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Einmal Ja, einmal Nein beim Mieterlass
Die Mitte auf Zickzack-Kurs

Noch im Sommer hatte die CVP dafür gesorgt, dass bei den Geschäftsmieten gesenkt werden können. Nun sieht es so aus, als wolle die Partei die Vorlage bachab schicken.
Publiziert: 24.10.2020 um 23:56 Uhr
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Aktualisiert: 30.11.2020 um 18:19 Uhr
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Die meisten Geschäfte waren während des Lockdowns im Frühling gezwungen, ihre Türen zu schliessen.
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Camilla Alabor

CVP-Präsident Gerhard Pfister war nicht zufrieden mit seinen Parteikollegen. Und tat das öffentlich kund. Es war im Mai, das Parlament kam nach einer wochenlangen Schockstarre zum ersten Mal zusammen und behandelte die umstrittene Frage: Sollen Mieter von Geschäften entschädigt werden, die während des Lockdowns schliessen mussten? SVP und FDP waren skeptisch, die Linke dafür, und so spielte die CVP wieder mal eine Schlüsselrolle.

Tatsächlich kam mit Unterstützung der CVP eine Lösung zustande – oder besser: zwei Lösungen. Denn National- und Ständerat präsentierten jeweils einen eigenen Vorschlag, wie man den Mietern aus der Klemme helfen könnte. Allerdings schafften es die Parteimitglieder nicht, sich auf einen Vorschlag zu einigen. So dass die Sondersession ohne Lösung zu Ende ging.

«Schlecht gearbeitet»

Das zog besagte Rüge von Parteichef Pfister nach sich, der davon sprach, man habe «schlecht gearbeitet». Woraufhin sich die Partei in der Sommersession dazu durchrang, einen leicht angepassten Kompromiss zu unterstützen. Dieser sah vor, dass Mieter nur 40 Prozent der Mieten zahlen müssen, sofern der Mietzins weniger als 15’000 Franken beträgt. Die Linke jubelte – und viele Kleinunternehmer mit ihnen.

Nächste Woche nun beugt sich der Nationalrat erneut über die Geschäftsmieten, nachdem der Bundesrat – gegen seinen Willen – ein Gesetz dazu hat ausarbeiten lassen. Erneut dürfte die CVP das Zünglein an der Waage spielen. Nur: Dieses Mal könnte die Partei dafür sorgen, dass die Vorlage bachab geschickt wird. Denn die CVP-Nationalräte der vorberatenden Kommission empfehlen, auf die Vorlage gar nicht erst einzutreten.

Was war geschehen?

Mit ein Grund für das Njet ist, dass nicht länger die Wirtschaftskommission für das Geschäft verantwortlich ist, sondern die Rechtskommission. Deren CVP-Mitglieder standen einer staatlichen Lösung seit jeher skeptisch gegenüber, womit sie nicht alleine sind: die Aussicht eines staatlichen Eingriffs in private Mietverhältnisse hatte schon im Vorfeld dafür gesorgt, dass die Begeisterung für die Vorlage CVP-intern eher lauwarm ausgefallen war. Entsprechend fiel es Walliser Philipp Bregy (42) nicht schwer, vom Ja- ins Nein-Lager zu wechseln.

An seiner Haltung ändert auch der jüngste Quasi-Lockdown in seinem Heimatkanton nichts, wie Bregy bekräftigt: «Es kann nicht Aufgabe des Staates sein, sich ins Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter einzumischen.» Auch habe die Erfahrung gezeigt, dass sich die befürchtete Flut von Gerichtsverfahren nach dem ersten Lockdown ausgeblieben sei. «Das zeigt: Die meisten Mieter und Vermieter haben gute Lösungen gefunden.»

Dieser Meinung ist auch Fraktionschefin und Ständerätin Andrea Gmür-Schönenberger (56, LU). Sie verweist auf den Monitoringbericht des Bundesrats von Anfang Oktober, gemäss dem rund 60 Prozent der Mieter und Vermieter zwischenzeitlich eine Lösung gefunden haben. Das zeige, dass die Situation heute eine andere sei als im Mai, sagt Gmür-Schönenberger: «Handlungsbedarf drängt sich nicht auf». Zudem seien viele Kantone bereits mit eigenen Lösungen in die Bresche gesprungen.

Ganz anderer Meinung ist ihr Parteikollege Fabio Regazzi (58), der sich für einen Kompromissvorschlag ins Zeug gelegt hatte. «Es gibt keinen Grund, das Gesetz abzulehnen», sagt er. «Im Gegenteil: Angesichts der Möglichkeit eines zweiten Lockdowns ist eine Lösung noch dringender.» Die Tatsache, dass sich viele Mietparteien privat bereits gefunden hätten, spreche nicht gegen das Gesetz. «Dieser Kompromiss ist für jene Fälle gedacht, wo es keine Lösung gibt.»

Viele Mieter stehen immer noch ohne Lösung da

Unterstützung erhält der Tessiner vom Mieterverband, Gastrosuisse und dem Verband der Coiffeure. Sie empfehlen den Parlamentariern in einem gemeinsamen Brief, auf das Gesetz einzutreten. Anders als der Bundesrat kommen die Verbände aufgrund desselben Berichts zum Schluss, dass es immer noch viele gewerbliche Mieter gebe, «die keine Lösungen haben», wie es in einem Schreiben heisst, das Sonntagsblick vorliegt. Ohne politische Lösung «besteht die Gefahr zahlloser Gerichtsfälle, welche (...) betroffene Unternehmen in Konkurs treiben werden».

Trotz des Appells der betroffenen Branchen dürfte die Versuchung innerhalb der CVP gross sein, das Projekt still und leise zu begraben. Zumal die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit dieser Tage eher bei den Corona-Fallzahlen als den Geschäftsmieten liegt. Bei einem Nein wird allerdings der Vorwurf, man fahre einen Zickzackkurs, nicht lange auf sich warten lassen. Sowie, womöglich, eine weitere Rüge des Partei-Chefs.

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