Auf einen Blick
- Helene Budliger Artieda führt Verhandlungen für ein Lohnschutz-Massnahmenpaket
- Seco-Chefin nutzt unkonventionelle Methoden und Pilotprojekte
- Über 60 Gesprächsrunden mit Gewerkschaften, Arbeitgebern und Kantonen geführt
Beim EU-Deal geht es nun um die Wurst! Noch im März soll der Bundesrat ein Paket mit innenpolitischen Massnahmen eintüten, um den Lohnschutz zu sichern und die Gewerkschaften ins Boot zu holen. Gelingen soll das Meisterstück Helene Budliger Artieda (59), der Chefin des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) – und derzeit spannendsten Beamtin in Bundesbern!
2022 wurde sie von SVP-Wirtschaftsminister Guy Parmelin (65) in das Amt gehoben. Ein Überraschungscoup, hatte sie damals doch kaum jemand auf dem Radar. Sie weist nämlich alles andere als eine klassische Wirtschaftskarriere aus.
Ursprünglich absolvierte sie die Handelsmittelschule in Zürich und liess sich im Anschluss im Aussendepartement EDA intern zur konsularischen Mitarbeiterin weiterbilden. Sie studierte Betriebswirtschaft an der Universidad Externado de Colombia in Bogotá (Kolumbien). Nach Jahren als Direktorin für Ressourcen im EDA wechselte sie schliesslich als Botschafterin nach Südafrika und im Anschluss nach Thailand.
Quereinsteigerin mit viel Spielraum
Doch als Quereinsteigerin brachte sie eine neue Sichtweise in die festgefahrenen Seco-Strukturen. Und in der heiklen Lohnschutzfrage genoss sie das Vertrauen ihres Chefs. Parmelin habe den Prozess eng begleitet und sich immer wieder informieren lassen, sagt Budliger zu Blick. «Wenn nötig, griff er aber auch selber zum Telefon.»
Budliger nutzte den ihr gewährten Spielraum, um das heisse Eisen in über 60 Gesprächsrunden mit Gewerkschaften, Arbeitgebern und Kantonen anzupacken. Im Bewusstsein darum, dass der Lohnschutz zum Knackpunkt für den ganzen EU-Deal wird. «Beim Lohnschutz bedeutet das Abkommen einen Rückschritt, deshalb braucht es ausreichende innenpolitische Massnahmen», betont sie immer wieder.
Gegen eine unheilige Allianz aus SVP und Gewerkschaften hätten die Bilateralen III in einer Volksabstimmung nämlich keine Chance. Deshalb muss die Seco-Chefin die Sozialpartner auf eine Linie bringen. Eine wichtige Etappe war mit einer «gemeinsamen Verständigung» der Sozialpartner geschafft. Letzte Woche präsentierte der Bundesrat ein Paket mit 13 innenpolitischen Lohnschutzmassnahmen: von einer Verbesserung der Meldeverfahren über die gesetzliche Fixierung der Schweizer Spesenregelung bis hin zur Absicherung der bereits heute als allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträge.
«Sie will den Pokal gewinnen»
Bis es so weit war, flogen nicht nur hinter verschlossenen Türen die Fetzen, auch über die Medien führten Gewerkschaften und Arbeitgeber immer wieder einen harten Schlagabtausch. Budliger war dabei nicht nur neutrale Moderatorin.
Vielmehr ist spürbar, dass sie mit einer Lohnschutzlösung den wackligen EU-Deal retten will. «Sie will den Pokal für jene in der Verwaltung gewinnen, welche den EU-Deal ins Ziel bringen», beschreibt eine involvierte Person ihren Ehrgeiz.
Im Dezember trafen sich die damalige Bundespräsidentin Viola Amherd (62) und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (66) in Bern, um den Abschluss der Verhandlungen zu feiern. Das sind die wichtigsten Punkte
- Mit dem neuen Abkommen sollen die Spielregeln genauer festgelegt werden: Bei einzelnen Abkommen, wie zum Beispiel der Personenfreizügigkeit übernimmt die Schweiz EU-Recht. Volk oder Parlament können das ablehnen – dann drohen Strafen. Darüber entscheidet schlussendlich ein Schiedsgericht, dass den EU-Gerichtshof beizieht. Entscheiden wird das Schiedsgericht.
- EU-Bürger können in die Schweiz ziehen und hier arbeiten. Der Bund hat hier aber Ausnahmen erreicht, zum Beispiel bei Landesverweisungen für Straftäter und dem Aufenthaltsrecht. Der Lohnschutz soll über ein dreistufiges Konzept gesichert werden. Künftige Anpassungen, die das Schutzniveau verschlechtern, muss die Schweiz nicht übernehmen.
- Die bisherige Schutzklausel bei der Einwanderung wird konkretisiert. Die Schweiz kann sie einseitig aktivieren.
- Künftig dürfen auch ausländische Bahnen wie Flixtrain auf Schweizer Schienen fahren.
