Auf einen Blick
- Fünf SVP-Parlamentarier mussten bei der Immunitätskommission antraben
- Für Andreas Glarner wird es eng
- Handgemenge mit Bundespolizisten während Besuch des ukrainischen Parlamentspräsidenten – Entscheid vertagt
Ausgerechnet die SVP! Die Law-and-Order-Partei scheint ein gröberes Problem mit Recht und Ordnung zu haben. Gleich gegen fünf Mitglieder der Bundeshausfraktion will die Justiz ermitteln. Sie mussten am Montag alle bei der nationalrätlichen Immunitätskommission antraben.
Zumindest in einem Fall rückt die Anklagebank näher: Nationalrat Andreas Glarner (62) wurde wegen eines islamkritischen Tweets angezeigt, den er nach den Messerattacken von Mannheim und Solingen (D) verfasst hatte. Nun will die Berner Staatsanwaltschaft ein Verfahren wegen möglicher Rassendiskriminierung einleiten.
Die Immunitätskommission sieht keinen Zusammenhang von Glarners Tweet mit seinem Parlamentsmandat und ist gar nicht auf den Fall eingetreten. Sie hat mit 5 zu 4 Stimmen entschieden, dass die Glarner vorgeworfenen Äusserungen in den sozialen Medien nicht von der relativen Immunität geschützt sind. Entscheidet auch die ständerätliche Rechtskommission so, hat die Justiz freie Bahn.
Der Fall Chiesa und Keller
Aus dem Schneider sind hingegen der ehemalige Parteipräsident Marco Chiesa (50) sowie der damalige Nationalrat und SVP-Generalsekretär Peter Keller (53). Die Kommission ist zwar auf ihren Fall eingetreten, will die Immunität der beiden SVP-Männer aber nicht aufheben. Sie ist der Ansicht, dass die Wahlkampagnen in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem parlamentarischen Mandat von Chiesa und Keller steht und deshalb von der relativen Immunität geschützt ist.
Die Vorgeschichte: Mit Slogans wie «Tunesier griff mit Messer an» oder «Asyl-Migranten auf nächtlicher Autoeinbruchstour» hatte die SVP im Wahlkampf 2023 aus Kriminalmeldungen eine Kampagne gemacht. Darüber stand jeweils: «Neue Normalität?» Es folgten Strafanzeigen. Die Berner Staatsanwaltschaft wollte klären, ob die Kampagne gegen die Antidiskriminierungsnorm verstossen hat.
Im Fall von Chiesa hat auch die Rechtskommission des Ständerats bereits einen ersten Entscheid gefällt: Sie will seine Immunität wahren. Für Chiesa st die Sache damit abgeschlossen. Bei Keller muss der Ständerat noch entscheiden.
Das Beispiel erinnerte an einen Fall um den früheren SVP-Präsidenten Toni Brunner (50). Das Bundesgericht war zum Schluss gekommen, dass die SVP-Inserate «Kosovaren schlitzen Schweizer auf» gegen die Rassismusstrafnorm verstossen. Brunner hatte seine Immunität behalten, während der damalige Generalsekretär und seine Stellvertreterin verurteilt wurden. Ohne politisches Amt genossen die beiden auch keine Immunität.
Der Fall Aeschi und Graber
Noch keinen Entscheid hat die Kommission im Fall von Fraktionschef Thomas Aeschi (45) und Michael Graber (43) getroffen. Die beiden hatten im Bundeshaus für einen Eklat gesorgt: Sie lieferten sich während der Sommersession ein Handgemenge mit Bundespolizisten. Anlass war der Besuch des ukrainischen Parlamentspräsidenten. Aeschi und Graber wollten eine gesperrte Treppe passieren, auf der gerade ein Foto mit dem hohen Gast geschossen wurde – unbedingt. Auch von den Bundespolizisten wollten sie sich nicht aufhalten lassen – ein Fehler.
Aeschi argumentierte, dass die parlamentarische Arbeit vor ausländischen Staatsbesuchen Vorrang habe. Die Bundesanwaltschaft scheint es anders zu sehen. Sie ersucht darum, die Immunität von Aeschi und Graber aufzuheben. So könnte ein formelles Strafverfahren gegen die beiden wegen Behinderung einer Amtshandlung eingeleitet werden.
Aeschi machte bei der Anhörung durch die Kommission geltend, dass er direkt körperlich angegangen worden sei, ohne zuvor auf das Durchgangsverbot hingewiesen worden zu sein. Graber fügte dem laut der Kommissionsmitteilung hinzu, dass dieses Verbot auch nicht im Vorfeld durch die Parlamentsverwaltung kommuniziert worden sei. Er habe ferner das Gespräch gesucht und dabei zur Deeskalation der Situation beigetragen.
Die Immunitätskommission will nun zuerst bei der Verwaltungsdelegation weitere Abklärungen treffen. Dabei geht es auch um die Frage, ob die beiden Nationalräte die Sicherheitsvorschriften für das Gebäude verletzt haben. Erst danach will die Kommission definitiv über die Immunitätsfrage der beiden entscheiden.