«Es sind 5000 Soldaten im Einsatz»
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Ende 2022 auf der A1:Grösste Militärübung der Schweiz seit dem Kalten Krieg

«So kann man nicht arbeiten»: Jedes fünfte Fahrzeug fällt aus
Die Schweizer Armee steht still

Die Armee kämpft mit massiven Problemen. Jedes fünfte Fahrzeug steht in der Werkstatt, während Fachpersonal für Reparaturen fehlt. Übungen sind nur noch beschränkt möglich. Das ist jetzt auch dem Bundesrat klar geworden.
Publiziert: 19.03.2025 um 00:03 Uhr
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Aktualisiert: 19.03.2025 um 10:26 Uhr
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Wegen eines technischen Defekts musste die Armee ihre ganze M113-Schützenpanzer-Flotte grounden. Die Probleme reichen aber noch viel weiter.
Foto: Keystone

Darum gehts

  • Armee hat Probleme mit Fahrzeugen, viele stehen in der Werkstatt
  • Soldaten müssen teilweise mit Kartonpanzern üben oder sich Fahrzeuge vorstellen
  • Von 20'000 Radfahrzeugen steht jedes fünfte in der Werkstatt still
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Daniel BallmerRedaktor Politik

Nichts ging mehr. Ende 2023 musste die Armee alle 248 Schützenpanzer M113 grounden. Wegen eines technischen Defekts wurde ein komplettes Fahrverbot verordnet – aus Sicherheitsgründen. In Übungen sollten sich die Soldaten den M113 einfach vorstellen. Die Armee musste einräumen, dass «die Einsatzbereitschaft mit den Truppenkörpern derzeit nicht erreicht» werde. Der Begriff «stehendes Heer» erhielt eine ganz neue Bedeutung. Bis heute fährt die Hälfte der Schützenpanzer wieder, Ende Jahr soll die ganze Flotte umgerüstet sein.

Das Problem reicht aber noch viel weiter. Von den rund 20'000 Radfahrzeugen der Armee steht jedes fünfte still in der Werkstatt – und der Armee deshalb nicht zur Verfügung. Das Problem: Sowohl dem Militär als auch dem privaten Gewerbe fehle das nötige Fachpersonal, um die Instandhaltung wie geplant abarbeiten zu können. Betroffen seien etwa verschiedene Schützenpanzer-Typen, Leopard-Panzer, Piranha-Radschützenpanzer oder Duros.

«So kann man nicht mehr arbeiten»

Instandhaltungsarbeiten müssten priorisiert werden, hatte der Bundesrat auf eine Anfrage von SVP-Nationalrätin Stefanie Heimgartner (37) erklärt. Einschränkungen für die Truppe seien nicht auszuschliessen, räumt die Armee auf Anfrage ein. Und: «Mit der Überalterung von Teilflotten nimmt der Anteil an Ausfällen heute markant zu.» Die Grundausrüstung wird nicht mehr erreicht. Konkrete Bestände einzelner Fahrzeugtypen aber blieben vertraulich. Der Feind könnte schliesslich mitlesen.

Noch kritischer tönt es an der Front. «Mit diesen Rahmenbedingungen kann man gar nicht mehr arbeiten», sagt Erich Muff, Präsident der Offiziersgesellschaft Panzer. «Ein System nach dem anderen fällt altershalber aus oder wird ohne Ersatz ausser Dienst gestellt.» Während Armeeeinsätze wie am WEF in Davos nicht betroffen sind, müssten Rekrutenschulen oder WKs mit immer weniger Fahrzeugen auskommen.

«Regelmässig sind bereits in Friedenszeiten behelfsmässige Lösungen nötig», hält Muff fest. Doch auch das reicht nicht immer: «Die M113-Fahrer fahren im WK keinen einzigen Meter. Eine Ausbildung findet nicht statt.» Und: «So kann es nicht weitergehen. Wir brauchen wieder mehr und einsatzbereite Fahrzeuge und Panzer.»

Ähnlich tönt es von Stefan Holenstein (63). «Die Fahrzeugbestände reichen nur knapp, wenn überhaupt», sagt der Präsident des Verbands Militärischer Gesellschaften Schweiz (VMG). Das sei an Kaderreporten immer wieder zu hören. Regelmässig müssten Fahrzeuge zwischen Verbänden hin- und hergeschoben werden, um die Lücken einigermassen zu füllen.

Für Holenstein hat der akute Fachkräftemangel auch mit der Zentralisierung der Logistik bei der Armee XXI zu tun: «Damals wurden aus rein ökonomischen Überlegungen viele Fachkräfte entlassen, die jetzt fehlen.» Nun suche die Logistikbasis der Armee wieder händeringend nach Personal – während gleichzeitig wegen des Sparpakets des Bundesrats Leute entlassen werden sollen. «Das ist absurd», findet Holenstein.

Blocher findet es «lächerlich»

Und selbst ein alt Bundesrat stimmt ins Klagelied mit ein. In seiner neusten Sendung «Teleblocher» erzählt SVP-Doyen Christoph Blocher (84) von einem WK-Besuch auf einem Übungsplatz von Panzergrenadieren. Der Verband habe beim Einrücken nicht einen einzigen Panzer erhalten, weil alle kaputt seien.

«Die mussten Kartonpanzer basteln, um darauf zu schiessen. Das ist ja lächerlich», erzählt Blocher enerviert und betont nochmals: «Das habe ich selber gesehen.» Etwas vom Vordringlichsten sei, dass die Fahrzeuge in Schuss gebracht werden, «damit unsere Soldaten Panzer haben».

Vorerst aber dürfte sich die Situation kaum bessern. Um für den Ernstfall genügend Ressourcen zu haben, will die Armee den Truppen bis Ende Jahr 20 Prozent weniger Fahrzeuge abgeben. Das teilte sie Ende Februar mit. Betroffen sind vorab Piranha, Schützenpanzer 63 und 2000, Leopard-Panzer, Duro-Truppentransporter und Kleinbusse sowie Anhänger, deren Instandhaltung nicht garantiert werden könne.

Sogar Bundesrat räumt Probleme ein

Auch dem Bundesrat ist klar, dass das nicht mehr reicht. Er weist darauf hin, dass die Armee eigentlich mit einer Reserve von 15 Prozent rechnet, um Instandhaltungsarbeiten ohne Auswirkungen auf die Bereitschaft durchführen zu können. Wegen fehlender Mittel sei das aber längst nicht mehr überall möglich.

SVP-Nationalrätin Heimgartner bereitet das Sorgen. «Will die Schweiz verteidigungsfähig sein, muss ihre Armee auch ernsthaft üben können», sagt sie. «In der Privatwirtschaft könnte man so auch nicht arbeiten.» Die Armee brauche genügend finanzielle Mittel, um die 15-Prozent-Reserve wieder erreichen zu können. Denn mit den immer älter werdenden Systemen werde die Situation schlimmer und schlimmer. Die Truppen bekommen das nun immer mehr zu spüren.

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