Tobias R.* (†43) hat in Hanau (D) zehn Menschen erschossen und ein wirres Manifest hinterlassen. Was war R. nur für ein Mensch? Der Zürcher Forensik-Professor Jérôme Endrass (49) hat die 24-seitige Schrift für BLICK durchgelesen und ein grobes Bild des Täters verfasst. Er betont, dass es für eine seriöse Analyse des Täters mehr Abklärungen bräuchte.
Tobias R. schreibt im Manifest, dass er sich durch Geheimdienste überwacht fühlte. Für Jérôme Endrass ein klarer Fall eines psychiatrischen Elements: «Es gibt starke Anhaltspunkte, dass Tobias R. unter Wahnvorstellungen litt.»
Eine eigene Ideologie aufgebaut
Klar sei auch eine rechtsextreme Einstellung erkennbar. Endrass differenziert aber: «R.s Einstellung weicht von der klassischen Rechtsideologie ab. Es fehlt der übliche Bezug zu Vorbildern wie etwa den Nazis oder des Ku-Klux-Klans. Auch jubelt er im Gegensatz zu den meisten Rechtsextremen die USA hoch.»
Endrass spricht von einer autochthonen Ideologie. Der Forensiker erklärt: «Tobias R. hat sich eine eigene Ideologie aus verschiedenen Elementen zusammengebastelt.» Er habe mit sehr klaren Gedanken einzelne Themen strukturiert beschrieben, diese aber in einer absurden Zusammensetzung zu einer Utopie kombiniert.
Gewaltbereitschaft nicht erkennbar
Als Endrass von Tobias R. hörte und das Manifest las, kam ihm umgehend Anders Breivik (41) in den Sinn, der 2011 in Norwegen 77 Menschen getötet hatte. Der Forensiker: «Es gibt klare Parallelen: Beide zeigen psychiatrische Auffälligkeiten und einen rechtsradikalen Inhalt.» Beim Auftreten würden sich die beiden Täter allerdings klar unterscheiden: Breivik habe sich während seiner Tat richtiggehend inszeniert.
Endrass überrascht die brutale Tat in Hanau: «Allein aufgrund des Manifests käme man nicht auf die Idee, dass der Täter gewaltbereit war. Es fehlen die üblichen konkreten Hinweise auf eine bevorstehende Handlung.»
* Name der Redaktion bekannt