Auf einen Blick
- Wasserversorger besorgt über Pestizidrückstände im Grundwasser
- Bauernverband fordert Einsatz verbotener Pestizide, bis Ersatz verfügbar ist
- Knapp 700 Zulassungsgesuche für neue Wirkstoffe stapeln sich beim Bund
Wasserversorger sind um die Qualität des Trinkwassers in der Schweiz besorgt. Der Grund: Rückstände von Pflanzenschutzmitteln im Grundwasser. Zwar haben sich Bundesrat und Parlament in der Debatte um die Pestizid- und die Trinkwasser-Initiative auf einen ambitionierten Absenkpfad verständigt. Doch der Wind hat inzwischen wieder gedreht. Das Parlament will die Zulassung von neuen Pestiziden vereinfachen.
Mittel, die in der EU zugelassen sind, sollen ohne erneutes Prüfungsverfahren auch in der Schweiz eingesetzt werden dürfen. Eingereicht hat die Forderung Mitte-Fraktionschef Philipp Matthias Bregy (46) mit einer parlamentarischen Initiative. Bregy begründet den Vorstoss mit einem Stau bei der Zulassung neuer Wirkstoffe, aufgrund dessen Landwirte um ganze Kulturen bangen müssten. Knapp 700 Zulassungsgesuche stapelten sich beim Bund, während immer mehr Pestizide verboten würden.
Umweltorganisationen und Wissenschaftler schlagen wegen der Pestizid-Pläne Alarm: Sie warnen vor der Gefahr weiterer hochgiftiger Stoffe im Grundwasser.
Bauernverband macht Druck
Auf der anderen Seite pocht der Bauernverband auf weitreichendere Lockerungen. Das zeigt ein Lobby-Schreiben des Bauernverbands an die Mitglieder der Wirtschaftskommission (WAK), das SonntagsBlick vorliegt. Mit Präsident Markus Ritter (57) sitzt der mächtige Chef-Lobbyist des Bauernverbands gleich selbst in der WAK.
Ritter befindet sich derzeit im Wahlkampf, er will für die Mitte-Partei die Nachfolge von Viola Amherd (62) im Bundesrat antreten. Zu den Forderungen seines Verbands äussert er sich nicht. Dabei haben es diese in sich: Der Bauernverband will, dass auch verbotene Pflanzenschutzmittel weiter eingesetzt werden dürfen, solange kein gleichwertig wirksamer Ersatz zugelassen wurde.
Von einem solchen Verbotsmoratorium könnten beispielsweise Wirkstoffe wie S-Metolachlor oder Chlorothalonil betroffen sein. Der Einsatz des Herbizids S-Metolachlor wurde letztes Jahr verboten, nachdem es als «vermutlich krebserregend» eingestuft worden war. Dasselbe gilt für Pflanzenschutzmittel mit dem Wirkstoff Chlorothalonil, der Bund hat das Fungizid 2020 wegen Gesundheitsbedenken aus dem Verkehr gezogen. Für beide Wirkstoffe gibt es auf dem Schweizer Markt derzeit keinen gleichwertigen Ersatz.
Martin Rufer (48), Direktor des Bauernverbands, verteidigt die radikale Forderung, den Einsatz verbotener Pestizide gesetzlich zu ermöglichen. Es handle sich um einen Hilferuf der Branche, um einen Versuch, den nötigen Druck für schnellere Zulassungsverfahren aufzusetzen. «Wir brauchen endlich und dringend alternative Wirkstoffe, und wenn sie nicht kommen, müssen wir leider mit den alten weiterarbeiten können», sagt er.
Badran nennt Bauern-Pläne «grob fahrlässig»
Jacqueline Badran (63) sitzt für die SP in der Wirtschaftskommission. Die Forderungen von Ritters Bauernverband nennt sie «grob fahrlässig». Die Vorlage an sich sei «ein krasser Wortbruch», sagt die Zürcher Nationalrätin. «Nach dem Nein zur Trinkwasser- und Pestizid-Initiative wurde hoch und heilig versprochen, den Pestizideinsatz zu reduzieren, jetzt passiert das Gegenteil», sagt Badran.
Mitte-Fraktionschef Bregy glaubt hingegen, dass mit einer einfacheren Zulassung nicht mehr, sondern modernere und teilweise ökologischere Pflanzenschutzmittel eingesetzt würden. Die Forderung des Bauernverbands, auch verbotene Wirkstoffe einsetzen zu können, bis ein Ersatz vorliegt, kann er nachvollziehen. Die Umsetzung seiner Initiative sei aber nicht die geeignete Vorlage, um das zu lösen, sagt Bregy. Dafür brauche es umfassendere Abklärungen.