung noch aus der Hand.
«Die zweieinhalb Sekunden haben auf der Negativskala sicher am meisten ausgeschlagen», sagt Lions-Sportchef Sven Leuenberger, der damals in gleicher Funktion noch in Berner Diensten stand, auf die Frage nach den emotionalen Höhe- und Tiefpunkten in den Duellen zwischen dem SCB und dem ZSC. Steve McCarthy entscheidet damals die Finalissima mit einem Treffer 2,5 Sekunden vor Schluss für die Lions. Die Berner reklamieren danach, dass Goalie Marco Bührer vor dem Treffer von Andres Ambühl behindert worden sei.
«Ganz speziell war es auch im Spiel davor in der gleichen Finalserie, als die Zürcher für die letzten Sekunden noch einmal Ari Sulander gebracht haben», erinnert sich Leuenberger. «Ich glaube, so laut habe ich das Hallenstadion noch nie erlebt. Es war ein wenig eine Demütigung für uns in Bern. Ich weiss noch, wie ich innerlich gekocht habe. Mit Distanz muss man sagen: Es war das schönste, was Ari passieren konnte.»
Crawford, Seger und Zahner verärgert
Überhaupt sind Polemiken ein regelmässiger Gast, wenn Zürcher und Berner die Klingen auf dem Eis kreuzen. Im ersten Cup-Halbfinal 2015 toben die Lions. Der reklamierende Coach Marc Crawford wird nach einer umstrittenen Strafe in die Kabine geschickt. Der SCB nutzt das Powerplay zum Last-Minute-Siegtreffer durch Ryan Gardner, worauf der damalige ZSC-Captain Mathias Seger seinen Stock zertrümmert und eine Strafe kassiert. «Es war ein sehr guter Cup-Halbfinal mit Playoff-Charakter. Aber Schiedsrichter Wiegand hat einen ganz schlechten Tag erwischt. Er hat uns das ganze Spiel über gepiesackt», wettert Lions-CEO Peter Zahner. Im Final besiegt der SCB später Kloten.
Ein Jahr später gelingt den Zürchern, ebenfalls im Halbfinal, die Cup-Revanche. In Bern gewinnen sie nach 1:3-Rückstand 5:3. Polemiken bleiben für einmal aus. Und die Lions gewinnen den Final gegen Lausanne.
Doch im Playoff-Viertelfinal kommt es zum Wiedersehen mit den Bernern, die sich erst im Endspurt noch in die K.o.-Runde retteten. Diese erwischen den Quali-Sieger kalt und demütigen ihn gar, gewinnen die Serie mit Lars Leuenberger an der Bande 4:0 und sind danach auf dem Weg zum ersten von drei Meistertiteln in vier Jahren nicht mehr zu stoppen.
«Es kribbelt ziemlich stark»
Zwei Jahre später drehen die Zürcher nach einer verpatzten Quali mit Trainerwechsel im Halbfinal den Spiess um und eliminieren unter Hans Kossmann den Meister. Es ist eine heisse, packende, hochstehende und emotionale Serie (4:2). Im letzten Spiel muss der ZSC ohne Aggressivleader Kevin Klein auskommen. Er ist nach einem Check gegen den Kopf von Luca Hischier gesperrt. Allerdings erst nach einem Berner Rekurs mit Arztzeugnis, was Lions-Boss Zahner dermassen verärgert, dass er den Gratulationsanruf von Lüthi ignoriert. «Gratulation dem ZSC, auch wenn es nicht ganz von Herzen kommt», sagt dieser im Gegenzug. Die Zürcher holen sich darauf den Meistertitel. Seither haben sie keine Playoff-Serie mehr gespielt.
«Ich merke es bei mir selbst: Es kribbelt ziemlich stark im Hinblick auf den Sonntag», sagt Leuenberger. «Auch weil man sich nicht mehr so gewohnt ist, um etwas zu spielen.» Und Geering sagt: «Ich freue mich, dass es wieder einmal um die Wurst geht.»
«Wir haben nichts zu verlieren»
Heute sind die Berner wieder in der Position des Spielverderbers. Während die Zürcher auf Platz 2 liegen, kämpfen sie um einen Platz in den Top 10 und den Pre-Playoffs.
«Klar sind sie der Favorit», sagt SCB-Routinier Beat Gerber (38). «Wir haben nichts zu verlieren, werden Vollgas geben. Ich weiss nicht, weshalb es uns im Cup läuft. Wir waren immer bereit, zeigten im Achtelfinal gegen Davos ein sehr gutes Spiel. Wir haben viele Spieler, die wissen, was zu tun ist, wenn es um etwas geht.» Im Hallenstadion zeigten die Berner in der Meisterschaft ihr wohl bestes Saisonspiel, als sie am 2. Februar mit 4:2 gewannen.
