Nach einem monatelangen Geknorze steht das Geschäftsmiete-Gesetz vor dem Aus. Mit 100 zu 87 Stimmen bei sieben Enthaltungen lehnt der Nationalrat das neue Gesetz in der Gesamtabstimmung ab. Eine Mehrheit aus SVP, FDP und CVP hatte sich durchgesetzt.
«Wir haben bereits eine Lösung mit der Härtefallregelung im Covid-19-Gesetz», brachte CVP-Nationalrat Philipp Matthias Bregy (42, VS) den Widerstand der Gegner auf den Punkt. SP-Nationalrätin Jacqueline Badran (59, ZH) hingegen ärgerte sich: «Es ist himmeltraurig, was die Bürgerlichen hier veranstaltet haben – ein gewerbefeindliches Trauerspiel.» Es gehe doch bloss um 1,6 Prozent Jahresmiete-Ausfall in einer margenstarken Branche.
Chaos in der Detailberatung
Zuvor war in der Detailberatung immer wieder von «Chaos», «Intrige» und «Flickenteppich» die Rede. Denn noch im Sommer hatten sich die beiden Räte auf eine Kompromissformel geeinigt: 40 Prozent sollen die Mieter tragen, 60 Prozent die Vermieter – für Geschäftsmieten bis 20'000 Franken monatlich.
Doch in den Monaten darauf wuchs der Widerstand. Gegen den Willen der nationalrätlichen Rechtskommission trat die grosse Kammer im Oktober knapp auf die Vorlage ein. Daraufhin erarbeitet die Rechtskommission ein völlig neues Konzept. Von einem Mieterlass von 50 Prozent sollten nur Härtefälle profitieren, die wegen der Corona-Massnahmen des Bundes in eine wirtschaftliche Notlage geraten sind. Dafür sollte die Dauer des Mieterlasses zeitlich nicht auf den Lockdown beschränkt werden. Das Schräge daran: Die Kommission empfahl ihren eigenen Vorschlag zur Ablehnung.
Rettungsversuch von Mitte-links
Die Mieterlass-Befürworter wiederum versuchten vergeblich, die Vorlage mit einem weiteren Schritt auf die Gegner zu noch zu retten. In einem Einzelantrag schlugen Grünen-Nationalrätin Florence Brenzikofer (45, BL), SP-Nationalrat Baptiste Hurni (34, NE) und EVP-Nationalrat Nik Gugger (50, ZH) einen Mieterlass von 50 statt 60 Prozent vor. Ansonsten sollte der Rat der bundesrätlichen Vorlage folgen.
«Vielen Betrieben droht der Konkurs», sagte Brenzikofer. «Wenn wir verhindern wollen, dass Gewerbetreibende in den Konkurs geschickt werden, nur weil sie ihre Mieten nicht bezahlen können, braucht es eine nationale Lösung.» Die Antragsteller zeigten sich denn auch bereit, einige Kröten zu schlucken. So wird der Anspruch auf die Zeit des Lockdowns von 17. März bis 21. Juni beschränkt. Ausser beim Verteilschlüssel, übernehmen sie vollständig den Bundesratsvorschlag. «Wir werden die bittere Pille schlucken, da eine kleine Hilfe immer noch besser ist als gar nichts», so SP-Mann Hurni.
Doch von dieser Variante wollte die bürgerliche Mehrheit nichts wissen. In eine Kaskade von Abstimmungen hielten sie an den Vorschlägen der Kommissionsmehrheit fest. In einzelnen Punkten hingegen kam Mitte-links knapp durch. Am Schluss lag eine völlig «widersprüchliche in inkonsistente Vorlage vor, wie SVP-Nationalrat Hans-Ueli Vogt (50, ZH) als Kommissionssprecher konsterniert feststellte.
Im Ständerat droht ebenfalls ein Nein
Nun ist der Ständerat am Zug. Dort zeichnet sich ebenfalls ein Nein ab. So empfiehlt die vorberatende Kommission mit 8 zu 5 Stimmen, erst gar nicht darauf einzutreten. Die kleine Kammer entscheidet am Mittwochvormittag darüber. Sagt der Ständerat Nein, ist das Geschäft definitiv vom Tisch.
Auch der Bundesrat ist gegen die Vorlage und verweist auf einen kürzlich erschienenen Bericht, wonach derzeit wenige Hinweise für umfassende Schwierigkeiten bei Geschäftsmietern bestehen.
Kantonale Regelungen
Beim einem Scheitern sind die Mieter auf den Goodwill der Vermieter angewiesen. Oder der Kantone – denn einige haben bereits eigene kantonale Regelungen erlassen.
Im Kanton Baselland beispielsweise sagte das Stimmvolk am letzten Sonntag Ja zu Mietzinserleichterungen für Geschäfte, die von der ersten Welle der Corona-Krise stark betroffen waren. Die Unternehmen werden nun rückwirkend unterstützt. Der Kanton übernimmt ein Drittel der Miete, wenn der Vermieter seinerseits auf ein Drittel der Mietzinseinnahmen verzichtet.