Auf einen Blick
- Markus Ritter kandidiert für Bundesrat
- Er gilt als mächtiger Strippenzieher im Parlament
- Ritter führt Bauernverband stramm
Markus Ritter (57) fordert alles für «seine Bauern», wie er sie nennt. Und marschiert mit seinen Forderungen im Parlament durch. Schon bald könnte sich der angriffslustige Bauernboss um die Schweizer Landesverteidigung kümmern: Der Präsident des Bauernverbandes will Bundesrat werden.
Am Dienstagvormittag wird er in St. Gallen vor den Medien höchstwahrscheinlich seine Kandidatur bekannt geben. Ritter ist der Erste, der sich für die Nachfolge der abtretenden Verteidigungsministerin Viola Amherd (62) in Stellung bringt. Und es ist wenig Konkurrenz in Sicht: Bisher hagelte es aus der Mitte-Partei Absagen. Wer ist der Einzige, der für die Mitte in die Landesregierung will?
Der mächtige Strippenzieher
Der St. Galler Nationalrat zählt schon jetzt zu den mächtigsten Strippenziehern unter der Bundeshauskuppel. Darüber ist man sich in Bundesbern einig. Er will die ökologische Wende in der Landwirtschaft verhindern und gibt dafür vollen Einsatz. 2021 versenkte er eine bereits ausgearbeitete Agrarreform, er bodigte die Pestizid-, Trinkwasser- und Massentierhaltungs-Initiative, und erst vergangenen Sommer kübelte er wieder eine neue Vorschrift für mehr Öko-Flächen auf Äckern. Seine Fähigkeit, der Landwirtschaft trotz Sparauftrag zusätzliche Millionen zuzuschanzen, ist legendär.
Der Zweck heiligt für Ritter viele Mittel. Um die Bauernlobby noch mächtiger zu machen, spannte Ritter die Wirtschaft vor den Karren. 2022 schloss der Bauernverband eine Allianz mit den grossen Wirtschaftsverbänden. Von den Linken wird sie als «Geld-und-Gülle-Allianz» verspottet – aber sie wirkt. Bei den letzten Wahlen stellten die Bauern Plakate der Wirtschaftsverbände auf, im Gegenzug pumpten diese Geld in die Kampagne. Ein Dutzend Bäuerinnen und Bauern wurde neu ins Parlament gewählt.
«Ein Schnelldenker»
Wenn der oberste Bauer etwas ins Auge gefasst hat, dann kriegt er es normalerweise auch. Ritter ist aber keiner, der einfach durchmarschiert. Hinter seinem Erfolg stehen Fleiss, Taktik und auch viel Gspüri. «Ritter wird immer so viel Macht zugesprochen. Aber das Wort ‹Macht› finde ich nicht angebracht. Er ist ein Schaffer, sehr fleissig und dossierfest», sagt Andreas Aebi (66), ehemaliger Nationalrat der SVP. Im grossen Finale ums Präsidium des Bauernverbandes unterlag er Ritter knapp.
«Ritter ist ein Schnelldenker», sagt auch SVP-Nationalrat Alois Huber (62). Huber ist Vizepräsident des Schweizer Bauernverbandes und arbeitet eng mit Ritter zusammen. «Während der Präsidiumssitzung muss man dabeibleiben, er fordert uns alle.» Der Bauernverband sei unter Ritter aber vor allem so stark geworden, weil Ritter ein Flair dafür habe, die richtigen Leute für die richtigen Positionen auszusuchen. Und weil er die Basis spüre: «Er kennt die Ansprüche, Ängste und Nöte der Leute, die er vertritt. Ich habe noch nie einen Bauernpräsidenten erlebt, der bei der Basis so breit akzeptiert wurde.»
Widerstand wird bestraft
Auch unter den Bauernvertretern und -vertreterinnen in der Politik wird Ritter kaum kritisiert. Viele von ihnen sind mit Ritters Bauernverband verbandelt. Und diesen führt Ritter stramm: «Er ist sehr direkt und sehr streng», sagt Huber. «Er verlangt, dass die Leute gut und viel arbeiten.» Bei Ritter ist alles koordiniert, und das scheint sein Erfolgsrezept zu sein. Die Bauern ziehen alle am gleichen Strick.
Einer, der sich immer wieder kritisch zur Politik des Bauerngenerals Ritter äussert, ist Grünen-Nationalrat und Bauer Kilian Baumann. Baumann gilt als Gesicht des ökologischen Bauernflügels. Er möchte die Landwirtschaft nachhaltiger gestalten und den Einsatz von Pestiziden reduzieren. Für seinen Widerstand gegen Ritter und seinen Bauernverband wurde er prompt abgestraft: Nach den Wahlen 2023 wurde er aus der Konferenz der bäuerlichen Parlamentarier und Parlamentarierinnen geworfen. «Ritter wollte zeigen, wer bei den Bauern entscheidet», sagt Baumann zu Blick. «Und niemand hat ihm widersprochen. Sie können gar nicht, weil sie sonst ihre Karriere riskieren.»
Kann er auch Verteidigung?
Als Bauernpräsident hat sich Ritter als Machtakteur bewiesen. Aber kann er auch das Verteidigungsdepartement (VBS) führen?
Ob Freund oder Feind: Sie schätzen Ritters Chancen für den Einzug in die Landesregierung als gut ein. Baumann wünscht sich zwar keinen Bundesrat, der die «rechtskonservative Machtballung» noch zementiere – und Ritter gilt als einiges konservativer als Amherd. Aber während die Mitte bis jetzt kaum Alternativen zu präsentieren habe, denke Ritter immer ein paar Schritte voraus. Tatsächlich stellt Ritter im Hintergrund längst die Weichen für seine Kandidatur: Seit letzter Woche platziert er Andeutungen für eine Kandidatur in den Medien, und laut Recherchen der «NZZ am Sonntag» hat er eine PR-Agentur engagiert, die ihn auf dem Weg in den Bundesrat begleiten soll.
Es ist seine Führungsstärke, die unter Parlamentariern immer wieder genannt wird. Ritter könne im VBS durchgreifen. Bei einem krisengeschüttelten Departement brauche es so jemanden. «Sein Führungsstil dürfte dann auch dem einen oder der anderen Mitarbeitenden im VBS noch einfahren», so Huber.
Ritter wirke allerdings nur nach aussen so hart. «Eigentlich hat er einen weichen Kern», sagt Huber. Er führe zwar streng, aber der Mensch stehe im Vordergrund. «Wenn jemand ein familiäres Problem hat, ist er der Erste, der sich erkundigt. Fast nach jeder Vorstandssitzung lässt er unsere Familien grüssen. Er legt uns nahe: Wir können nur gut arbeiten, wenn es bei uns zu Hause gut läuft.»
Auch hier hat Ritter natürlich vorgesorgt. «Meine Frau hat gesagt, dass es für sie in Ordnung wäre, wenn ich kandidiere», sagte er der «NZZ am Sonntag».