Jungparteien fordern mehr Rücksicht auf Jugend in der Krisenbewältigung
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In einem offenen Brief:Jungparteien fordern mehr Rücksicht auf Jugend in Krise

Neue Gewaltaufrufe für St. Gallen, Zürich und Winterthur
Werden Corona-Krawalle zum Flächenbrand?

Plötzlich entlud sich der Corona-Frust der Jugendlichen in Krawallen in St. Gallen. War das der Anfang oder das Ende? Jetzt sind nicht nur in St. Gallen, sondern auch in Zürich und Winterthur weitere Krawalle angekündigt. Die Polizei ist gewarnt.
Publiziert: 06.04.2021 um 18:50 Uhr
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Aktualisiert: 13.04.2021 um 16:54 Uhr
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An den vergangenen Wochenenden kam es in St. Gallen zu Jugendkrawallen.
Foto: keystone-sda.ch
Fabian Vogt

Es brodelt in den jungen Menschen: Seit einem Jahr ist das Leben lahmgelegt. Die allermeisten können sich beherrschen – doch einige mussten Dampf ablassen. Werden die Jugendkrawalle von St. Gallen Randerscheinungen der Corona-Epidemie bleiben? Oder bilden sie den Auftakt zu einer Serie von Unruhen wie in den 1980er-Jahren?

Sicher ist: Die Ausschreitungen sind in gewissen radikalen Kreisen auf Zustimmung gestossen. Was Ende März vermutlich aus Zufall nach einer geplatzten Party entstand, zog am Karfreitag grössere Kreise und gipfelte am Ostersonntag in einer Machtdemonstration der Polizei, die auf Verdacht unzähligen Personen, die abends in St. Gallen unterwegs waren, Rayonverbote auferlegte.

Aufrufe für Krawalle in Zürich, Winterthur und St. Gallen

Und nun soll es weitergehen. BLICK liegen Informationen vor, wonach auf Social Media in Zürich, Winterthur ZH und erneut St. Gallen für dieses Wochenende zu Krawallen aufgerufen wird. Die Polizei ist gewarnt. «Davon haben wir seit Dienstagnacht Kenntnis», sagt Roman Kohler, Leiter Kommunikation der Stadtpolizei St. Gallen. «Wir müssen die Lage beurteilen und äussern uns zu gegebener Zeit zu geplanten Massnahmen.» Würde man Personen erwischen, denen man vergangenes Wochenende eine Wegweisung aushändigte, würden diese zur Anzeige gebracht.

Aus Zürich klingt es ähnlich. «Die Stadtpolizei Zürich hat Kenntnis von diesem Aufruf«, sagt Sprecherin Judith Hödl. «Wir sind an den Wochenenden bereits seit mehreren Wochen verstärkt präsent im Raum Bellevue, Utoquai, Stadelhofen.» Ob das reicht? Seit Monaten sammeln sich jedes Wochenende unzählige Jugendliche ums Zürcher Seebecken.

Das hat auch schon zu vereinzelten Ausschreitungen geführt, die erst unter Kontrolle gebracht werden, als die Polizei verstärkt Präsenz markiert und Kameras installiert. War bei diesen Vorfällen die Gewalt auf Personen aus den Gruppen gerichtet, dürfte sie sich nun verstärkt gegen die Polizei selber richten. Blick sprach am Wochenende mit anonym bleiben wollenden Personen, die das Gebiet rund um Stadelhofen bewachten und sich besorgt zeigten, dass die Randale in St. Gallen auch bald Zürich erreichen. Dazu sagt Sprecherin Hödl: «Es ist eine herausfordernde Situation, die wir ernst nehmen. Wir werden den Aufruf in die laufende Lagebeurteilung aufnehmen und entsprechende Handlungsrichtlinien und Massnahmen festlegen.»

«Grosse Mehrheit verhält sich vorbildlich»

In Winterthur ist man derzeit lockerer unterwegs. «Die Ankündigung eines angeblichen Aufrufs auf diesem anonymen Kanal muss nichts heissen, sagt Michael Wirz von der Stadtpolizei Winterthur. Da würden immer wieder Inhalte publiziert, die nicht der Realität entsprächen. «Wir haben bisher keinen Hinweis auf einen konkreten Aufruf in Winterthur. Aber selbstverständlich beobachten wir die Lage laufend», so Wirz.

Man habe in Winterthur Ende Februar auch teilweise mit pöbelnden Jugendlichen zu tun gehabt. «Aber man muss immer wieder betonen, dass es nur ein sehr kleiner Teil der Jugendlichen ist, die sich nicht an die Regeln halten. Die grosse Mehrheit verhält sich in dieser Pandemie vorbildlich», sagt Wirz.

«Staunte, dass es so lange dauerte»

Dies zu betonen, ist auch Markus Casutt (46) wichtig. Die Krawalle selbst überraschen den Geschäftsleiter des Dachverbands Offene Kinder- und Jugendarbeit Schweiz allerdings nicht. Im Gegenteil: «Es ist nicht wirklich überraschend, dass sich Jugendliche nun sichtbar machen.» Dass die Krawalle in St. Gallen der Auftakt zu einer Gewaltwelle in der Schweiz sein werden, glaubt Casutt nicht. «Aber ausschliessen will ich das auch nicht.»

