Poker um den Bundesratssitz
Ritter will – und wer noch?

Markus Ritter will Bundesrat werden, Andrea Gmür wohl auch. Und wer noch? Wer es aufs Ticket schaffen will, muss im Vorfeld auch intime Fragen beantworten.
Publiziert: 26.01.2025 um 16:02 Uhr
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Der erste offizielle Kandidat: Der mächtige Bauern-Lobbyist Markus Ritter.
Foto: KEYSTONE

Auf einen Blick

  • Bundesrätin Viola Amherd tritt zurück. Kandidatenkarussell dreht sich
  • Markus Ritter ist erster offizieller Kandidat für Bundesratswahl
  • Mitte-Partei erwartet von Kandidaten einwandfreien Leumund und Personensicherheitsprüfung
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Raphael RauchBundeshausredaktor

Wer hat noch nicht, wer will noch mal? Seit der Rücktrittsankündigung von Bundesrätin Viola Amherd (62) dreht und dreht das Kandidatenkarussell. Mitte-Chef Gerhard Pfister (62) wurde wie schon beim Rücktritt von Doris Leuthard (61) im Jahr 2018 kalt erwischt, zunächst hagelte es vor allem Absagen. Wer sich in der Mitte umhört, dem wird klar: Die Absagen haben mit drei Faktoren zu tun:

Pleiten, Pech und Panzer: Höchstwahrscheinlich geht das VBS erneut an die Mitte. Viele Mitte-Leute haben bei ihrer Parteikollegin Viola Amherd hautnah beobachtet, wie schwierig das Departement zu führen ist. Je genauer man hinschaut, desto mehr Probleme kommen zum Vorschein. Vielleicht dachte Ständerätin Isabelle Chassot (59) daran, als sie sagte: «Ich habe keine Lust, Lust zu haben.»

Bundesbern: Die Luft in Bundesbern ist dünner als in den Kantonsregierungen – Bundesrat Beat Jans (60), bis vor kurzem Basler Regierungspräsident, kann davon ein Lied singen. Aufgrund der vielen Absagen rücken bei der Mitte trotzdem die kantonalen Regierungsräte in den Fokus. Doch die überlegen sich dreimal, ob sie ein schönes Amt im Kanton tatsächlich aufgeben wollen. Dem Vernehmen nach wurden einzelne Regierungsräte gebeten, nicht sofort abzusagen, sondern mit ihrem Nein noch zuzuwarten – um die Absage-Orgie zu zähmen.

Privatleben: Der Bundesratsjob bedeutet ein Auf-den-Kopf-Stellen des Privatlebens. Nicht jeder will das – und nicht jeder kann das. Hinzu kommt: Im Vorfeld wird das Privatleben genau durchleuchtet. In einem internen E-Mail, das Blick vorliegt, steht: «Die Mitte erwartet von den Kandidierenden für die Wahl in den Bundesrat einen einwandfreien Leumund in politischer, beruflicher und privater Hinsicht. Mit der Einreichung einer Kandidatur verpflichten sich die Kandidierenden zur Teilnahme an einer Personensicherheitsprüfung, die durch eine professionelle Stelle durchgeführt wird.»

Der Strafregisterauszug und der Betreibungsregisterauszug dürften noch das Harmloseste sein, was die Aspiranten preisgeben müssen. Sie müssen dem Vernehmen nach auch Fragen zu Sexleben, Erpressungsrisiken und Drogenkonsum beantworten.

Wer sind die Kandidaten?

Bislang gibt es nur einen Kandidaten, ein paar Favoriten und ein paar Joker.

Markus Ritter (57): Der St. Galler Mitte-Nationalrat und mächtige Bauernpräsident ist der erste offizielle Kandidat. Ritter bestätigt gegenüber Blick, dass am Dienstag die Kantonalpartei der Mitte SG seine Kandidatur kommunizieren werde. «Ich möchte Verantwortung übernehmen und mit meiner Kandidatur dazu beitragen, dass die Mitte-Fraktion und danach die Bundesversammlung eine gute Auswahl hat.»

