Betroffene aus den Zürcher Sugus-Häusern entsetzt
«Es geht nur ums Geld» – Verwaltung kündigt über 200 Mietern

Zum ersten Advent erhielten über 100 Mietparteien einer Liegenschaft in der Stadt Zürich die Kündigung. Grund ist eine Sanierung. Die sei, wie viele von ihnen finden, nicht nötig. Die Kündigung ist für sie ein Schlag ins Gesicht.
Publiziert: 04.12.2024 um 14:24 Uhr
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Aktualisiert: 04.12.2024 um 19:37 Uhr
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Die Liegenschaft an der Neugasse im Zürcher Kreis 5 bietet bezahlbaren Wohnraum für Familien und einkommensschwache Personen.
Foto: zVg

Auf einen Blick

  • Mieter müssen Wohnungen verlassen
  • Grund ist eine Kernsanierung
  • Betroffene vermuten andere Gründe
  • Über 200 Mieter in Zürich müssen ihre Wohnungen in drei Monaten räumen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Angela RosserJournalistin News

Die prekäre Wohnsituation in der Stadt Zürich wird für weit über 200 Mieterinnen und Mieter zum Jahresende zum absoluten Albtraum. Sie müssen ihre Wohnungen an der Neugasse im Zürcher Kreis 5 in drei Monaten verlassen. Als Grund gibt die neue Verwaltung eine Kernsanierung an. Wer schon einmal mit dem Zug in den Zürcher Hauptbahnhof einfuhr, kennt die markanten farbigen Blöcke mit den Balkonen links der Geleise. Der Volksmund nennt sie «Sugus-Häuser».

Die Küchen und Bäder müssten erneuert werden. Für die über 100 Mietparteien unverständlich. «Klar, man könnte schon etwas machen, aber wirklich notwendig ist es nicht», erzählt die 35-jährige Mieterin Sarah K.*, die anonym bleiben möchte, gegenüber Blick.

Neue Eigentümerin und neue Verwaltung

Die Betroffenen vermuten einen ganz anderen Grund hinter der, wie sie sagen, «vorgeschobenen» Kernsanierung. Nach einer Erbschaft habe eine neue Eigentümerin drei Häuser der Überbauung im Zürcher Kreis 5 übernommen und eine neue Verwaltung beauftragt.

«Wir haben einen Brief erhalten, in dem sie uns eine Mietzinserhöhung ankündigte», so die 35-jährige Betroffene. Der Brief sei nicht mal eingeschrieben zugestellt worden. Die Mieter hätten sich sogleich gegen die Erhöhung gewehrt.

Baumeister wollte erschwinglichen Wohnraum schaffen

Die «Sugus»-Häuser galten einst als Vorzeigeprojekt für erschwinglichen Wohnraum. Gebaut wurden sie von dem im Dezember 2021 verstorbenen Leopold Bachmann (†88). Er wurde für seine schnellen und effizienten Baumethoden bekannt, die besonders einkommensschwachen Personen und Familien ein Zuhause sichern sollten.

Anfang der 2000er-Jahre galt Bachmann als einer der grössten privaten Wohnungsanbieter in Zürich und besass rund 5000 Wohnungen. Für die neue Besitzerin spiele der soziale Gedanke offenbar keine Rolle mehr. «Es geht nur ums Geld und auf das Lebenswerk des Erbauers wird geschissen», sagt die frustrierte Mieterin. Sie ist ratlos und hat Angst vor der Zukunft.

Zustand der Wohnung für Mieterschaft «unzumutbar»

Die drei Häuser wurden gemäss einem Schreiben, das Blick vorliegt, am 26. November von der neuen Eigentümerschaft übernommen. Nachdem sich die Mietenden gegen die bereits zuvor angekündigten Mietzinserhöhung gewehrt hatte, flatterte am 28. November die Kündigung ins Haus. Bei den sechs weiteren Häusern der Überbauung sei bisher nichts passiert.

Im Communiqué der Verwaltung zu den Kündigungen steht, dass die «Einschätzung der Bausubstanz» ergab, «dass der Zustand der Liegenschaften eine umfassende Kernsanierung erfordert».

«Der Mieterschaft ist die unbefriedigende Wohnsituation nicht mehr zumutbar. Die Mehrfamilienhäuser müssen zwingend kernsaniert werden, um sie einer nachhaltigen und ökologischen Zukunft zuführen zu können», heisst es in dem Schreiben weiter. Darauf antwortet Sarah K. gegenüber Blick: «Aber uns auf die Strasse zu stellen, ist zumutbar?»

Sanierung nach nicht akzeptierter Mietzinserhöhung

«Die Häuser sind gut», erklärt sie. Erst kürzlich seien alle Dächer saniert worden, ausserdem stünden aktuell mehrere Wohnungen frei. «Man könnte doch diese zuerst sanieren und dann die Menschen nach und nach übergangsweise dort einziehen lassen, während deren Wohnungen saniert werden», meint K.

Für sie stellt sich auch die Frage, ob man auf die Sanierung verzichtet hätte, wenn die Parteien die Mietzinserhöhung akzeptiert hätten. «So dringend kann die Sanierung in dem Fall also nicht sein», mutmasst sie.

Diese und weitere Fragen von Blick liess die Verwaltung unbeantwortet. Mit den Vorwürfen der Mietenden konfrontiert, verweist die Verwaltung auf die offizielle Stellungnahme vom 26. November.

*Name von der Redaktion geändert

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