«Müssen jetzt alles tun, um eine Mangellage zu verhindern»
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Bundesrat Guy Parmelin:«Müssen jetzt alles tun, um eine Mangellage zu verhindern»

Sauna-Polizei? Rückkehr ins Homeoffice?
Das musst du zur Energiekrise wissen

Die drohende Gas- und Stromlücke hält den Bundesrat auf Trab. Wirtschaft und Bevölkerung sollen freiwillig Energie sparen, sonst drohen Verbote. Blick erklärt, worum es geht.
Publiziert: 27.08.2022 um 00:22 Uhr
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Aktualisiert: 27.08.2022 um 09:05 Uhr
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Beim Erdgas ist die Schweiz vom Ausland abhängig.
Foto: keystone-sda.ch
Ruedi Studer

Gehen im Winter die Lichter aus? Müssen wir in unseren Wohnungen gar frieren? Der Bundesrat stimmt die Bevölkerung auf einen drohenden Energiemangel bei Strom und Gas ein und ruft zum Energiesparen auf. Das Ziel: den Engpass verhindern!

Es brauche «Selbstdisziplin und Genügsamkeit», um die Krise zu meistern, machte SVP-Wirtschaftsminister Guy Parmelin (62) am Mittwoch vor den Medien deutlich. Und SP-Energieministerin Simonetta Sommaruga (62) mahnte: «Unsere Energieversorgung funktioniert nach wie vor gut, aber die Lage hat sich verschärft.»

Wie es weitergehe, könne aufgrund des Krieges in der Ukraine niemand mit Gewissheit sagen, und es gebe auch keine einfachen Rezepte. «Der Bundesrat macht aber alles, damit unser Land im nächsten Winter gut aufgestellt ist», so Sommaruga.

Blick beantwortet die wichtigsten Fragen rund um die Energiekrise.

Wie viel Strom und Gas verbraucht die Schweiz?

2021 lag der Stromverbrauch in der Schweiz bei 58,1 Milliarden Kilowattstunden Strom – das sind rund 4 Prozent mehr als im Vorjahr. Gleichzeitig wurden im Inland netto 60,1 Milliarden Kilowattstunden erzeugt.

Deutlich weniger als im Vorjahr, wobei vor allem eine mehrmonatige Revision des Kernkraftwerks Leibstadt für einen markanten Rückgang sorgte. In den Wintermonaten ist die Schweiz allerdings auf massive Stromimporte angewiesen. Unter dem Strich importierte die Schweiz letztes Jahr 2,4 Milliarden Kilowattstunden.

Erdgas deckt rund 15 Prozent des Energiebedarfs der Schweiz. 2021 betrug der Endverbrauch rund 34 Milliarden Kilowattstunden – etwas weniger als im Vorjahr. Die Schweiz verfügt allerdings weder über relevante Erdgasvorkommen noch über grössere inländische Speicherkapazitäten. Deshalb muss Erdgas zu 100 Prozent importiert werden. Rund die Hälfte der eingeführten Erdgasmenge stammte im vergangenen Jahr noch aus Russland.

Warum hat die Schweiz ein Energie-Problem?

Dass es bei der Gasversorgung eng wird, hängt mit den Folgen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine zusammen. Russland hat den Gashahn fast vollständig zugedreht. Die Schweiz ist bei den Gasimporten vom Goodwill der Nachbarländer abhängig, insbesondere Deutschlands.

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Beim Strom spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. In Frankreich ist mehr als die Hälfte der Atomkraftwerke nicht am Netz. Aufgrund der Trockenheit hat es in Flüssen weniger Wasser. Ebenso ist offen, wie stark die Stauseen bis im Winter gefüllt werden können. Zudem fehlt mit Mühleberg ein AKW.

Klar ist: Beim Gas kann es mit der beginnenden Heizperiode knapp werden. Beim Strom wird es erst gegen Ende Winter heikel, wenn sich die Speicherseen nach und nach leeren.

Wie will der Bund die Gasversorgung sichern?

Wegen der grossen Auslandsabhängigkeit kann es beim Gas rasch mal brenzlig werden. Der Bundesrat hat die Eckwerte für das Vorgehen aufgrund der drohenden Gaslücke bereits skizziert – und will seine Vorschläge nächste Woche konkretisieren.

Den Anfang machen Sparappelle. So sorgt allein schon das Zurückdrehen der Heizung um 1 Grad für eine Energieeinsparung von gut 6 Prozent. Im Winterhalbjahr sollen Wirtschaft und Bevölkerung freiwillig 15 Prozent Gas einsparen – so wie es sich auch die EU zum Ziel gesetzt hat. Reicht das nicht aus, kann der Bund die Umstellung von Kombikraftwerken von Gas- auf Erdölbetrieb anordnen.

