Desaster im VBS
Amherds Personalpolitik wirft neue Fragen auf

Wie Bundesrätin Amherd mit den Abgängen von Armee- und Geheimdienstchef umgeht, wirft neue Fragen auf. Auch auf weiteren wichtigen Posten gibt es Lücken.
Publiziert: 02.03.2025 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 02.03.2025 um 08:16 Uhr
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Zu sonnigeren Zeiten: Bundesrätin Viola Amherd im Juni 2021 mit Armeechef Thomas Süssli (l.).
Foto: Keystone

Auf einen Blick

  • Es bleibt unklar, warum Bundesrätin Amherd so spät über die Kündigungen des Armeechefs und des Geheimdienstdirektors informierte.
  • Breite Kritik, dass der Direktor des Nachrichtendiensts noch so lange bleiben soll.
  • Im VBS reiht sich Abgang an Abgang.
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

Es bleibt das Geheimnis von Bundesrätin Viola Amherd (62), warum sie wochenlang zuwartete, bis sie das Regierungskollegium über die Kündigungen von zwei ihrer höchsten Mitarbeiter informierte. Bereits im Januar hatten Armeechef Thomas Süssli (58) und Nachrichtendienstdirektor Christian Dussey (60) der Vorsteherin des Verteidigungsdepartements (VBS) ihre Demission eingereicht.

Die offizielle Begründung fürs Zuwarten – es habe seither nur wenige Bundesratssitzungen gegeben und Geschäfte für das Gesamtgremium müssten gut vorbereitet sein – irritiert mehr, als sie klärt. Zu entscheiden gab es nichts, der Bundesrat musste die Kündigungen nur zur Kenntnis nehmen; und Sitzungen des Kollegiums gab es im Februar trotz Ferien und WEF.

Über das Zögern ärgerten sich auch hohe VBS-Kaderleute, die wegen einer Indiskretion am vergangenen Dienstag über die Medien von den Abgängen erfuhren. So soll Rüstungschef Urs Loher (58) ungehalten gewesen sein, dass ihm die Kündigungen wochenlang vorenthalten worden waren.

Ein Aufpasser an der Seite des NDB-Chefs

In einem Monat wird Amherds Nachfolger das VBS übernehmen. Trotzdem hat die Mitte-Bundesrätin den umstrittenen Geheimdienstchef Dussey – er wollte Ende Juni gehen – überredet, bis Ende März 2026 zu bleiben. Dabei erhielt Dussey in einer internen Personalbefragung im Nachrichtendienst (NDB) schlechte Noten. Das Departement stellte ihm wegen Kritik und Problemen bei der Umstrukturierung des NDB bereits vor längerer Zeit seinen stellvertretenden Generalsekretär Marc Siegenthaler zur Seite, und die parlamentarische Geschäftsprüfungsdelegation stellte im Herbst «ungelöste Herausforderungen» bei der Transformation fest. Deren Präsident, der Solothurner Mitte-Nationalrat Stefan Müller-Altermatt (48), betont, dass die Delegation die Wirksamkeit und Leistungsfähigkeit des NDB weiterhin «sehr eng beobachten» werde.

Das VBS hatte ursprünglich vorgesehen, Siegenthaler für einige Monate den NDB unterstützen zu lassen. Diese Massnahme wurde dann bis Ende Mai 2025 verlängert. Die Umstrukturierungen seien noch nicht abgeschlossen, begründet VBS-Sprecher Lorenz Frischknecht das Vorgehen: «Die Veränderungen stellen weiterhin eine Herausforderung dar.» Ziel sei es, die Transformation umzusetzen, während der NDB gleichzeitig seine regulären Aufgaben wahrnehme.

Weitere Lücken

Dass der kritisierte NDB-Direktor Dussey unter den gegebenen Umständen und unter Amherds Nachfolger noch ein Jahr im Amt bleiben soll, erstaunt. Zu dieser personellen Ungewissheit und der Demission von Armeechef Süssli kommen weitere Abgänge: Ende Jahr wird Süsslis Stellvertreter, Hans-Peter Walser (61), pensioniert, Luftwaffenchef Peter Merz (56) hat kürzlich gekündigt, und der beim Bundesamt für Rüstung Armasuisse mit der Beschaffung der F-35-Kampfjets betraute Darko Savic wechselt in die Privatwirtschaft.

Auch ein weiterer langjähriger Spezialist für Kampfjet-Beschaffungen hat eine neue Aufgabe übernommen. Peter Winter vertritt die Armasuisse nun in deren Büro in Washington. Das sei im Zug von Umstrukturierungen geschehen, sagt Sprecher Kaj-Gunnar Sievert. Für den F-35-Beschaffungsprozess hätten weder der Abgang von Savic noch von Winter Folgen.

Die Intimfeindschaft mit Keller-Sutter

Ein offenes Geheimnis ist, dass Verteidigungsministerin Viola Amherd und Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter (61, FDP) immer wieder aneinandergerieten. Am Mittwoch, als Amherd den Bundesrat über die Kündigungen orientierte, war Keller-Sutter abwesend. Zufall oder nicht, dass Amherd diese Sitzung für die unangenehme Kunde auswählte.

Bundesrätin Viola Amherd knallt Berichte auf den Tisch
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Während Medienkonferenz:Bundesrätin Viola Amherd knallt Berichte auf den Tisch

Das getrübte Verhältnis im Bundesrat beunruhigt das Parlament. Die Solothurner SP-Ständerätin Franziska Roth (58) sagt, das gegenseitige Vertrauen im Bundesrat und in der Verwaltung sei gebrochen. «Es wirkt, als möge man sich gegenseitig die Luft zum Atmen nicht mehr gönnen.» Dabei ginge es jetzt darum, strategische Vorgaben im Gremium zu erlassen.

Der Zürcher SVP-Nationalrat und Sicherheitspolitiker Mauro Tuena (53) bezeichnet die zahlreichen Kündigungen im VBS als «sehr beängstigend». Amherd hatte bereits früher mehrere personelle Abgänge von Führungspersonen, darunter auch etliche hohe Berufsoffiziere, zu verantworten.

Die SP will in der anstehenden Session eine parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) erwirken, um den Missständen im VBS auf den Grund zu gehen. SP-Fraktionschefin Samira Marti (31) sagt, Machenschaften bei der Ruag, anhaltende Beschaffungsprobleme sowie Führungsmängel könnten nur auf diese Weise ergründet werden.

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