- Neue Verträge gibt es unter anderem beim Strom, der Gesundheit oder Lebensmittelsicherheit.
- Die Schweiz darf wieder bei EU-Programmen wie dem Studenten-Austauschprogramm Erasmus mitmachen.
- Die Schweiz überweist ab 2030 jährlich 350 Millionen Franken. Das Geld fliesst in Entwicklungsprojekte in EU-Ländern wie Bulgarien, Estland oder Kroatien.
Zum ausführlichen Artikel geht es hier.
Im Dezember trafen sich die damalige Bundespräsidentin Viola Amherd (62) und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (66) in Bern, um den Abschluss der Verhandlungen zu feiern. Das sind die wichtigsten Punkte
- Mit dem neuen Abkommen sollen die Spielregeln genauer festgelegt werden: Bei einzelnen Abkommen, wie zum Beispiel der Personenfreizügigkeit übernimmt die Schweiz EU-Recht. Volk oder Parlament können das ablehnen – dann drohen Strafen. Darüber entscheidet schlussendlich ein Schiedsgericht, dass den EU-Gerichtshof beizieht. Entscheiden wird das Schiedsgericht.
- EU-Bürger können in die Schweiz ziehen und hier arbeiten. Der Bund hat hier aber Ausnahmen erreicht, zum Beispiel bei Landesverweisungen für Straftäter und dem Aufenthaltsrecht. Der Lohnschutz soll über ein dreistufiges Konzept gesichert werden. Künftige Anpassungen, die das Schutzniveau verschlechtern, muss die Schweiz nicht übernehmen.
- Die bisherige Schutzklausel bei der Einwanderung wird konkretisiert. Die Schweiz kann sie einseitig aktivieren.
- Künftig dürfen auch ausländische Bahnen wie Flixtrain auf Schweizer Schienen fahren.
- Neue Verträge gibt es unter anderem beim Strom, der Gesundheit oder Lebensmittelsicherheit.
- Die Schweiz darf wieder bei EU-Programmen wie dem Studenten-Austauschprogramm Erasmus mitmachen.
- Die Schweiz überweist ab 2030 jährlich 350 Millionen Franken. Das Geld fliesst in Entwicklungsprojekte in EU-Ländern wie Bulgarien, Estland oder Kroatien.
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So unkonventionell ihre Wahl zur Seco-Chefin war, so unkonventionell geht sie bei Verhandlungen vor. «Sie macht einfach mal und schaut, was sich daraus ergibt», heisst es. So hat sie Baustellenkontrollen begleitet, Studienreisen nach Österreich organisiert oder in der Region Basel einen Pilotversuch zur Vier-Tage-Regel lanciert. Ebenso wurden Themen diskutiert, die früher tabu waren. Und die der einen oder andern Seite die Haare zu Berge stehen liessen. Etwa ein Baustellenstopp bei Verstössen, der aber wieder vom Tisch gefegt wurde.
Budliger sei eine Ausnahmeerscheinung, heisst es von Insidern. Sie sei «sehr hartnäckig», höre jedoch beiden Seiten zu und lote immer wieder aus, wo sich Berührungspunkte und Kompromisse finden lassen. Eine, die den Verhandlungspartnern auch mal die Leviten liest oder sie zur Räson ruft. Oder sie zu Boden «schnurret», bis alle nudelfertig sind.
«Ich habe auch mal auf den Tisch geklopft»
«Ja, ich habe auch mal auf den Tisch geklopft», bestätigt Budliger. Und lachend fügt sie hinzu: «Die Sozialpartner waren manchmal wie ein altes Ehepaar, das sich zankt, den Alltag aber dann doch gemeinsam gut meistert.» Ob es sich auch diesmal findet? Budliger lässt sich nicht auf die Äste hinaus: «Wir sind weit gekommen, es kann aber auch noch schieflaufen. Ein gehässiges Wort zum falschen Zeitpunkt kann alles wieder ins Wanken bringen.»
Noch ist das Paket nicht im Trockenen. Noch stehen weitere Massnahmen zur Debatte. Welche, das will Budliger nicht verraten. Allerdings dürfte es um einen besseren Kündigungsschutz für Arbeitnehmervertreter in Personalkommissionen gehen, auf welche Gewerkschaftsboss Pierre-Yves Maillard (56) im Blick-Interview gepocht hat. Damit könnte es also auf ein 14-Punkte-Paket hinauslaufen.
Entscheid am 21. März?
Dem Vernehmen nach soll sich der Bundesrat an seiner Sitzung vom 21. März über die Vorlage beugen. Bis dahin müssen auch die entsprechenden Gesetzesentwürfe und Dokumente pfannenfertig vorliegen, um diese in die Vernehmlassung zu geben. Wer am Schluss mit wem im Boot sitzt, wird sich aber erst entscheiden, wenn sich auch das Parlament mit dem ganzen EU-Paket befasst hat. Mit dem Volk als letzte Hürde.