Im Streit um den Mieterlass für während der Corona-Krise zwangsgeschlossene Restaurants und Läden haben sich die beiden Räte gefunden: 40 Prozent sollen die Mieter tragen, 60 Prozent die Vermieter – dies gilt für Geschäftsmieten bis 20'000 Franken monatlich.
Doch der Kompromiss steht auf wackligen Füssen. Im Nationalrat kam er zwar mit 98 zu 84 Stimmen bei 12 Enthaltungen durch, doch im Ständerat entschied ein Zufallsmehr von 20 zu 19 Stimmen bei 4 Enthaltungen. Im Stöckli wird das Eis zunehmend dünner: In der Sondersession war die Mehrheit für einen abgeschwächten Vorschlag mit 23 zu 19 Stimmen noch deutlicher.
Gegner spielen auf Zeit
Der Sinneswandel hat auch mit CVP-Ständerat Daniel Fässler (59, AI) zu tun. Der Präsident des Verbands Immobilien Schweiz hatte in der Corona-Session noch engagiert für die sanftere Variante geweibelt, die einen maximalen Mieterlass von 5000 Franken für je zwei Monate vorsah. Der neue Kompromiss geht Fässler zu weit. Mit seinem Widerstand säte er Zweifel bei den CVP-Ständeräten – nur gerade fünf von zwölf stimmten noch mit Ja.
Die Gegner geben die Hoffnung deshalb nicht auf, den Deal doch noch zu kippen. Der Zeitfaktor spielt ihnen in die Karten: Je länger eine gesetzliche Lösung fehlt, umso länger dauert die Verunsicherung an. Manche Mietparteien werden sich vielleicht doch noch gütlich einigen. Anderen wird vorher der Schnauf ausgehen. Je weniger Betroffene, umso unnötiger das Gesetz.
Was den meisten nicht klar ist: Nur weil das Parlament Ja gesagt hat zum Deal, tritt dieser noch lange nicht in Kraft. Denn zuerst muss Wirtschaftsminister Guy Parmelin (60) ein Gesetz zimmern, der den Deal festhält.
Linke will Gesetz im Herbst
Mieterverbands-Generalsekretärin Natalie Imboden (49) warnt denn auch: «Wer Ende Juni die Miete für den August nicht bezahlen kann, dem kann mit einer Frist von mindestens 30 Tagen auf Ende eines Monats gekündigt werden.» Es brauche rasch Klarheit, um Kündigungen und Konkurse zu verhindern.
Imboden drängt auf eine dringliche Gesetzesvorlage in der Herbstsession im September. Bei der Luftfahrt-Unterstützung habe man innert Wochen eine Vorlage geschaffen, moniert sie. «Das muss auch beim Mieterlass möglich sein. Alles andere wäre Verzögerung. Wir erwarten vom Bundesrat jetzt speditives Handeln!»
Schon in dieser Session erhöht die Linke den Druck auf Parmelin. Für die Fragestunde vom Montag sind bereits entsprechende Vorstösse von Grünen-Nationalrätin Manuela Weichelt-Picard (52, ZG) und SP-Nationalrat Cédric Wermuth (34, AG) deponiert. «Die Situation ist jetzt akut», so Wermuth. «Wir müssen vermeiden, dass die Konkurse schon alle durch sind, wenn das Gesetz kommt.»
Parmelin nimmts gemächlich
Parmelin hat sich bisher vehement gegen ein Mieterlass-Gesetz gewehrt. In der Ständeratsdebatte zeichnete er einen gemächlichen Fahrplan. Eine Botschaft an das Parlament sei bestenfalls Mitte September möglich. Die Räte könnten die Vorlage «nicht vor der Wintersession» behandeln.
Gegenüber BLICK erklärt das Wirtschaftsdepartement, dass Parmelin dem Bundesamt für Wohnungswesen bereits den Auftrag erteilt hat, eine Vorlage auszuarbeiten. Dass der Bundesrat mit einer Notverordnung aufs Gas drückt, komme aber nicht in Frage, so Sprecherin Evelyn Kobelt. Die Voraussetzungen dafür «sind ganz offensichtlich nicht erfüllt».
Es seien aber verkürzte Fristen und eine verkürzte Vernehmlassung vorgesehen, damit der Bundesrat «bis circa Mitte September dem Parlament die Botschaft vorlegen kann». Für die Herbstsession reicht das aber nicht. Bestenfalls würde also in der Wintersession ein dringliches Gesetz verabschiedet und rasch in Kraft gesetzt.
CVP-Fässler erwartet «Bürokratiemonster»
Die Hürde für das neue Gesetz bleibt aber hoch – und wird von Monat zu Monat höher. «Wirklich entschieden wird erst, wenn die Vorlage des Bundesrates beraten wird», sagt CVP-Mann Fässler. Er denkt dabei etwa auch an das geplante Mieten-Monitoring: «Gut möglich, dass dieses aufzeigt, dass eine staatliche Regelung gar kein Bedürfnis mehr ist.»
Und er gibt noch etwas anderes zu bedenken: «Die Umsetzung wird komplex. Wenn sich das geplante Gesetz als Bürokratiemonster entpuppt, kann die Mehrheit kippen und die Vorlage würde definitiv versenkt.»