Swiss-Life-CEO Patrick Frost
«Wir haben auch kein Interesse an steigenden Preisen»

Swiss-Life-CEO Patrick Frost analysiert die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf seine Firma, spricht über seine Krebs-Diagnose und blickt in die Zukunft.
Publiziert: 18.04.2022 um 10:26 Uhr
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Patrick Frost steht seit 2014 an der Spitze von Swiss Life.
Foto: Thomas Meier
Interview: Christian Dorer

Die Swiss Life ist die grösste Immobilienbesitzerin der Schweiz. Ihr Chef, Patrick Frost, ist einer der aussergewöhnlichsten CEOs der Schweiz: Er hat drei Studienabschlüsse und einen Doktortitel. Bei seinem Besuch im Newsroom der Blick-Gruppe nimmt Frost sich Zeit für ein ausführliches Interview mit Chefredaktor Christian Dorer.

Herr Frost, wie stark ist Swiss Life vom Krieg betroffen?
Patrick Frost: Finanziell kaum. Jedoch haben wir vor allem in Deutschland viele Mitarbeitende mit Wurzeln in der Ukraine oder in Russland, die sich jetzt um ihre Angehörigen Sorgen machen müssen.

Und Sie persönlich?
Mich macht dieser Krieg traurig und wütend. Ich muss mich beherrschen, damit ich die Wut auf die Angreifer in den Griff bekomme. Wie kann es sein, dass ein Volk ein anderes angreift und Tausende von Menschen grauenvoll umbringt?

Schliessen Schweizerinnen und Schweizer in unsicheren Zeiten mehr Lebensversicherungen ab?
Da sehen wir keinen Zusammenhang. Während der Pandemie jedoch stellten wir eine starke Nachfrage nach Versicherungsberatungen fest. Die Leute hatten Zeit, sich intensiv damit auseinanderzusetzen.

Was erwarten Sie für die Weltwirtschaft?
Wir beobachten eine höhere Inflation, höhere Zinsen und eine höhere Unsicherheit. Wenn der Krieg zeitlich begrenzt ist und nicht noch ein Nato-Land angegriffen wird, rechnen wir nicht mit einer Rezession.

Swiss Life ist die grösste Immobilienbesitzerin der Schweiz, Ihnen gehört fast ein Prozent aller Gebäude. Warum investieren Sie trotz astronomischen Preisen weiter?
Im institutionellen Bereich, also bei ganzen Überbauungen, sind die Preise weniger stark gestiegen als für Stockwerkeigentum und Einfamilienhäuser. Unsere Investitionen sind im Vergleich zum Zinsniveau immer noch sehr attraktiv. Wir haben Verpflichtungen, die bis ins nächste Jahrhundert reichen. Deshalb müssen wir langfristig investieren.

Welche Immobilien sind attraktiv für Sie?
Die Lage ist sehr wichtig, insbesondere im Bürobereich. Wir sind in den grossen Zentren und in den Agglomerationen, aber nicht in den Tourismusregionen.

Im Mittelland gibt es Geistersiedlungen, weil sich keine Mieter finden lassen. Wie kommt es zu solchen Fehlinvestitionen?
Erstaunlicherweise sind die Bilder vom Leerstand während der Corona-Zeit verschwunden. Die Nachfrage ist gross. Warum? Weil wir ein sehr reiches Land sind, aber eher beengt wohnen. In der Pandemie haben viele Menschen entdeckt, wie wichtig ihnen das Wohnen ist. Sie leisten sich mehr als vorher.

Ein Ärgernis sind Leerkündigungen: Alle Mieter müssen raus, das Haus wird saniert, und die Miete ist nachher höher.
Bei unseren 37’000 Wohnungen sind Leerkündigungen unvermeidlich, weil jedes Haus irgendwann komplett saniert werden muss. Drei Viertel aller Sanierungen finden jedoch im bewohnten Zustand statt, nur bei einem Viertel müssen die Menschen ihre Wohnungen verlassen. Das kündigen wir jeweils sehr früh an und machen den Betroffenen in der Nähe ein anderes Wohnangebot.

Das dann meistens teurer ist.
Das lässt sich nicht immer vermeiden, auch wenn unsere Wohnungen vergleichsweise günstig sind. In den Städten kosten unsere 3½-Zimmer-Wohnungen im Schnitt rund 1350 Franken. Die Ausnahme ist Zürich. Dort kosten sie rund 1700 Franken.

Sie investieren in Immobilien, um mit den Erlösen Renten zu finanzieren. Damit wird Wohneigentum für die Menschen, deren Renten Sie sichern, unerreichbar. Ist das nicht paradox?
Wir haben auch kein Interesse an steigenden Preisen. Weil es nicht genug langfristige Anleihen gibt, investieren wir in Immobilien. Es wäre aber falsch zu glauben, dass deshalb die Preise für die Privatkäufer steigen. Eher im Gegenteil: Wenn wir mit unseren Bauten das Angebot erweitern, nimmt das Druck aus den Preisen heraus.

Wann platzt die Blase?
Nationalbank und Finanzmarktaufsicht warnen seit zehn Jahren davor, dass die Blase platzt. Bisher ist dies nicht eingetroffen. Aber klar: Eines Tages wird es zu einer Korrektur kommen.

Würden Sie privat jetzt noch ein Haus kaufen?
Ich selber war immer ein begeisterter Mieter und bin es bis heute (lacht).

