Haben die Autofahrer ein schlechtes Gewissen?
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Ausweichverkehr im Reusstal UR:Haben die Autofahrer ein schlechtes Gewissen?

Immer mehr Verkehr, immer weniger Geduld
Der Gotthard, das helvetische Sorgenkind

Gotthard – für viele Mitteleuropäer mittlerweile ein Synonym für Geduld. Der Verkehr über die und durch die Alpen hat in den letzten Jahren massiv zugenommen. Besserung ist zwar in Sicht, der Preis dafür ist aber hoch.
Publiziert: 04.08.2023 um 00:13 Uhr
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Aktualisiert: 04.08.2023 um 19:56 Uhr
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Der Andrang auf der A2 am Gotthard steigt und steigt.
Foto: keystone-sda.ch

Die Blechlawinen rollen wieder auf den Gotthard zu. Massenhaft Autos, Töffs und Reisecars werden übers Wochenende in den Alpen erwartet – Rückreise-Wahnsinn! Der Tross schleicht entweder durchs Loch oder über den Pass. Und die Urner schauen in die Röhre – sie haben die Nase voll von Lärm und Abgasgestank.

Vor über 40 Jahren herrschte am Gotthard noch deutlich weniger Aufmarsch: 1981, ein Jahr nach der pompösen Fertigstellung des Strassentunnels, brausten nämlich jährlich knapp drei Millionen Fahrzeuge durch das damalige Jahrhundertbauwerk. 2022 waren es gemäss Bundesamt für Strassen (Astra) mit 6,8 Millionen mehr als doppelt so viele. Ein Ende der Zunahme ist nicht in Sicht.

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In den letzten Jahren ist der Stau vor dem Gotthard förmlich explodiert. Gab es 2012 noch knapp 600 Staustunden auf der A2, waren es im Jahr 2022 bereits 1800. Auch hier: Tendenz steigend.

Politische Statements am Gotthard

Keine anderen Strassen standen in den letzten 20 Jahren derart oft in den Schlagzeilen wie der Gotthard-Strassentunnel und die parallel dazu verlaufende Gotthardstrasse. Der TCS widmet dem Verkehrschaos gar seit über zehn Jahren einen eigenen Twitter-Info-Account.

Klimaaktivisten nutzten den berühmt-berüchtigten Verkehr am Karfreitag dieses Jahres für einen öffentlichkeitswirksamen Protest: Sie klebten sich kurzerhand auf die Autobahn und verstärkten den ohnehin zähen und langen Stau.

Sind die Navis schuld?

Die Behörden schauen der Verkehrszunahme der letzten Jahrzehnte nicht tatenlos zu: «Nach dem schweren Brand im Gotthardstrassentunnel 2001 wurden Sicherheitsmassnahmen getroffen, welche maximal 1000 Fahrzeugeinheiten pro Fahrtrichtung zulassen», sagt Mario Kiefer, von der Urner Kantonspolizei.

Da die modernen Navigationssysteme der Touristen über Echtzeitdaten verfügen, verliere diese Signalisation aber an Bedeutung, so der Polizeisprecher. Kaum beginnt es auf der Autobahn zu stocken, schlägt das Navi vor, über die Kantonsstrasse auszuweichen und so Zeit zu sparen.

So kämpft das Astra gegen den Ausweich-Verkehr
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Extraspur auf den Pass:So kämpft das Astra gegen den Ausweich-Verkehr

Dort brausen die Fahrzeuge dann im Sekundentakt nur wenige Meter neben Wohnhäusern, Bäckereien und Coiffeursalons vorbei. Jahrein, jahraus leidet die Urner Bevölkerung unter der Blechlawine, die sich vor allem an Ostern, Pfingsten und während der Sommerferien gnadenlos ihren Weg in Richtung Tessin und zurück bahnt.

Niederlande, Grossbritannien und Deutschland sind nebst den Schweizern die dominierenden Kontrollschilder an den Fahrzeugen. Der Urner Unmut ist bei einem Besuch von Blick deutlich spürbar.

Kampf dem Ausweichverkehr

Rund 40 Verkehrszählgeräte erfassen die Autofahrerinnen und Autofahrer zwischen Altdorf und Göschenen. Einer davon befindet sich direkt beim Bahnhof Wassen. Es ist der letzte Zähler auf der Hauptstrasse, kurz vor dem Tunnel. 2013 erfasste die Zählstelle noch durchschnittlich 1780 Fahrzeuge am Tag. 2022 waren es fast tausend mehr.

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Das verursacht immer wieder Probleme. Denn die Strassen sind eng und die Kurven unübersichtlich, sagt Kiefer: «Ungeübte Fahrzeuglenkende fahren teils in der Fahrbahnmitte.» Weiter gibt es oft gefährliche Überholmanöver auf der Kantonsstrasse. Kommt es tatsächlich zu einem Unfall, hat das gravierende Folgen, so Kiefer: «Wird die Kantonsstrasse blockiert, verschliesst sich die Rettungsachse für die Kantonsstrasse und ins Urner Oberland.»

Massnahmen gegen den Mega-Verkehr

Gegen die Ausweich-Mode bewährt hat sich der Urner Trick «Einfahrt Göschenen gesperrt». Ab einer Staulänge von drei Kilometern darf dort, kurz bevor der Gotthard-Strassentunnel die Verkehrsteilnehmer schluckt, niemand mehr auf die A2 einbiegen.

Seit Juni hat die Arbeitsgruppe «Staumanagement Uri» in Absprache mit dem Astra weitere Massnahmen ergriffen. Dazu gehört: Ab einem Stau von mehr als acht Kilometern gilt automatisch Tempo 80 auf der A2.

Dass diese Massnahmen nicht viel mehr als Symptombekämpfung sind, liegt auf der Hand. Die Urner haben deswegen eine Standesinitiative eingereicht. Sie wollen ein digitales Buchungssystem für die Tunneldurchfahrt. Ob dieses realistisch ist, steht in den Sternen.

Vielen Urnern ist schmerzlich bewusst: Die Situation wird nur besser, wenn der Gotthard-Tunnel vierspurig befahrbar ist. Dafür müsste allerdings die Politik den Alpenschutzartikel aufheben.

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