Der Bundesrat hat einen Gang höher geschaltet. Er tut derzeit alles, um eine mögliche Energiemangellage im Winter zu verhindern. Am Mittwoch haben Energieministerin Simonetta Sommaruga (62) und Wirtschaftsminister Guy Parmelin (62) ihren Vierstufenplan vorgestellt. Die Lage ist ernst. Der Ukraine-Krieg und die Abhängigkeit von Öl und Gas aus dem Ausland haben die Ausgangslage noch verschärft.
Diese Abhängigkeit wäre gar nicht zwingend. Denn in der Schweiz selber gebe es genügend Erdgas, um den eigenen Bedarf zu decken. Davon zeigt sich der pensionierte Tessiner Unternehmer Pietro Oesch überzeugt. «Im Tessiner Untergrund schlummern grosse Erdgasvorkommen, die in zwei bis drei Jahren erschlossen werden könnten», erklärte er im «Tages-Anzeiger». Er ist sicher: Die Menge würde für die kommenden zwei bis drei Generationen reichen.
Bis jetzt keine rentablen Projekte in Aussicht
Das aber sieht der Bundesrat ganz anders. Zwar sei es allgemein bekannt, «dass in der Schweiz, insbesondere im Mittelland, Erdgas vorkommt», erklärt er auf eine Anfrage des Tessiner SVP-Nationalrats Piero Marchesi (40). Doch: «Diese Vorkommen waren bisher nicht in wirtschaftlich vertretbarem Rahmen nutzbar.»
Obwohl im Tessin Erdgas vorhanden ist und immer wieder Gasaustritte stattfinden, würden potenziell rentable Vorkommen bislang nur vermutet. Bis heute habe der Bundesrat auch keine Kenntnis von Bohrungen für das Auffinden von Erdgasvorkommen. Die Industrie habe bisher davon abgesehen. Das würde darauf hindeuten, dass auch sie nicht an rentierende Projekte glaubt.
Waadt soll Erdgas-Projekt vorantreiben
Das sind keine günstigen Vorzeichen für alte Pläne, die derzeit in der Genfersee-Region wieder neu aufleben. So fordern SVP und FDP in der Waadt, dass der Kanton ein Projekt zur Gasförderung vorantreibt. Diese Woche haben sie im Kantonsrat eine entsprechende Resolution eingereicht. So hätten Probebohrungen unweit von Schloss Chillon gezeigt, dass unter dem Genfersee, in einer Tiefe von rund 4000 Metern, Gas vorkommt.
Bis heute wurde in der Schweiz erst ein nennenswertes Gasvorkommen entdeckt. In Finsterwald LU wurde dieses zwischen 1985 und 1994 ausgebeutet, das Gas in die nahe Transitpipeline eingespeist. Geld wurde damit allerdings keines verdient.
Mit Zielen der Schweiz gar nicht vereinbar
Für den Bundesrat ist denn auch klar: Um die Energieversorgungssicherheit im Land zu stärken, will er nicht auf die Erschliessung von Erdgasvorkommen in der Schweiz setzen. Immerhin stünden seine eigenen geplanten Massnahmen im Einklang mit dem Ziel, bis zum Jahr 2050 die Klimaneutralität zu erreichen. Dazu muss die Schweiz ihren Verbrauch an fossilen Energieträgern mittel- und langfristig ohnehin reduzieren. (dba)