Wenn es damit nicht klappt, wird es für Wirtschaft und Bevölkerung unangenehm. Dann kann es Vorgaben und Verbote geben. Denkbar ist etwa, dass mit Gas beheizte Pools abgestellt werden müssen oder Terrassen-Heizstrahler nicht mehr genutzt werden dürfen.

Nur im Notfall soll es zu einer Kontingentierung für Unternehmen kommen, welche aber mit starken volkswirtschaftlichen Schäden verbunden wäre.

Wann wird der Stromstecker gezogen?

Wirklich ernst wird es beim Strom wohl erst gegen Ende Winter, wenn sich die Speicherseen leeren. Kritisch würde es also etwa um Februar/März herum. Aber auch hier will der Bund rechtzeitig vorsorgen. Das Vorgehen ist dabei ähnlich etappiert wie beim Gas.

Den Anfang machen auch hier Sparappelle. So sollen etwa das Licht oder nicht benötigte Geräte öfter ausgeschaltet werden. Das dürfte beim Strom Einsparungen von rund 5 Prozent bringen. Reicht Freiwilligkeit nicht aus, folgen Einschränkungen und Verbote. Sprich: Dann wird etwa Saunen, Klimaanlagen oder Leuchtreklamen der Stecker gezogen. Damit würden etwa 10 Prozent Strom eingespart.

Hilft auch das nicht, kann der Bundesrat beispielsweise für Grossverbraucher Kontingentierungen beschliessen. Diese müssten eine angeordnete Energiemenge einsparen, um Abschaltungen möglichst zu vermeiden.

Ultima Ratio sind schliesslich zyklische Stromsperren. Für vier bis acht Stunden würde dann gebietsweise die Elektrizität abgeschaltet. Solche Netzabschaltungen sollen aber möglichst verhindert werden, weil damit auch die Sicherheitslage gefährdet werden könnte. «Da ist es denkbar, dass die Bevölkerung rebelliert oder dass es zu Plünderungen kommt», warnte der oberste Polizeidirektor, Fredy Fässler (63), im Blick.

Kommt nun die Schlafzimmer-Polizei?

Der Bundesrat machte klar, dass – gerade beim Gas – auch die privaten Haushalte einen Sparbeitrag leisten müssen, wenn es mit Freiwilligkeit nicht reicht. Allerdings liess sich der Bundesrat nicht auf die Äste hinaus, ob es eine verbindliche Vorgabe für eine Senkung der Raumtemperatur geben könnte. Als Option dürfte es damit in die Konsultation gegeben werden. Als mögliches Beispiel nannte Sommaruga zudem ein Verbot, private Pools zu heizen. Das sei nur eine kleine Komforteinbusse, befand sie.

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Gibt es Vorgaben für private Haushalte, stellt sich die Frage der Kontrolle. Kommt dann die Schlafzimmer-Polizei, welche die Raumtemperatur kontrolliert? Die Kontrolle obliege den Kantonen, so Parmelin. Auch wenn es eine gewisse Kontrolle geben müsse, so wolle er keinen Überwachungsstaat, stellte Parmelin klar. Er konnte auch nicht ausschliessen, dass auch mal ein Nachbar eine Anzeige macht und die Polizei dann handeln müsste – so wie es auch während der Corona-Krise vereinzelt vorkam.

Folgt die Rückkehr ins Homeoffice?

Während der Corona-Krise wurde Homeoffice vielerorts zur Pflicht. Bei Bund und Kantonen, aber auch bei Unternehmen wird Homeoffice nun auch als Energiesparmassnahme wieder stärker ein Thema. Die Idee dahinter: Da im eigenen Heim sowieso geheizt wird, kann man gleich zu Hause arbeiten.

Das ermöglicht es, Verwaltungsgebäude gleich ganz oder zumindest teilweise nicht mehr zu heizen. Der Kanton Solothurn beispielsweise wälzt entsprechende Pläne. Und auch der Bund will mit gutem Beispiel vorangehen und prüfe derzeit, wie allenfalls Standorte der Bundesverwaltung zusammengelegt werden könnten, damit weniger geheizt werden muss – und wie dies mit mehr Homeoffice ergänzt werden könnte.

Wie wird die Energielücke künftig gefüllt?

Energieministerin Sommaruga sieht in der Energiekrise ein Signal, um jetzt vorwärtszumachen und mehr Energie in der Schweiz selbst zu produzieren. Im Fokus steht dabei der massive Ausbau der erneuerbaren Energien, allen voran Solarenergie, aber auch Wasser- und Windkraft.

«Mittlerweile ist allen klar geworden, wie wichtig es ist, die Abhängigkeit von Öl und Gas zu senken», sagte Sommaruga. Offen bleibt, ob die Ausbauoffensive reichen wird, um auch in den kommenden Jahren Mangellagen zu verhindern.

Umso mehr plädiert Sommaruga fürs Energiesparen. «Wir müssen aufhören, Energie zu verschwenden – auch das hilft, den Engpass zu vermeiden.»

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