Im letzten Sommer reist ein Liebespaar aus dem deutschen Braunschweig nach Haute-Nendaz im Wallis, um hier mutmasslich einen Mord zu begehen. Die Behörden im Wallis und in Deutschland untersuchen die Beteiligung der beiden am Tod eines damals 24-jährigen Afghanen.
Dass Paare zusammen Verbrechen begehen, kommt immer wieder vor. Unvergessen ist die Geschichte des Verbrechenspaares Bonnie und Clyde in den USA. In der Schweiz sorgte die Flucht des Häftlings Hassan Kiko und seiner damaligen Aufseherin Angela Magdici immer wieder für Schlagzeilen.
Mögliche Abhängigkeit
Jérôme Endrass ist forensischer Psychologe und stellvertretender Leiter des Amtes für Justizvollzug und Wiedereingliederung des Kantons Zürich. Er bestätigt, dass es gar nicht so ungewöhnlich ist, dass Paare in Verbrechen verwickelt sind. Allerdings kann es dafür verschiedene Hintergründe geben. «Es gibt die Situation, dass die Partnerin oder der Partner beim Verbrechen mitmacht, um dem anderen zu gefallen, um die Beziehung nicht zu gefährden», erklärt Endrass.
Treffe eine Person, die die Absicht hat, anderen zu gefallen, auf einen Menschen mit gewalttätigen Neigungen, könne dies problematisch werden. «In solchen Fällen kann ein psychologisches Abhängigkeitsverhältnis bestehen», sagt der forensische Psychologe.
Ob eine solche Situation bei einem Verbrechen vorliegt, müssen dann die Behörden ermitteln und die Gutachter beurteilen. Auch im Fall von Haute-Nendaz steht diese Frage im Raum. Der Stiefvater der Verdächtigen ist überzeugt, dass seine Stieftochter nichts von den Mordplänen ihres Partners wusste.
Meistens dominanter Teil
Begehen Paare zusammen Verbrechen, muss aber nicht immer zwangsläufig eine Abhängigkeit bestehen. «Es kann durchaus auch sein, dass beide Partner einen Hang zu Gewalt haben, davon fasziniert sind», sagt Jérôme Endrass.
Endrass' praktischer Erfahrung nach ist aber meistens einer der beiden Partner dominant. «In der Regel ist einer der beiden die treibende Kraft, der andere macht mit.»
Dabei kann es tatsächlich vorkommen, dass ein Mittäter erst durch den Partner zum Verbrecher wird. «Umso stärker sich jemand am Verbrechen beteiligt, umso grösser war wahrscheinlich seine Bereitschaft zu Gewalt schon vorher», so der Experte. Umso weiter weg jemand von der Tat jemand sei, umso eher sei dies ein Hinweis darauf, dass die Person die Tat nur toleriert habe.
Dass Verbrechen von Paaren besonders zu reden geben, liegt für Jérôme Endrass auch daran, dass diese die Fantasie besonders beflügeln können. «Gerade die Kombination von Gewalt und Sexualität hat das Potenzial, die Menschen besonders zu bewegen.»