Sie sollen Personallücken im Zivilschutz stopfen – Kitas und Heime bangen
Heftiges Ringen um Zivis

Dem Zivilschutz fehlt es an Personal. Der Bundesrat will, dass künftig auch Zivildienstleistende aushelfen können. Die Unterstützung bei Parteien und Kantonen ist gross. Doch es gibt auch erbitterten Widerstand.
Publiziert: 19.05.2023 um 00:25 Uhr
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Aktualisiert: 20.05.2023 um 17:07 Uhr
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Egal ob Skirennen, Impfzentrum oder Felssturz: Wenn Not am Mann ist, ist der Zivilschutz zur Stelle.
Foto: keystone-sda.ch
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Daniel BallmerRedaktor Politik

Der Handlungsbedarf ist gross. Darin sind sich die meisten Parteien und Kantonsregierungen einig. Wenn nichts passiert, geht dem Zivilschutz schon in ein paar Jahren das Personal aus. Vor zehn Jahren wurde die Zielgrösse bei 72'000 Zivilschützern festgelegt – 2021 betrug der Bestand noch 68'000.

Die Probleme ähneln jenen der Armee: Immer weniger Schweizer leisten überhaupt Dienst. Auch laufen immer mehr davon – aus medizinischen Gründen oder weil sie in den Zivildienst wechseln. So könnten es im Jahr 2030 sogar nur noch 51'000 Zivilschützer sein, warnt der Bundesrat. Werde nicht mehr Personal rekrutiert, drohe mittelfristig ein Leistungsabbau.

Zivilschutz soll künftig Vorrang haben

Um das zu verhindern, will der Bundesrat dem Zivilschutz mehr Personal zuschanzen. Wer etwa militärdienstpflichtig ist, aber bis zum 25. Altersjahr keine Rekrutenschule absolviert hat und aus der Armee entlassen wird, soll neu schutzdienstpflichtig werden. Gleiches gilt für nicht mehr dienstpflichtige Soldaten. Oder für Zivildienstleistende. Sie sollen verpflichtet werden können, einen Teil ihrer Dienstpflicht bei unterdotierten Zivilschutzorganisationen zu leisten. Im Notfall soll der Zivilschutz künftig Vorrang haben.

Bei den bürgerlichen Parteien kommen die geplanten Gesetzesänderungen mehrheitlich gut an. Begrüsst werden sie etwa von SVP, FDP oder Grünliberalen. Das zeigt die eben beendete öffentliche Vernehmlassung. «Zum umfassenden Schutz der Bevölkerung in Notlagen muss der Bestand des Zivilschutzes auch künftig gewährleistet sein», betont etwa die GLP.

Gleichzeitig aber stellen die Bürgerlichen klar: Die Massnahmen könnten nur ein Zwischenschritt sein. Schon länger wird vom Bundesrat an einem neuen Dienstpflichtmodell herumstudiert – auch unter Einbezug der Frauen. Und im Parlament wurde bereits die Forderung nach einer raschen Fusion von Zivildienst und Zivilschutz laut.

Kitas, Spitäler und Heime bangen um ihre Zivis

Die Linke will von allem nichts wissen. So seien die Gesetze sowieso schon umgekrempelt worden – um Überbestände beim Zivilschutz zu senken. Die SP glaubt nicht an die Unterbestände. Und wenn es vereinzelt solche gebe, soll der Zivilschutz selber schauen. Der Zivildienst könne nur effizient arbeiten, wenn er reine Bundesaufgabe bleibt.

Grosser Widerstand kommt auch von Organisationen und Verbänden, die auf Zivildienstleistende angewiesen sind. «Durch solche Abkommandierungen von zivildienstpflichtigen Personen würden die Betroffenen in Zukunft nicht mehr in ausreichendem Masse zur Verfügung stehen», kritisiert etwa der Branchenverband der Alters- und Pflegeinstitution Curaviva.

Ähnlich tönt es vom Verband Kinderbetreuung Schweiz Kibesuisse: «Mit der Verpflichtung von Zivildienstleistenden, im Zivilschutz Einsätze zu leisten, gehen wertvolle Diensttage im Tätigkeitsbereich des Zivildienstes verloren – konkret im Gesundheits-, Sozial- und Schulwesen sowie im Umwelt- und Naturschutz.» Sogar von einem Referendum wird schon gemunkelt.

Für Kantone nur ein Zwischenschritt

Aller Befürchtungen zum Trotz: Auch eine deutliche Mehrheit der Kantone will den Zivilschutz wieder stärken. Schliesslich werde «die Anzahl und Intensität von Bedrohungen für die Bevölkerung in Zukunft nicht abnehmen», gibt die Solothurner Regierung zu bedenken. Der hohe Nutzen des Zivilschutzes sei etwa im Verlauf der Covid-Pandemie einmal mehr deutlich geworden. Mit der Revision seien Bestandsprobleme kurz- und mittelfristig zu verbessern.

Die Kantone machen aber gleichzeitig klar, dass die angestrebte Revision für sie noch nicht das Gelbe vom Ei ist. Sie erwecke den Eindruck, dass bestehende Herausforderungen im Dienstpflicht-System nicht gelöst, sondern nur sanft angegangen werden sollen, kommentiert etwa die Berner Regierung. Die Vorlage könne daher nur als Sofortmassnahme verstanden werden. Das sehen viele Kantone so. Für die St. Galler Regierung kann die jetzige Vorlage nur ein Zwischenschritt sein.

Das ist auch der zuständigen Verteidigungsministerin Viola Amherd (60) bewusst. Bis Ende 2024 soll ihr VBS zwei verschiedene Dienstpflichtmodelle prüfen, um die Bestandsprobleme langfristig in den Griff zu bekommen. Einfach wird auch das nicht werden.

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