Doch warum gerade jetzt, mehr als ein Jahr nach Beginn der Pandemie? Casutt vermutet, der ohnehin schon vorhandene Druck bei den Jungen sei durch Corona in den vergangenen Monaten immer grösser geworden: mehr Arbeitslose, mehr Probleme bei der Lehrstellensuche. Im Gegensatz zu anderen Jahren fehle nun zudem ein Ventil, beispielsweise die Möglichkeit, Freunde zu treffen und mit ihnen darüber zu sprechen oder im Ausgang «legal Dampf abzulassen».

Mehr Freizeitmöglichkeiten für Junge

«Zudem kommt noch die fehlende Perspektive dazu», sagt Casutt. «Ein Ende der Massnahmen ist nicht abzusehen, und damit werden Junge schlechter fertig als Erwachsene.» Sie würden sich fragen, wie die neue Normalität nach Corona aussehen wird und welchen Einfluss diese auf ihr Leben hat.

Einfache Lösungen gegen die Probleme kennt Casutt nicht. Er rät, mehr und leichteren Zugang zu Sport- und Freizeitaktivitäten für junge Menschen bis 25 Jahre zu ermöglichen – derzeit sind sie für bis 20-Jährige weniger stark eingeschränkt zugänglich.

«Anders abholen, als es die St. Galler machten»

Zudem solle man direkt mit den Jugendlichen sprechen und ihre Probleme ernst nehmen. «Man sollte sie sicher anders abholen, als es die Polizei St. Gallen mit den Wegweisungen gemacht hat», sagt Casutt. Das habe zwar in dem Moment der Stadt etwas gebracht, dürfte die Problematik aber einfach an andere Orte verschoben haben.

Zudem müsse man festhalten, dass nur ein kleiner Teil der Jungen randaliert habe, wie dies auch im Zusammenhang mit anderen Ereignissen der Fall sei. Die meisten vor Ort seien einfach dort gewesen, weil sie mal wieder etwas erleben wollten.

Dem pflichtet Donat Richiger bei. Er ist Leiter der Offenen Jugendarbeit in der Stadt St. Gallen und hat mit Jugendlichen vor Ort über ihre Sorgen gesprochen. Sein Fazit: «Hilfreich wären konkrete und verbindliche Versprechungen seitens der Politik, an welchen sich die Jugendlichen orientieren können. Beispielsweise beim Impfplan fair berücksichtigt werden, mit Schnelltests Möglichkeiten für kleine Veranstaltungen erarbeiten etc.»

In jedem Fall würden die Wegweisungen «aus präventiver und langfristiger Sicht die Probleme nicht lösen, wessen sich auch die Polizei bewusst ist».

Mitte-Links-Jugend will mitreden

Die nationalen Jungparteien von SP, Mitte, GLP, EVP und Grünen verurteilen in einem offenen Brief an den Bundesrat die Krawalle von St. Gallen. Sie fordern aber auch, dass die Sorgen der jungen Generation nun ernster genommen werden.

Sarah Bünter, Präsident der Jungen Mitte, sagt zu BLICK: «Die Krawallmacher sind nicht repräsentativ für alle Jugendlichen. Aber man hat gesehen, dass der soziale Kontakt zu Kollegen vermisst wird.»

Tobias Vögeli, Co-Präsident der jungen Grünliberalen schlägt vor, dass Junge etwa durch Vernehmlassungen ihre Anliegen besser einbringen können. «Beispielsweise bei Schulöffnungen. Und es wäre auch gut, wenn ein negativer Coronatest die gleichen Privilegien bietet wie eine Impfung.» Denn es könne nicht sein, dass sich «Ü80 frei bewegen können, während die anderen noch warten und in die Röhre schauen».

Weiter verlangen die Jungpolitiker Präsenzunterricht an den Ausbildungsstätten und weitergehende Lockerungen – für Jugendliche. Für junge Menschen mit psychischen Problemen brauche es zudem besondere Unterstützung. (vof)

Die nationalen Jungparteien von SP, Mitte, GLP, EVP und Grünen verurteilen in einem offenen Brief an den Bundesrat die Krawalle von St. Gallen. Sie fordern aber auch, dass die Sorgen der jungen Generation nun ernster genommen werden.

Sarah Bünter, Präsident der Jungen Mitte, sagt zu BLICK: «Die Krawallmacher sind nicht repräsentativ für alle Jugendlichen. Aber man hat gesehen, dass der soziale Kontakt zu Kollegen vermisst wird.»

Tobias Vögeli, Co-Präsident der jungen Grünliberalen schlägt vor, dass Junge etwa durch Vernehmlassungen ihre Anliegen besser einbringen können. «Beispielsweise bei Schulöffnungen. Und es wäre auch gut, wenn ein negativer Coronatest die gleichen Privilegien bietet wie eine Impfung.» Denn es könne nicht sein, dass sich «Ü80 frei bewegen können, während die anderen noch warten und in die Röhre schauen».

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