Auf einen Blick
- Kündigungen in Zürcher Sugus-Häusern sorgen für Proteste und Unverständnis
- Familienstreit um Erbe führt zu grotesker Situation
- Umstrittener Verwalter hat Kündigungen ausgesprochen
Es ist eine Familienwohnung mit Tumbler, Parkettboden, gemütlicher Stube und schöner Aussicht über die Stadt Zürich. An bester Lage, in einem Wohnquartier. Kaum jemand würde auf die Idee kommen, die Räume seien baufällig und sanierungsbedürftig. Doch wie 104 andere Parteien in drei gleichen Wohnblöcken an der Zürcher Neugasse hat die Mieterfamilie am 2. Dezember die Kündigung erhalten. Sie und 200 weitere Bewohnerinnen und Bewohner sollen Ende März ausziehen. Eine Hiobsbotschaft kurz vor Weihnachten. Der Zustand der Liegenschaften erfordere eine «umfassende Kernsanierung», begründet die Verwaltergesellschaft die Kündigungen.
Eine Einschätzung, die bei einem Augenschein verwundert. Erst recht, weil nur in drei von neun identischen Wohnblöcken an der Zürcher Neugasse «tiefgreifende Instandsetzungsarbeiten unumgänglich» sein sollen. In den weiteren sechs Liegenschaften – mit anderen Verwaltungen – können die Mieterinnen und Mieter bleiben.
Weitherum bekannte Siedlung
Die grünen, gelben und orangen Wohnblöcke sind schweizweit bekannt. Aus dem Zug sieht man die nahe der Gleise gelegenen, wegen ihrer Farbe als Sugus-Häuser bezeichneten Gebäude gut. Dass nun 200 Bewohnerinnen und Bewohner ihr Zuhause verlassen sollen, löst Bestürzung aus – und Unverständnis.
Sie hätten eine moderne Bodenheizung, und die Fassade sei vor wenigen Jahren neu gestrichen worden, sagt eine Mieterin. Sie führt durch eine Wohnung mit einwandfreier Küche und zwei zweckmässigen Badezimmern. «Wir würden ewig hierbleiben», sagt die Frau. Die Kinder besuchten im Quartier die Schule, der Zusammenhalt in der Siedlung und das Zusammenleben seien erfüllend. «Wo sollten die Betroffenen eine neue Wohnung finden? Und das zu einem ähnlich moderaten Mietzins in vergleichbarer Lage?»
Die Kündigungen haben eine riesige Protestwelle ausgelöst, bis Samstagabend hatten bereits 15'000 Personen eine Petition dagegen unterschrieben. An einer Solidaritätsparty am Sonntagnachmittag erwartet das Quartier einen Grossaufmarsch.
Seit 1999 sind die Sugus-Häuser bewohnt, erbaut wurden sie vom Unternehmer Leopold Bachmann. Er hatte das Ziel, wenig Verdienenden und Familien erschwinglichen Wohnraum zur Verfügung zu stellen; mit guter Durchmischung, Bachmann wollte in seinen Häusern 20 Prozent ausländische Mieterinnen und Mieter. An vielen Orten baute er in kurzer Zeit grosse Liegenschaften.
Der grosse Familienstreit
Nach Leopold Bachmanns Tod 2021 gingen von den neun Zürcher Sugus-Häusern je drei an die beiden Söhne und an eine der Töchter – Regina Bachmann (59) – über. Die zweite Tochter erbte andere Liegenschaften. Rund 5000 Wohnungen sollen der Bachmann-Familie gehören.
Die Geschwister stritten schon zu Lebzeiten ihres Vaters um das Erbe. Wie die «NZZ» publik machte, hatte sich Regina Bachmann wegen mehrfacher Erschleichung einer falschen Beurkundung und Urkundenfälschung im Kanton Zug vor Gericht verantworten müssen.
Aus dem Urteil des Zuger Obergerichts vom Dezember 2023 geht hervor, dass Leopold Bachmann im Dezember 2017 drei Dokumente unterschrieben hatte, wonach ein Grossteil seines Vermögens an eine Stiftung seiner Tochter überging. Nur – und das hielt ein medizinisches Gutachten später fest – war Leopold Bachmann zum Zeitpunkt seiner Einwilligung wahrscheinlich nicht mehr urteilsfähig.
Die Tochter Regina Bachmann bestätigte laut den Gerichtsakten, damals gewusst zu haben, dass ihr Vater «unter neuropsychologischen Defiziten litt». Erstinstanzlich wurde sie zu einer bedingten Gefängnisstrafe von zehn Monaten verurteilt. Das Zuger Obergericht sprach sie jedoch wieder frei. Es stufte Bachmanns Fehlverhalten als strafrechtlich nicht relevant ein, rügte aber, dass sie «bösgläubig» gehandelt und ihre Stiftung «ungerechtfertigt bereichert» habe; denn sie habe gewusst, dass ihr Vater urteilsunfähig gewesen sei.
Umstrittener Verwalter
Regina Bachmanns Geschwister gaben in den letzten Tagen zu verstehen, dass das Vorgehen ihrer Schwester Regina bestimmt nicht im Sinn ihres verstorbenen Vaters sei. Regina Bachmann äusserte sich bisher nicht zu den Kündigungen.
Deren Absender war die Immobilienverwaltung Allgood Property AG von Goran Zeindler (55). Dieser ist kein Unbekannter und hat schon mit mehreren Firmen Konkurs erlitten. Teils auf mysteriöse Weise seien Unternehmen aufgelöst worden, heisst es auf Bewertungsplattformen. Der «Beobachter» hatte schon 2006 über umstrittene Geschäftspraktiken Zeindlers berichtet. Und das Onlineportal Watson schrieb vor wenigen Tagen, Zeindler habe wiederholt Handwerker nicht bezahlt und auch bei Bauherren hohe Schulden hinterlassen. Der Unternehmer äussert sich nicht dazu.
Er präsentiert sich in Golfmagazinen als Bonvivant und umgibt sich an Wohltätigkeitsturnieren mit Prominenz. Zudem habe er einst Eishockey beim ZSC gespielt, ist mancherorts zu lesen. Dort kennt man allerdings den Namen Goran Zeindler nicht. In einer Eishockey-Datenbank werden unter dem Profil Goran Zeindler in den späten 1980er- und frühen 1990er-Jahren die Stationen EHC Dürnten und EHC Frauenfeld aufgeführt.
Ein nie realisiertes Projekt
Für Aufsehen sorgte Zeindler 2017, als er in Grenchen SO grossspurig den Bau eines riesigen, 40 Millionen Franken teuren Hotelkomplexes ankündigte. Ein Londoner Investor finanziere das Projekt, gab Zeindler an. Das Hotel wurde nicht gebaut, die dafür gegründete Firma befindet sich in Liquidation.
Wie es dazu kam, dass Regina Bachmann Zeindler mit der Verwaltung ihrer Sugus-Häuser betraute, ist unklar und gibt Rätsel auf. Umso mehr, als Bachmann vor einigen Monaten selbst eine Immobilienfirma in Zug gegründet hatte. Zeindler lässt die Frage, wie seine Geschäftsbeziehung zur Erbin der Liegenschaften entstand, unbeantwortet. Bachmann ist nicht zu erreichen.
Die Verwalterin Allgood Property AG hält in einer Mitteilung fest, die Kündigungen seien unumgänglich, es bestehe «dringender Handlungsbedarf». Im September hatten die Mietparteien als erstes Zeichen von der neu eingesetzten Verwaltung die Ankündigung einer Mietzinserhöhung erhalten. Nun im zweiten Brief die Kündigung.