Auf einen Blick
- Meldungen an VBS-Vertrauensstelle stiegen von 80 im Jahr 2022 auf 105 im Jahr 2024
- Ombudsmann kritisiert militärische Führungskräfte
- Nachrichtendienst und Bundesamt für Rüstung beschäftigen Vertrauensstelle stark
Nur gerade zwei Mitte-Politiker konnten sich die Nachfolge von Viola Amherd (62) im Bundesrat vorstellen. Die Bundesversammlung entscheidet am Mittwoch, ob Bauernchef Markus Ritter (57) oder der Zuger Regierungsrat Martin Pfister (61) in die Landesregierung einzieht. Knackpunkt für das geringe Interesse dürfte das frei werdende Verteidigungsdepartement (VBS) sein. Auf den Neuen an der Spitze des VBS warten viele schwierige Baustellen – und unzufriedenes Personal.
Das zeigen die Jahresberichte der Vertrauensstelle des VBS der letzten beiden Jahre, die SonntagsBlick vorliegen. Die Meldungen beim unabhängigen Ombudsmann haben stark zugenommen: von 80 Meldungen im Jahr 2022 über 95 im Jahr 2023 auf 105 im vergangenen Jahr. An die Vertrauensstelle wenden sich die Mitarbeitenden, wenn ihre Probleme nicht auf dem üblichen Dienstweg gelöst werden können. Bei mehr als der Hälfte der Fälle handelte es sich um Streit mit Vorgesetzten. Einige Beratungen dauern nur wenige Minuten, andere ziehen sich über Monate hin.
Unmut im Bundesamt für Rüstung
Pikant ist: In den letzten beiden Jahren haben alle über die Missstände beim Nachrichtendienst des Bundes (NDB) gesprochen. Direktor Christian Dussey (60) scheiterte beim Versuch, den Geheimdienst komplett umzubauen, krachend, zog den Unmut der Belegschaft auf sich und sorgte für einen Exodus bei den Geheimdienstlern. Tatsächlich sah sich der Ombudsmann zuletzt mit mehr als doppelt so vielen Meldungen aus dem NDB konfrontiert als noch 2022. Doch zugenommen haben die Konflikte am Arbeitsplatz nicht nur beim Geheimdienst, sondern in mehreren VBS-Bundesämtern.
Heraus sticht der Anstieg beim Bundesamt für Rüstung (Armasuisse). Haben sich 2022 noch zwei Mitarbeitende an die Vertrauensstelle gewandt, waren es letztes Jahr bereits elf. Wie der Geheimdienst wird auch Armasuisse einer grundlegenden Transformation unterzogen. Das führt zu Unproduktivität und nicht selten zu Frust. «Die Reorganisation Armasuisse ist trotz gutem Einbezug der Sozialpartner nicht ohne Reibungspunkte erfolgt», schreibt Ombudsmann Walter Mengisen (69) in seinem Bericht für das Jahr 2024.
Mehr zu den einzelnen Fällen sagen darf der ehemalige Vizedirektor des Bundesamts für Sport (Baspo) auf Anfrage nicht. Im Jahresbericht an VBS-Vorsteherin Amherd verweist der Leiter der Vertrauensstelle darauf, dass «mangelnde Wertschätzung» immer wieder als Grund für Konflikte angegeben werde, und mahnt deshalb gerade bei Reorganisationen zu Transparenz und guter Kommunikation.
Machokultur bei Führungspersonen
Kritisiert wird von der Vertrauensstelle das Machogehabe im Militär. Armeechef Thomas Süssli (58) war 2019 mit dem Auftrag angetreten, im Korps einen Kulturwandel herbeizuführen und den Frauenanteil deutlich zu erhöhen. Doch die Modernisierung ist wie bei den Rüstungsgütern auch hier nicht abgeschlossen. Reibungen und angemessenes Verhalten gibt es offenbar vor allem, wo in der Verwaltung militärische auf zivile Führungskultur trifft.
Mengisen hielt im Jahresbericht 2023 fest, dass die militärische Führungskultur immer wieder zu Konflikten speziell mit weiblichen Mitarbeitenden führe. Der Leiter der Vertrauensstelle folgert: «Es scheinen noch nicht ganz alle männlichen militärischen Führungskräfte mit den gesellschaftlichen Veränderungen im 21. Jahrhundert umgehen zu können.»
«Selten so schlechte Amtsführung erlebt»
Nach der Ersatzwahl für die abtretende Bundesrätin Amherd warten die Militärs und Geheimdienstlerinnen gebannt auf die Personalentscheide der neuen VBS-Spitze. Mit den Rücktritten von Armeechef Süssli und NDB-Direktor Dussey müssen zwei Schlüsselpositionen neu besetzt werden. Während Süsslis Rücktritt bei den Armeeangehörigen mehrheitlich bedauert wird, war Dusseys Abgang nach desaströsen Zustimmungswerten bei Mitarbeitendenbefragungen praktisch unausweichlich.
Der Personalverband des Bundes (PVB) würdigte die dreijährige Amtszeit des Genfers nach der Ankündigung seines Rücktritts wenig schmeichelhaft: «Noch selten hat der PVB eine derart schlechte Amtsführung erlebt», schrieb er in einer Mitteilung. Entsprechend gross ist das Unverständnis, dass Dussey den Schweizer Geheimdienst auf Wunsch von Amherd noch bis Ende März 2026 führen soll – obwohl er selbst den Dienst nach der ordentlichen Kündigungsfrist von sechs Monaten quittieren wollte.
Dass ihr Nachfolger im VBS diese Vereinbarung goutieren wird, ist fraglich. Im Bundeshaus werden bereits Rufe nach einer früheren Absetzung von Christian Dussey laut. Dieser wurde in seiner Handlungsfähigkeit als NDB-Chef sowieso bereits im vergangenen August stark eingeschränkt, als ihm der stellvertretende VBS-Generalsekretär als Führungscoach zur Seite gestellt wurde. Einen Aufpasser für den obersten Geheimdienstler des Landes – das gab es noch nie.
Weniger als ein Prozent betroffen
Trotz vieler Baustellen und Transformationsprojekte: Das Zeugnis der Vertrauensstelle für das VBS fällt genügend aus. Die Unternehmenskultur scheine «in der Regel» gut zu sein, schreibt der Ombudsmann, «hat aber nach wie vor Verbesserungspotenzial».
Die Zunahme der gemeldeten Konflikte bei der Vertrauensstelle will man beim Departement nicht dramatisieren. Stattdessen wird darauf verwiesen, dass die 105 Meldungen bei mehr als 12’000 Beschäftigten weniger als ein Prozent der Mitarbeitenden ausmachten.