Sollte Ritter tatsächlich Bundesrat werden und das VBS übernehmen, würde er dann nach Bundesrat Parmelins Rücktritt, wohl Ende 2026, schnellstmöglich in das WBF wechseln und das Landwirtschaftsdossier beackern? Ritter: «Für diese Frage ist es viel zu früh, ich bin ja noch nicht einmal von meiner Kantonalpartei offiziell nominiert. Aber ich bin keiner, der geht, wenn das Haus nicht aufgeräumt ist. Das VBS braucht jemanden, der Prozesse steuern kann, der führen kann und der über sehr viel politische Erfahrung verfügt. Sollte ich tatsächlich in den Bundesrat gewählt werden und das VBS übernehmen können, ist es sicher eine grosse Herausforderung, die ich mir aber zutrauen würde.» Dass mit Karin Keller-Sutter (61) bereits eine St. Gallerin im Bundesrat sitzt, sieht Ritter nicht als Hindernis: «Am Ende muss das die Bundesversammlung entscheiden.»

Andrea Gmür (60): Dem Vernehmen nach wird die Kandidatur der Luzerner Ständerätin im Laufe der nächsten Woche bekannt gegeben. Gmür präsidiert die Sicherheitspolitische Kommission der kleinen Kammer, kennt also die VBS-Geschäfte bestens. Eine Bestätigung der Kandidatur gibt es nicht.

Philipp Kutter (49): Der Zürcher Nationalrat hat Interesse an einer Kandidatur signalisiert. Zurzeit prüft er, ob er trotz Tetraplegie als Nachfolger von Amherd antreten kann, wie die «SonntagsZeitung» schreibt. «Ich überlege mir grundsätzlich, für das Amt als Bundesrat zu kandidieren», sagt Kutter. Für ihn wäre ein Bundesrat im Rollstuhl ein starkes Zeichen für die Inklusion. Kutter ist seit 2018 Nationalrat.

Christophe Darbellay (53): Der Walliser war früher Nationalrat und CVP-Chef, heute ist er Mitglied der Walliser Kantonsregierung. Anfang März stellt er sich im Wallis der Wiederwahl für eine dritte Amtszeit. Darbellay zu Blick: «Ich entscheide mich nächste Woche. Die Frist läuft am 3. Februar ab, es ist also noch Zeit. Egal, wie ich mich entscheide – ich werde zu einer Medienkonferenz einladen.» Geht das, Wahlkampf im Wallis machen und gleichzeitig mit dem Bundesratsamt flirten? Darbellay: «Ich liebe mein Amt als Staatsrat und meinen Kanton. Gleichzeitig reizt mich Bern. Es sind mehrere Parameter entscheidend, unter anderem, was meine Tochter zu mir gesagt hat: ‹Du musst das machen, was dich glücklich macht. Und du musst etwas Zeit für uns haben.›» Darbellay, dem eine besondere Gabe fürs Zocken nachgesagt wird, ist im Gespräch mit Blick überzeugt, dass Teile der SVP seine Mitwirkung an der Abwahl Blochers längst verziehen haben. «Ich habe in den letzten Tagen Unterstützung von ganz links bis ganz rechts erhalten.» Vielsagend zitiert Darbellay den französischen Staatsmann Georges Clemenceau: «Nie wird so viel gelogen wie vor den Wahlen, während des Krieges und nach der Jagd.» Will heissen: «Das Bundesratsrennen ist völlig offen – und das reizt mich. Aber ich habe mich noch nicht entschieden.»

… und noch Regierungsräte

Und wer kommt noch infrage? Dem Vernehmen nach gibt es Bemühungen um einzelne Regierungsräte. Der Zuger Regierungsrat Martin Pfister (61) bestätigt gegenüber Blick, es sich nach wie vor zu überlegen. Marcus Caduff (51), Bündner Regierungsrat, ebenfalls: «Zentral sind für mich drei Fragen, die ich aktuell mit verschiedenen Menschen bespreche. Erstens: Kann ich das? Zweitens: Bin ich bereit, mein Leben auf den Kopf zu stellen? Und drittens: Habe ich eine Chance, obwohl ich nicht im nationalen Parlament bin?», sagt Caduff zu Blick. In Basel wollen manche den profilierten Gesundheitspolitiker Lukas Engelberger (49) zu einer Kandidatur bewegen – Engelberger bestätigt gegenüber Blick, dass er weder zu- noch abgesagt habe.

Trotz bereits erfolgter Absage bringt Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (60) Bundeskanzler Walter Thurnherr (61) ins Spiel: «Die Situation ist ein Fall für Walter Thurnherr. Er könnte im VBS sofort loslegen, er kennt die Herausforderungen im Bundesrat, und er hat einen breiten Rückhalt in allen Parteien. Er müsste nicht acht oder zwölf Jahre bleiben. Würde er kandidieren, er wäre gewählt.» Das Kandidatenkarussell dreht weiter.

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