«Intensive Kulturen wirken sich nicht positiv aus»
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Naturschutzgebiet Wengimoos BE:«Intensive Kulturen wirken sich nicht positiv aus»

Im Wengimoos BE wächst Mais im Naturschutzgebiet
Bei der Biodiversität hält der Bund die eigenen Gesetze nicht ein

Die Biodiversitäts-Initiative fordert mehr Naturschutzflächen. Doch schon die bestehenden Biotope werden ungenügend geschützt. Ein Besuch im Naturschutzgebiet Wengimoos BE.
Publiziert: 07.09.2024 um 00:01 Uhr
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Urs Känzig vom Kanton Bern im Naturschutzgebiet Wengimoos in Bern.
Foto: Philippe Rossier

Auf einen Blick

  • Im Naturschutzgebiet Wenigmoos BE wachsen Mais und Zuckerrüben
  • Das ist keine Ausnahme: 75 Prozent der nationalen Biotope sind ungenügend geschützt
  • Der Bund stellte eine Finanzierungslücke von jährlich 43 Millionen Franken fest
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

Der Kiebitz, der Vogel mit der auffälligen Federhaube, ist erst vor zehn Jahren wieder ins Naturschutzgebiet Wengimoos BE zurückgekehrt. Er wird gerade aufgescheucht von Urs Känzig (63), der über den Schotterweg geht, eine Störungsquelle für die stark gefährdete Art, die sich mitten durch das geschützte Gebiet zieht.

Es sei unmöglich, diesen Weg aufzuheben. «Das ist ein Kompromiss, den wir eingehen müssen», sagt Känzig. Er ist Abteilungsleiter für Naturförderung beim Kanton Bern. Känzig macht aber noch viele weitere Zugeständnisse – und zwar unfreiwillig. Das nationale Schutzgebiet wird nämlich nicht gesetzeskonform geschützt. 

Ackerflächen mitten im Naturschutzgebiet

Mais und Zuckerrüben wachsen dort, wo eigentlich ein Naturschutzgebiet mit einem Flachmoor und einem Amphibienlaichgebiet deklariert ist. Diese Zonen zählen zu den Biotopen von nationaler Bedeutung, sie tragen massgeblich zur Erhaltung der Biodiversität in der Schweiz bei. Das Gesetz schreibt vor, die Biotope zu erhalten und dort die Artenvielfalt zu fördern.

«Die Situation hier ist eigentlich nicht bundesrechtskonform», sagt Känzig. Einerseits sei das Schutzgebiet zu klein. Es fehlten etwa Pufferzonen für Nährstoffe und Wasser, die das Gebiet vor negativen Einflüssen schützten. Andererseits werde auf der zu kleinen Fläche auch noch intensive Landwirtschaft betrieben. 

Känzig zeigt auf Brennnesseln, die über den Wegrand wuchern. «Die sollten eigentlich nicht hier sein.» Sie würden nur in stickstoffreichen Böden wachsen. Das zeige: Zu viele Nährstoffe aus der Landwirtschaft gelangten ins Gebiet. «Das Risiko ist riesig, dass das Moor durch Überdüngung, Pflanzenschutzmittel oder Entwässerung kaputtgeht.»

Bauern blocken ab

Es gäbe zwar rechtliche Instrumente, um den gesetzeskonformen Schutz der Fläche einzufordern. Känzig möchte die Probleme aber lieber mit den Landwirtinnen und Landwirten zusammen angehen. Die Probleme im Gebiet Wengimoos habe man einem Vertreter des Berner Bauernverbandes erst kürzlich gezeigt, allerdings nur wenig Kompromissbereitschaft festgestellt. 

«Es ist uns klar, dass wir die gesetzlichen Bestimmungen nicht überall zu 100 Prozent durchsetzen können», so Känzig. «Wenn eine Seite aber immer wieder gemeinsame Lösungen abblockt, dann platzt den Naturschutzorganisationen irgendwann der Kragen. Sie könnten dann eine Anzeige erstatten.»

Der Berner Bauernverband sagt dazu lediglich, dass man sich mit dem Wengimoos beschäftige. Weiter äussern will man sich nicht, da die Gespräche noch nicht abgeschlossen seien. 

Auch die Naturschutzorganisation Birdlife Bern, die Teile des Wengimoos besitzt, zeigt sich zurückhaltend. Man hoffe, dass bald eine «einvernehmliche Lösung» gefunden werden könne. 

Drei Viertel der Schweizer Biotope ungenügend geschützt

Das Biotop im Berner Seeland ist keineswegs ein Einzelfall. Eigentlich ist es nicht einmal eine Ausnahme. Obwohl die Biotope nur rund zwei Prozent der Landesfläche ausmachen, sind 75 Prozent davon ungenügend geschützt. Zu diesem Schluss kam das Bundesamt für Umwelt (Bafu) 2021, als es den Stand der Schutzgebiete zum letzten Mal überprüfte. 

«Die gesetzlichen Grundlagen für den Erhalt der Artenvielfalt sind eigentlich gar nicht so schlecht», sagt Känzig. «Es hapert vor allem am Vollzug.» Konkret: Es fehlt an Geld und Personal. Der Bund stellte fest, dass jährlich 43 Millionen Franken fehlen, um die Biotope gesetzeskonform zu schützen. Damit kann er seine eigenen Gesetze gar nicht einhalten.

Mit dem Gegenvorschlag zur Biodiversitäts-Initiative wollte der Bundesrat die Finanzierungslücke schliessen und jährlich 90 Millionen Franken mehr für den Schutz der Artenvielfalt ausgeben. Der Vorschlag wurde vom Ständerat abgeschmettert. 

Für Raffael Ayé (46) von Birdlife Schweiz ist das umso mehr Grund für ein Ja zur Biodiversitäts-Initiative. «Unsere Initiative will die notwendigen Mittel, eben auch personelle Mittel, um die Biodiversität in den bestehenden Flächen zu schützen.» Weitere Flächen sollen zwar zu den Bestehenden dazukommen, allerdings stünde es dem Parlament frei zu entscheiden, in welcher Reihenfolge diese Schritte erfolgen.

GLP-Nationalrat Martin Bäumle (60) hat Ende vergangenen Jahres mittels Vorstoss verlangt, dass der Bund genügend Mittel zum Schutz der Flächen bereitstellt. Für ihn ist die Finanzierungslücke allerdings unabhängig vom Ausgang der Biodiversitäts-Initiative anzugehen. Die Initiative würde unter anderem wegen des Heimat- und Landschaftsschutzes bekämpft, der den Ausbau der Erneuerbaren bremsen könne, so Bäumle. Deshalb: «Auch bei einem Nein zur Initiative muss man bei der Biodiversität handeln. Es braucht mehr Geld und Personal.» 

Naturschutz Hand in Hand mit Landwirtschaft ist möglich

Das Wengimoos zeigt aber auch: Eigentlich müssten Biodiversität und Landwirtschaft nicht in Konflikt stehen. In Zusammenarbeit mit einem privaten Landwirt habe man ein Maisfeld im Schutzgebiet in eine Weide ohne Dünger und Pestizide umgewandelt. Dort grasen nun Rinder. «So können wir Arten erhalten und gleichzeitig hat der Landwirt Biofleisch als Produkt.»

Sogar der Kiebitz ist dort sofort zurückgekehrt. Das freut Känzig ganz besonders. Es zeigt ihm: «Wenn wir die Flächen zur Verfügung stellen und herrichten, nimmt die Natur das dankbar an.»

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