Warum?
Wir sind sehr zufrieden dort, wo wir wohnen. Und ich bin froh, dass ich mich nicht auch noch um ein Haus kümmern muss.

Welche Preisentwicklung erwarten Sie?
In den vergangenen 20 Jahren haben sich die Preise mehr als verdoppelt. Wir gehen davon aus, dass die Preise nur noch leicht steigen werden, da die Nachfrage durch die steigenden Hypothekarzinsen gebremst wird.

Persönlich: Patrick Frost

Patrick Frost (53) steht seit 2014 an der Spitze von Swiss Life. Zuvor war er Anlagechef. Das 1857 gegründete Unternehmen (damals Schweizerische Rentenanstalt) ist der grösste Lebensversicherer und Immobilienbesitzer der Schweiz. Frost verfügt über Abschlüsse in Naturwissenschaften (dipl. Natw. ETH), Wirtschaftswissenschaften (Dr. rer. pol.) und Rechtswissenschaften (lic. iur.). Der gebürtige Basler ist verheiratet und hat drei Töchter.

Patrick Frost (53) steht seit 2014 an der Spitze von Swiss Life. Zuvor war er Anlagechef. Das 1857 gegründete Unternehmen (damals Schweizerische Rentenanstalt) ist der grösste Lebensversicherer und Immobilienbesitzer der Schweiz. Frost verfügt über Abschlüsse in Naturwissenschaften (dipl. Natw. ETH), Wirtschaftswissenschaften (Dr. rer. pol.) und Rechtswissenschaften (lic. iur.). Der gebürtige Basler ist verheiratet und hat drei Töchter.

Wann steigen die Mieten wegen der höheren Hypothekarzinsen?
Das kommt mit einer gewissen Verzögerung. Ich vermute, dass dies in etwa einem Jahr der Fall sein kann.

Auch nach Covid arbeiten viele im Homeoffice. Wie verändert sich die Bürowelt?
Unsere Aktionäre befürchteten, dass wir auf den Leerständen sitzen bleiben. Erstaunlicherweise ist das Gegenteil passiert: Sie sind tiefer als vor der Pandemie. Natürlich gibt es einzelne Firmen, die jetzt weniger Büros nachfragen. Die erfolgreichen Firmen aber wollen weiterhin all ihren Mitarbeitenden Büroflächen zur Verfügung stellen.

Sie sind ebenfalls stark in der Altersvorsorge engagiert. Kann sich ein junger Mensch darauf verlassen, dass auch er oder sie eines Tages davon leben kann?
Davon bin ich überzeugt. Doch es braucht Anpassungen. Heute subventionieren die Aktiven die Rentner mit mehreren Milliarden Franken pro Jahr. Das geht auf Dauer nicht, das führt zu Unzufriedenheit.

Gleichzeitig scheiterten alle Reformprojekte der vergangenen Jahre.
Ich glaube an die Reformfähigkeit der Schweiz. Die Menschen werden verstehen, dass wir immer länger leben und es deshalb Anpassungen braucht. Hoffentlich stimmen wir bald über den Umwandlungssatz der zweiten Säule ab. Er muss sehr schnell auf sechs Prozent gesenkt werden. Zudem braucht es Massnahmen zur Erhaltung des Rentenniveaus – insbesondere für Menschen mit niedrigen Einkommen.

Wenn wir immer älter werden, gibt es drei Möglichkeiten: länger arbeiten, mehr einzahlen oder tiefere Renten. Was kommt?
Tiefere Renten auf keinen Fall. Es wird eine Kombination sein von mehr einzahlen und später, nach einer weiteren Reform, auch länger arbeiten.

Wann – und wie viel länger?
Darüber stimmen wir vielleicht in fünf Jahren ab. Dann könnte das Rentenalter schrittweise erhöht werden, im Gleichschritt mit der Steigerung der Lebenserwartung. Vielleicht jedes Jahr ein, zwei Monate länger – bis zu einem Maximum von 67 oder 68 Jahren. Andere Länder kennen diesen Mechanismus schon.

Sie sind 2017 an Lymphdrüsenkrebs erkrankt und mussten für die Behandlung mehrere Monate aussetzen. Wie geht es Ihnen heute?
Mir geht es super! Ich achte mehr auf meinen Körper und mache viel Sport. Die Unterstützung, die ich erfahren durfte, gab mir enorm Kraft.

Was führte zum Entscheid, dass Sie sehr offen über die Krankheit informierten?
Es war eine hohe Hürde zu sagen, dass ich schwer erkrankt bin. Den Ausschlag gab die Diskussion mit meiner Frau: Ihr war es ein grosses Anliegen, mit anderen darüber reden zu können und kein Geheimnis daraus zu machen. Auch bei Swiss Life haben das alle unterstützt.

Männer haben oft ein Problem damit, offen über eine Krankheit zu sprechen.
Wahrscheinlich schon. Gerade Schweizer sind vielleicht etwas verschlossen. Meine Vorbilder waren Manager aus den USA, die sehr offen mit ihrer Krankheit umgegangen sind.

Wie hat dieses einschneidende Ereignis Ihr Leben verändert?
Ich musste die Verantwortung komplett abgeben. Und ich habe mich mit der Endlichkeit auseinandergesetzt. Das schmerzte. Gleichzeitig habe ich heute nicht den Eindruck, dass ich ein anderer bin als zuvor.

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