Augenfällig ist, dass die beiden Giganten in den letzten Jahren immer wieder Probleme hatten, ihre PS aufs Eis zu bringen. Der SCB kommt derzeit nicht richtig vom Fleck und verpasste schon letzte Saison die Playoffs – als Meister, wie die Lions im Jahr davor. «Diese Mannschaften sind sich den Negativdruck nicht gewöhnt», erklärt Leuenberger, der dies schon bei beiden A1-Klubs erlebte.
«Vielleicht ist es der einzige Titel …»
SCB-Jung-Coach Mario Kogler sagt: «Für uns war der Cup ein Booster. Wir sagten uns: Wir können hier etwas gewinnen. Es steckt eine andere Denkweise dahinter.» Der 33-jährige Österreicher, der nach dieser Saison dem schwedischen HCD-Wohlwend-Assistenten Johan Lundskog weichen muss, weiter: «Für mich ist es auch wichtig. Ich kann Werbung für mich machen.» So gesehen ist seine Position ein wenig vergleichbar mit jener von Lars Leuenberger 2016 oder Kossmann 2018, die vor dem Titelgewinn schon wussten, dass sie nicht bleiben können.
Allein die Affiche ZSC Lions – SC Bern hat schon viel Brisanz. Doch dazu kommt noch mehr Würze. Es ist die Derniere im Cup. «Ob Meisterschaft, Champions League oder Cup: Es gibt nichts Schöneres, als um einen Titel zu spielen. Ich weiss nicht, weshalb man immer ein Theater um den Cup macht. Ich verstehe das nicht», sagt SCB-Puncher Tristan Scherwey. «Wir Spieler haben uns immer sehr darauf gefreut. Auch, wenn auch mal junge Spieler eine Chance bekommen haben. Uns ist egal, wer gegen den Cup ist oder sich nicht für ihn interessiert. Wir stehen auf dem Eis und werden 60 Minuten oder länger alles geben, um am Ende zuoberst stehen zu können.»
Einen anderen Punkt erwähnt Geering. «Wir sind in der Zeit von Corona. Man weiss nie, was kommt. Vielleicht ist es der einzige Titel, den man direkt auf dem Eis erringt. Ich hoffe es nicht und gehe auch nicht davon aus», sagt der Lions-Captain. «Doch wenn man etwas aus dieser Zeit gelernt hat, ist es, dass nichts sicher ist. Letztes Jahr war der Cupsieg von Ajoie der einzige Titel, der vergeben wurde. Dementsprechend wollen wir den Cupsieg ums Verrecken.»
1957 Young Sprinters – Zürcher SC 14:0
1958 Lausanne – Young Sprinters 5:11
1959 Servette – Young Sprinters 7:3
1960 Zürcher SC – Visp 5:2
1961 Zürcher SC – Visp 5:3
1962 Ambri – Villars 5:3
1963 Genève – Young Sprinters 3:7
1964 Visp – Zürcher SC 5:2
1965 SC Bern – Villars 5:2
1966 Grasshoppers – Zürcher SC 6:3
1972 Servette – Ambri 2:0/2:3
2015 Bern – Kloten Flyers 3:1
2016 Lausanne – ZSC Lions 1:4
2017 Kloten – Servette 5:2
2018 SCRJ Lakers – Davos 7:2
2019 SCRJ Lakers – Zug 1:5
2020 Ajoie – Davos 7:3
2021 ZSC Lions – Bern 2:5
1957 Young Sprinters – Zürcher SC 14:0
1958 Lausanne – Young Sprinters 5:11
1959 Servette – Young Sprinters 7:3
1960 Zürcher SC – Visp 5:2
1961 Zürcher SC – Visp 5:3
1962 Ambri – Villars 5:3
1963 Genève – Young Sprinters 3:7
1964 Visp – Zürcher SC 5:2
1965 SC Bern – Villars 5:2
1966 Grasshoppers – Zürcher SC 6:3
1972 Servette – Ambri 2:0/2:3
2015 Bern – Kloten Flyers 3:1
2016 Lausanne – ZSC Lions 1:4
2017 Kloten – Servette 5:2
2018 SCRJ Lakers – Davos 7:2
2019 SCRJ Lakers – Zug 1:5
2020 Ajoie – Davos 7:3
2021 ZSC Lions – Bern 2:5
Ein Kommentar von Dino Kessler
Nun ist es also so weit. Zum letzten Mal Cup. Der oft verschmähte und gern kritisierte Wettbewerb verschwindet nach dem Willen der National League und dem Rückzug des Hauptsponsors «Zurich» nach sieben Jahren wieder in der Mottenkiste. Der Sinneswandel der Mächtigen im Schweizer Eishockey ist bezeichnend. Vor der Reaktivierung des Formats war man sich der Kollateralschäden des Formats nämlich durchaus bewusst: Noch mehr Spiele, die man aus dem Tagesgeschäft der National League kennt und die in Bern, Zürich, Zug oder Lugano kaum Zuschauer anlocken.
