Rechenzentren rechnen mit dem Schlimmsten
IT-Branche setzt im Krisenfall auf Notstromgeneratoren

Immer mehr Personen und Unternehmen verwenden Cloud-Dienste. Diese sind auf Rechenzentren angewiesen. Doch was passiert, wenn der Strom knapp wird? Die grossen Anbieter geben Entwarnung. Vielleicht können sie sogar zur Bewältigung der Krise beitragen.
Publiziert: 23.08.2022 um 00:14 Uhr
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Aktualisiert: 23.08.2022 um 13:10 Uhr
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Cloud-Dienste dominieren heute den Alltag.
Foto: Getty Images
Thomas Müller

«The cloud doesn't run in the cloud», sagt man in der IT-Branche. Gemeint ist, dass für Dienstleistungen, die nicht auf dem eigenen Computer laufen, wie zum Beispiel iCloud von Apple oder Office365 von Microsoft, ein anderer Computer irgendwo laufen muss. Auch jede Website, jedes E-Mail und jeder Social-Media-Post sind auf Servern gespeichert.

Diese Server, also die Computer solcher Dienstleister, stehen in Rechenzentren. In diesen vermieten Anbieter Rechenleistung und Speicherplatz an ihre Kundinnen und Kunden. Diesen Winter könnte es zu einer Strommangellage kommen. Droht der Internet-GAU, wenn der Strom ausgeht?

Rechenzentren sind kritische Infrastruktur

In Rechenzentren laufen nämlich nicht nur die zuvor erwähnten Anwendungen. Vom Büro über Finanzdienstleistungen bis hin zum Spital sind digitale Werkzeuge für den Betrieb mittlerweile unerlässlich. Bei Ausfällen würden viele Betriebe gar nicht funktionieren können. Deshalb sind Rechenzentren vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz (BABS) als kritische Infrastruktur eingestuft.

«Im Falle einer schweren Strommangellage mit Kontingentierungen werden Betreiber kritischer Infrastrukturen grundsätzlich gleich behandelt wie Grossverbraucher», erklärt das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL). Diese könnten zwar teilweise oder ganz von Bewirtschaftungsmassnahmen ausgenommen werden, jedoch erst in der konkreten Krisensituation.

Vorerst ist also unklar, ob eine Ausnahme für Rechenzentren gemacht wird, wenn der Strom kontingentiert wird. Aber selbst wenn sie von der Kontingentierung ausgenommen werden, würde im schlimmsten Notfallszenario des Bundes periodisch kein Strom fliessen.

Gut vorbereitet

«Das Thema ist bei der gesamten Branche im Fokus», bestätigt Dominik Müller, stellvertretender Geschäftsführer des Schweizerischen Verbands der Telekommunikation (Asut). Aber: «Insbesondere die grossen Datacenter-Betreiber verfügen über ein entsprechendes Krisenmanagement, um grundlegende Dienste auch im Krisenfall erbringen zu können – und sie sind insbesondere für kurzzeitige Stromunterbrüche gut vorbereitet», so Müller.

Rechenzentren seien im Besitz von Notstromgeneratoren, mit denen sie längere Stromunterbrüche von bis zu mehreren Tagen überbrücken können. Diese dürfen aber pro Jahr nur eine begrenzte Zeit laufen, deshalb sei eine Anpassung der Verordnungen im Falle einer länger andauernden Stromsituation zwingend notwendig.

Beitrag zur Stromversorgung

Die dafür bereitstehenden Dieselgeneratoren sind nicht sehr umweltfreundlich. Doch ein Sprecher von Green.ch merkt an, ihre Notstromversorgung könnte dazu beitragen, dass das Schweizer Stromnetz gestützt würde, sollten zusätzliche Energiekapazitäten im Notfall dringend erforderlich sein.

«Grössere Rechenzentrum-Betreiber wären in der Lage, im Krisenfall zu einer Entlastung des Netzes beizutragen. Entsprechende Abklärungen laufen», sagt Asut-Mann Müller. Es sei aber noch nichts abschliessend entschieden.

2,1 Terawattstunden Verbrauch

Tatsächlich verbrauchen Rechenzentren nicht gerade wenig Strom. Eine Studie des Bundesamtes für Energie schätzte ihren Stromverbrauch im Jahr 2019 auf rund 2,1 Terawattstunden. Das sind 3,6 Prozent des Schweizer Stromverbrauchs. Dabei sind aber auch unternehmensinterne Rechenzentren eingerechnet, die nicht zwingend über eine Notstromanlage verfügen.

Energiesparen ist für die Betreiber von Rechenzentren Dauerthema, schon aus rein wirtschaftlichen Gründen. Also unabhängig von einer Strommangellage, wie mehrere Betreiber betonen.

Zentrale Steuerung zu komplex

Ob sich die Rechenzentren im Notfall vom Stromnetz abkoppeln und mit Notstrom laufen könnten, um das Netz zu entlasten, ist noch offen. «Solche Einsparungen funktionieren höchstens beschränkt auf das regionale Stromnetz, da diese Abkoppelungen nicht zentral zugunsten des Gesamtsystems gesteuert werden können», erklärt Marianne Zünd, Sprecherin des Bundesamtes für Energie. «Der Bund prüft aktuell nur den Einsatz von Notstromaggregaten, die Strom ins Netz einspeisen können.»

Damit die zentralen IT-Dienstleistungen auch im Krisenfall funktionieren, braucht es aber nicht nur Strom in den Rechenzentren. Die gesamte Kommunikationsinfrastruktur muss funktionieren, vom Rechenzentrum über die Leitungen bis zum Endnutzer. Was jedoch sicher ist: Auch im Notfall geht im Rechenzentrum nicht einfach das Licht aus.

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