Seit zwei Jahren kümmert sich Jelena Spasojevic (28) um Frühchen und schwer kranke Neugeborene im Zürcher Spital Triemli. Die Serbin liebt ihren Beruf als Pflegefachfrau in der Neonatologie. Auch im Team ist sie eine geschätzte Mitarbeiterin. Nicht zuletzt, weil seit geraumer Zeit Notstand beim Pflegepersonal herrscht.
Nun platzt der Traum der jungen Frau. Sie muss die Schweiz verlassen und zurück nach Serbien gehen. So wollen das die Behörden. Der Grund: Spasojevic hat sich von ihrem Ehemann getrennt.
Ehe dauerte zu kurz
Für das Migrationsamt ist der Fall klar: Die B-Bewilligung erlaubt es der Frau nur dann zu bleiben, wenn sie verheiratet ist. Bestehe die Ehe nicht mehr, seien die Ehegatten wegzuweisen, «im Interesse einer wirksamen Begrenzung des Bestandes der ausländischen Wohnbevölkerung und zur Begrenzung der Arbeitslosigkeit».
Da Serbien nicht zum Schengenraum gehört, hätte sie nur dann einen Anspruch auf Verlängerung gehabt, wenn die Ehe wenigstens drei Jahre bestanden hätte oder «wichtige persönliche Gründe» – etwa eheliche Gewalt – gegen eine Ausweisung gesprochen hätten, zitiert der «Tages-Anzeiger» den Entscheid des Migrationsamtes. «Jelena Spasojevic wird aus der Schweiz weggewiesen. Sie hat das schweizerische Staatsgebiet bis am 3. November 2021 zu verlassen», schreiben die Behörden.
«Der Markt ist ausgetrocknet»
Die 28-Jährige ist fassungslos. «Was habe ich getan? Ich war nie kriminell, ich habe Arbeit, eine Wohnung, falle der Schweiz nicht zur Last.» Ausserdem gehe sie einem Beruf nach, in dem ein permanenter Personalmangel herrsche.
Das bestätigt auch ihr Arbeitgeber. «Jelena Spasojevic ist eine sehr kompetente und geschätzte Mitarbeiterin, welche wir sehr gerne auf der Neonatologie der Kinderklinik weiterbeschäftigen würden. Es ist aktuell äusserst schwierig, qualifiziertes Pflegepersonal zu rekrutieren, der Markt ist ausgetrocknet», sagt der Leiter des Departements Pflege im Triemli, Patrick Witschi, gegenüber dem «Tages-Anzeiger».
Rekurs eingelegt
In manchen Fällen kann das Migrationsamt «gesamtwirtschaftliches Interesse» gelten lassen und somit auf eine Wegweisung verzichten. Nicht so im Fall von Jelena Spasojevic. Ein solches Interesse sei nicht erkennbar und eine ausserordentliche Integration könne auch nicht festgestellt werden, schreibt das Amt. Weil die 28-Jährige erst seit kurzem in der Schweiz wohne und ihrem Beruf auch in ihrer Heimat nachgehen könne, sei eine Wegweisung «ohne weiteres zumutbar».
Dagegen will nun Marc Spescha vorgehen. Der Rechtsanwalt und Titularprofessor an der Universität Freiburg hat im Namen der Serbin Rekurs eingelegt. Der Experte im Migrationsrecht spricht von einem Missbrauch. «Die Ermessensausübung bezweckt einzelfallgerechte Entscheidungen und verlangt, dass die konkreten Umstände und die tatsächliche Integration der Betroffenen berücksichtigt werden.»
Das vom Migrationsamt aufgeführte Interesse «zur Begrenzung der Arbeitslosigkeit» will Spescha nicht gelten lassen. Spasojevic spreche überdurchschnittlich gut Deutsch, sei im Arbeitsmarkt integriert und als Pflegefachfrau in der Neonatologie sehr gefragt. «Da kann man doch nicht im Ernst behaupten, ihre Wegweisung liege im öffentlichen Interesse und diene der Begrenzung der Arbeitslosigkeit.»
Nun muss die Serbin abwarten, bis die Sicherheitsdirektion über ihren Fall entschieden hat. Sie hofft, dass sie in Zürich bleiben darf. «Ich habe Freunde hier und einige Verwandte. Alles, was ich möchte, ist normal weiterleben.» (man)