Heliskiing-Pilot aus Südtirol über tragischen Unfall im Wallis
«Piloten müssen Nein sagen können – das ist das Wichtigste»

Der schwere Unfall im Wallis bewegt die Heliskiing-Szene. Pilot Andreas Graf (23) aus Bozen IT spricht mit Blick über die Schwierigkeiten solcher Unterfangen und die mögliche Unfallursache. Ein Interview über Whiteouts und Referenzpunkte.
Publiziert: 04.04.2024 um 00:04 Uhr
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Aktualisiert: 04.04.2024 um 10:34 Uhr
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Andreas Graf (23, Mitte) ist Helikopterpilot im Südtirol. Mit Blick spricht er über die Tragödie im Wallis.
Foto: zvg
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Sandro ZulianReporter News

Das Wallis kommt nicht aus den Schlagzeilen. Nach einer verunglückten Skitourengruppe Mitte März mit mindestens fünf Toten ging am Ostermontag eine Lawine nieder. Drei Tote, lautet die traurige Bilanz.

Nicht einmal 24 Stunden später die nächste tragische Nachricht: Ein Helikopter der Air Glaciers verunglückt im Unterwallis. Der Helikopter rutschte in der Nähe des Petit Combin auf über 3600 Metern über Meer 800 Meter mutmasslich den gesamten Nordhang hinunter. Drei Menschen kommen ums Leben.

Es handelt sich um den Piloten, den Bergführer und einen Kunden. Drei Personen überlebten – ihr Zustand ist nicht bekannt. Das Wetter sei an diesem Dienstagmorgen nicht optimal gewesen, heisst es. 

Blick kann am Mittwoch mit einem Helikopterpiloten sprechen, der sich auf Heliskiing spezialisiert hat. Andreas Graf (23), Pilot beim Familienunternehmen Heliunion aus Bozen IT im Südtirol führt den Betrieb zusammen mit seinem Vater Georg (56). Die Flotte besteht aus sechs Maschinen des Typs Airbus H-125 – dasselbe Modell wie die Unglücksmaschine. 

Blick: Herr Graf, was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als Sie vom Unglück in der Schweiz erfahren haben? 

Andreas Graf: Es ist eine tragische Geschichte, auch wenn es uns nicht persönlich betrifft. Man kann aber wieder sehr viel daraus lernen, um künftige Unfälle vermeiden zu können. 

Können Sie sich vorstellen, was bei diesem Unfall passiert sein könnte? 

Das ist sehr schwierig zu sagen. Solange kein Unfallbericht vorliegt, ist das reine Spekulation. Aber auf mich wirken die Fotos und die Details, die ich aus den Medien erfahren habe, so, als hätte der Pilot im Whiteout den Referenzpunkt verloren. 

Was bedeutet das? 

Whiteout bedeutet, dass ein heranfliegender Helikopter den Pulverschnee aufwirbelt. Dann hat der Pilot kurzzeitig keine Sicht mehr bei der Landung. In diesem Fall ist es möglich, dass der Pilot den Referenzpunkt auf dem Landeplatz, zum Beispiel eine Fahne oder eine Stange, verfehlt oder nicht gefunden hat. Allenfalls hatte der Helikopter auf dieser Höhe auch keine Power mehr gehabt, wieder wegzufliegen. So könnte er falsch gelandet, auf die Seite gekippt und den Berg hinuntergerutscht sein.

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Die Verunfallten im Wallis waren keine Anfänger, sondern gut ausgebildete Profis.
Andreas Graf (23), Hubschrauberpilot aus Bozen IT.
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Wie kann man dem vorbeugen? 

Im Normalfall fliegt man vorab hoch mit einem Bergführer oder Experten, kundschaftet den Landeplatz aus und platziert verschiedene Referenzpunkte in Form von Fahnen oder Stangen. Das reicht im Normalfall aus, um dort später auch mit Gästen landen zu können. Ich bin mir sicher, dass die Verunfallten im Wallis keine Anfänger waren, sondern gut ausgebildete Profis. Man braucht verschiedene Schulungs- und Flugstunden, um solche Landungen überhaupt durchführen zu dürfen. 

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Als Pilot muss man in der Lage sein, abzubrechen.
Andreas Graf (23), Hubschrauberpilot aus Bozen IT
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Was gilt es beim Heliskiing sonst zu beachten?

Wie fliege ich dort an? Was brauche ich, um dort anzufliegen? Solche Fragen gehören auch zur Ausbildung. Auf dieser Höhe muss man verschiedene Sachen beachten: die Leistung des Helikopters, die Sicht und das Wetter. Vor allem Letzteres sorgt immer wieder für Probleme. Wir werden so ausgebildet, dass wir immer wissen, was wir tun.

Das heisst? 

Das heisst, dass wir auch die Entscheidung treffen müssen, wann genug ist. Die Eigenschaft, «Nein» sagen zu können, ist das Wichtigste in der Fliegerei. Auch wenn man in Kauf nehmen muss, den Kunden zu verlieren. Als Pilot muss man in der Lage sein, abzubrechen, wenn das Wetter schlecht oder nicht genügend gut ist. Der Berg ist und bleibt unberechenbar. Ein Restrisiko bleibt immer.

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