Der Cup helfe eben den kleinen Klubs in den Regionen, und man tue alles, um das Gesamtprodukt zu fördern, sagte SCB-CEO Marc Lüthi vor vielen Monden. In den Regionen wurden dann Volksfeste gefeiert, als die grossen Klubs mit ihren Stars zu Besuch kamen. Diese Spiele spülten viele Tausend Franken in die Klubkassen der Niederklassigen, die sonst kaum einmal im Scheinwerferlicht stehen.
Das Gesamtprodukt ist aber gerade nicht mehr von zentralem Interesse für die Mächtigen, die mit blindem Eifer an ihren Reformplänen schrauben. Die Regionen fördern? Machen Sie Witze? Die Cup-Spiele werden in Zukunft durch mehr Meisterschaftsspiele kompensiert, das ist so gut wie in Stein gemeisselt. Das Argument, der Cup habe die Profis der National League an die Belastungsgrenze gebracht, ist deshalb nichts weiter als eine Propagandalüge. Es geht nur noch ums Geld.
Daran konnte auch das Volksfest vor Jahresfrist in Lausanne nichts mehr ändern, als 7000 Jurassier und mehr als 9000 Zuschauer in der neuen Vaudoise Arena das erlebten, was diesem Wettbewerb den Charme verleiht: Eine Überraschung, ein Exploit. Ajoie schlägt den HC Davos.
Heute spielen die ZSC Lions im Hallenstadion gegen den SC Bern zum letzten Mal um diesen Pokal von wunderbarem, einfachem Design. Ein Pokal, der sehr viel schöner, aber viel weniger wichtig ist als der schreckliche gelbe Scherbenhaufen, den die National League vergibt. Eine Überraschung wird es nicht geben. Zwei Klubs, die zu den Treibern hinter der Rückkehr und dem Ende des Cups gehören, spielen vor leeren Rängen. Irgendwie ist das ein Schlussbouquet, das man sich verdient hat.
Ein Kommentar von Dino Kessler
Nun ist es also so weit. Zum letzten Mal Cup. Der oft verschmähte und gern kritisierte Wettbewerb verschwindet nach dem Willen der National League und dem Rückzug des Hauptsponsors «Zurich» nach sieben Jahren wieder in der Mottenkiste. Der Sinneswandel der Mächtigen im Schweizer Eishockey ist bezeichnend. Vor der Reaktivierung des Formats war man sich der Kollateralschäden des Formats nämlich durchaus bewusst: Noch mehr Spiele, die man aus dem Tagesgeschäft der National League kennt und die in Bern, Zürich, Zug oder Lugano kaum Zuschauer anlocken.
Der Cup helfe eben den kleinen Klubs in den Regionen, und man tue alles, um das Gesamtprodukt zu fördern, sagte SCB-CEO Marc Lüthi vor vielen Monden. In den Regionen wurden dann Volksfeste gefeiert, als die grossen Klubs mit ihren Stars zu Besuch kamen. Diese Spiele spülten viele Tausend Franken in die Klubkassen der Niederklassigen, die sonst kaum einmal im Scheinwerferlicht stehen.
Das Gesamtprodukt ist aber gerade nicht mehr von zentralem Interesse für die Mächtigen, die mit blindem Eifer an ihren Reformplänen schrauben. Die Regionen fördern? Machen Sie Witze? Die Cup-Spiele werden in Zukunft durch mehr Meisterschaftsspiele kompensiert, das ist so gut wie in Stein gemeisselt. Das Argument, der Cup habe die Profis der National League an die Belastungsgrenze gebracht, ist deshalb nichts weiter als eine Propagandalüge. Es geht nur noch ums Geld.
Daran konnte auch das Volksfest vor Jahresfrist in Lausanne nichts mehr ändern, als 7000 Jurassier und mehr als 9000 Zuschauer in der neuen Vaudoise Arena das erlebten, was diesem Wettbewerb den Charme verleiht: Eine Überraschung, ein Exploit. Ajoie schlägt den HC Davos.
Heute spielen die ZSC Lions im Hallenstadion gegen den SC Bern zum letzten Mal um diesen Pokal von wunderbarem, einfachem Design. Ein Pokal, der sehr viel schöner, aber viel weniger wichtig ist als der schreckliche gelbe Scherbenhaufen, den die National League vergibt. Eine Überraschung wird es nicht geben. Zwei Klubs, die zu den Treibern hinter der Rückkehr und dem Ende des Cups gehören, spielen vor leeren Rängen. Irgendwie ist das ein Schlussbouquet, das man sich verdient hat.