Darum gehts
- Trumps Entscheidungen beeinflussen NGOs in Genf und die Schweizer Politik
- Genf ist wichtiger Standort für internationale Organisationen und UN
- Milliarden fliessen jährlich dank internationalem Genf in die Schweizer Wirtschaft
US-Präsident Donald Trump (78) hat in Europa für viel Wirbel gesorgt: mit neuen Zöllen, seiner Haltung zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine oder auch wegen gestoppter Hilfsgelder. Gerade der letzte Punkt sorgt hierzulande für Sorgenfalten. Denn Trump hat auch die US-Gelder für Entwicklungshilfe gestoppt. Und das trifft viele Nichtregierungsorganisationen (NGOs) mit Sitz im internationalen Genf. Hunderte von Arbeitsplätzen und humanitäre Nothilfe sind in Gefahr.
In Genf haben mehrere Hundert internationale Organisationen ihren Sitz – mit über 30'000 Arbeitsplätzen. Bereits im Dezember mussten die NGOs einen Rückschlag hinnehmen. Das Parlament beschloss, 110 Millionen Franken in der Entwicklungszusammenarbeit zugunsten der Armee einzusparen. Im Januar folgte die nächste Hiobsbotschaft: Trump beschloss, aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO) auszutreten und die Zahlungen der US-Entwicklungsbehörden für 90 Tage zu stoppen. Immerhin geht es um ein Budget von 40 Milliarden Dollar. Das internationale Genf ist in der Bredouille!
Um Massenentlassungen zu verhindern oder zumindest zu verlangsamen, wollte der Kanton Genf einen Hilfskredit sprechen. Im Parlament kam jedoch keine Zweidrittelmehrheit zustande, weshalb die Massnahme nicht sofort in Kraft trat. Zudem droht die SVP mit dem Referendum. So könnte sich die dringend benötigte Hilfe bis Oktober hinziehen. Bundesbern unternimmt derweil wenig, um Genf zu helfen.
«NGOs benötigen starkes politisches Engagement»
In einem offenen Brief an Aussenminister Ignazio Cassis (63, FDP) melden sich mehrere kirchlich geprägte Organisationen zu Wort: «Wir bitten Sie, sich im Namen der Schweiz stark zu machen, dass die Entwicklungszusammenarbeit nicht weiter ausgehöhlt wird.» Die Schweiz müsse eine führende Rolle in diesem globalen Kraftakt übernehmen.
Das Kinderhilfswerk Terre des Hommes bezieht zwar keine US-Finanzmittel. «Dennoch stellen wir einen allgemeinen Trend zur Verringerung öffentlicher Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit fest», heisst es. Das gefährde die Arbeit der Organisationen und schwäche die Rechte verletzlicher Bevölkerungsgruppen. Die öffentliche Unterstützung müsse unbedingt langfristig abgesichert werden: «NGOs benötigen ein starkes politisches Engagement.»
Was gedenkt Bundesbern zu unternehmen?
Besonders die Grünen beobachten die Situation der NGOs mit Sorge und setzt die Bedeutung des internationalen Genf auf die politische Agenda. Nationalrätin Christine Badertscher (43) erklärt, dass die Partei in der nächsten Sitzung der aussenpolitischen Kommission (APK) das Thema auf den Tisch bringen will. «Die Schweiz muss für ihre Rolle als Gaststaat einstehen und nach aussen Druck machen.» Zudem dürfe es auf keinen Fall zu weiteren Kürzungen bei den bereits betroffenen Organisationen kommen.
Sofort etwas zu erreichen, sei allerdings nicht realistisch. Insgesamt tut sich in Bern also wenig, um den krisengeschüttelten NGOs unter die Arme zu greifen.
Standort internationales Genf
Warum aber ist das internationale Genf für die Schweiz so wichtig? Genf hat eine lange Tradition als Sitz internationaler Hilfswerke. Unter anderem wurde hier 1863 das Internationale Komitee vom Roten Kreuz gegründet. Fast 60 Jahre später nahm mit dem Völkerbund der Vorläufer der Vereinten Nationen (UN) in Genf seinen Sitz. Die Stadt ist sozusagen die Drehscheibe der multilateralen Diplomatie. Immer wieder spielte Genf eine zentrale Rolle bei internationalen Konferenzen oder Friedensverhandlungen.
Das rückt Genf nicht nur regelmässig ins globale Rampenlicht. Es bringt auch wirtschaftliche Vorteile: Die Organisationen zahlen Löhne, haben Versicherungen und Pensionskassen und investieren in der Schweiz. Dank dem internationalen Genf fliessen also jährlich Milliarden in die Schweizer Wirtschaft.
Kritische Stimmen aus der SVP
Das Interesse, das internationale Genf zu erhalten, ist also durchaus vorhanden. Grünen-Nationalrätin Badertscher betont, dass grundsätzlich viele im Parlament hinter dem Multiliteralismus stehen. «Allerdings kommt die Finanzierung der entsprechenden Organisationen leider unter Druck. Die grosse Bedeutung des internationalen Genfs ist aber nicht gratis zu haben.»
Zu den kritischen Stimmen zählt etwa SVP-Aussenpolitiker Roland Rino Büchel (59). Zwar erachtet er humanitäre Hilfe für die Schweiz als wichtig und will das internationale Genf aufrechterhalten, aber «Bern sollte nicht in die Bresche springen». Büchel sieht keine Notwendigkeit für staatliche Interventionen – weder auf nationaler noch auf kantonaler Ebene. Die aktuellen Entwicklungen führten in Genf zu «mehr Effizienz und weniger nice-to-have», was er befürworte.
Dass Bundesbern jetzt rasch Massnahmen ergreift, ist unrealistisch. Auf Anfrage von Grünen-Nationalrätin Sibel Arslan (44) anerkennt der Bundesrat zwar die aktuelle Situation in Genf als Herausforderung, konkrete Pläne zur Entlastung gibt es aber nicht. Stattdessen verweist der Bundesrat auf eine «Botschaft zu den Massnahmen zur Stärkung der Rolle der Schweiz als Gastgeberstaat», die in der kommenden Sommersession überwiesen werden soll. Damit bleibt die Frage, wie es im internationalen Genf weitergeht, vorerst offen.