Sonntagmorgen in Südkalifornien. Über Newport Beach schraubt sich der Sikorsky S-76B von Basketball-Superstar Kobe Bryant (†41) in die Höhe. Die neun Passagiere im Helikopter, Baujahr 1991, Zulassungsnummer N72EX, wollen vom John-Wayne-Flughafen zu Kobes Basketball-Schule in Thousand Oaks, einem Stadtteil im Nordwesten von Los Angeles.
Mittlerweile ist bekannt: Dort kommt die Maschine nie an. Auf der Höhe von Calabasas stürzt der Hubschrauber im Nebel in die Hügel, alle neun Insassen sterben, darunter auch Bryant und seine Tochter Gianna (13).
Der tragische Unfall erschüttert die Welt. Auch wer nichts mit Basketball am Hut hat, versteht die Tragweite des Dramas sofort.
Wo andere den Zug nahmen, flog Bryant
Eine Frage, die in der Folge auftaucht: Warum nahm Kobe den Helikopter?
Die Antwort ist simpel: Weil er das immer schon so gemacht hat. Wenn er in Los Angeles unterwegs war, und das war der Mann, der von 1996 bis 2016 für die Los Angeles Lakers auf Punktejagd ging, häufig, reiste er mit dem Heli.
Wo andere mit dem Auto oder mit dem Zug pendeln, flog Bryant. Von seinem Haus in Orange County ins Training im Staples Center in Downtown Los Angeles zum Beispiel.
«Von hier oben konnte er seine Stadt umfassen wie einen Basketball», umschrieb ein Reporter des «GQ»-Magazins, der vor ein paar Jahren mit Kobe mitfliegen durfte, die Szenerie im Helikopter über Los Angeles.
Leisten konnte er es sich problemlos: 323 Millionen US-Dollar verdiente Bryant während seiner Karriere, zweimal überstieg sein Jahreslohn die 30-Mio.-Marke. Werbeeinnahmen sind da noch nicht einmal eingerechnet.
Das Fliegen war effizient. Und gesund
Grössenwahn eines Sportmillionärs? Überheblichkeit von einem, der zu viel Geld hatte? Vielleicht. Wahrscheinlich aber einfach schlau. Kobe, der dafür bekannt war, auf dem Platz und im Training nichts dem Zufall zu überlassen, sparte gerne Zeit: Der Verkehr in Los Angeles ist legendär für seine Staus. Oder besser: für seinen Stau. Von der Stosszeit am frühen Morgen bis zum Einbruch der Nacht sind die Freeways, Highways und Strassen der Stadt der Engel komplett verstopft. Ein einziger Stau.
Für die rund 125 Kilometer von seinem Haus zu seiner Basketball-Schule in Thousand Oaks müssen an einem Tag mit normalem Verkehrsaufkommen mit dem Auto locker zweieinhalb bis drei Stunden Reisezeit eingerechnet werden.
Das Fliegen war also effizient. Und auch gesund. Vor allem in der späten Phase seiner Karriere war es für Kobes Körper eine Wohltat, nicht fahren zu müssen. «So sexy wie er auch scheinen mag, der Helikopter ist ein Werkzeug für ihn, seinen Körper in Schuss zu halten» heisst es in «GQ». «Wie ein Krafttraining oder ein Whirlpool oder seine massgeschneiderten Schuhe. Seine empfindlichen Knie, sein schwieriger Rücken, seine schmerzenden Füsse. Er kann nicht mehr zwei Stunden am Stück im Auto sitzen. Dank dem Helikopter kommt er frisch und gelenkig im Staples Center an.»
Unfall-Ursache wird jetzt untersucht
Auch andere durften davon profitieren. «Kobe konnte nach dem Training am Montag nicht mit der Presse sprechen», meldete «Sports Illustrated» 2012. «Lakers-Guard Steve Blake zog sich eine Bauchmuskelzerrung zu und bekam nur bei einem Arzt in Orange County einen Termin. Darum hat ihn Bryant mit seinem Helikopter hingeflogen, um den üblen Verkehr auf der Interstate 405 zu vermeiden.»
Bisher ging das immer gut. Der Sikorsky S-76B von Lockheed Martin gilt auch als sehr sicher. Bisher gibt es laut den Behörden keine Anzeichen auf einen technischen Defekt. Die Untersuchung hat begonnen.
Nicht mal die Polizei-Helis flogen
Wie die «New York Times» berichtet, hat Bryants Heli eine extra Flug-Bewilligung erhalten, um auch bei den nebligen Verhältnissen fliegen zu dürfen. Wie schlecht die Bedingungen wirklich waren, zeigt die Aussage von Polizei-Sergeant Yvette Tuning. Sie war am Sonntagmorgen verantwortlich für die Flugsicherheit der Polizei-Hubschrauber. Diese flögen bei diesen Bedingungen nicht, erklärte sie.