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Sie war erst 15 Jahre alt. Dann reiste die junge Schweizerin in den Staat der Terrormiliz
IS-Rückkehrerin verweigert Therapie

Die Winterthurerin wehrt sich gegen ein Urteil des Jugendgerichts. Ob man sie zur Behandlung zwingen darf, ist offen.
Publiziert: 14.12.2019 um 23:24 Uhr
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Aktualisiert: 15.08.2020 um 19:34 Uhr
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Esra L. war erst 15-jährig. Auch sie wurde verurteilt. Wehrt sich aber.
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Tobias Marti

Man nannte sie «IS-Geschwister»: zwei Dschihad-Touristen aus Winterthur ZH. Auch nach ihrem Prozess sorgen die beiden für Gesprächsstoff.

Weil sie als 15-, respektive 16-Jährige ein Jahr lang im syrischen Bürgerkriegsgebiet lebten, wurden sie im Februar vom Jugendgericht wegen Verstoss gegen das IS-Gesetz verurteilt. Sie gelten als erste Rückkehrer, die hierzulande vor Gericht gekommen sind.

Vor wenigen Wochen wurde bekannt, dass Vedad L.* (21), der Bruder, bei einer schweizweiten Razzia gegen radikalisierte Islamisten festgenommen wurde. Er sitzt in U-Haft. Sein Fall lässt Zweifel aufkommen, ob die Schweiz die Reintegra­tion junger Radikaler im Griff hat.

«Unsinn, jemanden zu einer Therapie zu zwingen»

Nun sorgt auch seine Schwester für Neuigkeiten. Wie aus einem aktuellen Bundesgerichtsurteil hervorgeht, akzeptiert Esra L.* (20) ihre Verurteilung nicht und ficht den Entscheid des Jugendgerichts Winterthur an, das sie zu zehn Monaten bedingt plus Gesprächstherapie verurteilte.

Gegenstand des aktuellen Bundesgerichtsurteils ist vor allem diese Behandlung. Zunächst akzeptierte die junge Frau die Therapie. Als sie volljährig wurde, begann ihr Widerstand gegen die ambulante Massnahme.

«Es ist Unsinn, jemanden zu einer Therapie zu zwingen, der nicht therapiewillig ist», sagt ihr Verteidiger Christoph Bertisch. Man könne ­einen Menschen einsperren, aber nicht dazu zwingen, den Mund aufzumachen. «Wo ist da das Recht, zu schweigen?» Solange sich seine Mandantin juristisch gegen das Urteil des Jugendgerichts wehre, könne sie auch nicht zu einer Therapie gezwungen werden.

Recht darauf, krank zu sein

Und tatsächlich: Die obersten Richter des Landes verwiesen den Fall ans Zürcher Obergericht zurück; es soll darüber befinden, ob man die junge Frau zwangsweise in Therapie schicken will, sie also von der Polizei zur Behandlung bringen lässt.

Bis die Zürcher Oberrichter entschieden haben, ob die Therapie aufgehoben oder weitergeführt wird, muss Esra L.* dort nicht erscheinen. «Auch jemand, der schwer kriminell ist, hat ein Recht darauf, krank zu sein und das zu bleiben, wenn er oder sie das will», sagt Anwalt Bertisch.

Der forensische Psychologe Jérôme Endrass sagt dazu: «Es gibt immer wieder Fälle, wo die Reintegration scheitert. Aber trotzdem hat man den gesetzlichen Auftrag, die Leute in die Gesellschaft wieder einzugliedern.» In den meisten Fällen gelinge dies auch. Endrass: «So wichtig die Eingliederung ist, so klar ist auch, dass es Leute gibt, die nicht behandelbar sind und dies auch nicht sein wollen.»

* Namen der Redaktion ­bekannt

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