Eine Initiative für mehr Blümchen und Bienchen. Am 22. September stimmt die Schweiz über die Biodiversitäts-Initiative ab. Was fordert diese genau? Und wie steht es heute um die Artenvielfalt in der Schweiz? Blick nimmt das Volksbegehren unter die Lupe.
Worum gehts bei der Biodiversitäts-Initiative?
Die Initiative will die Biodiversität in der Schweiz – also die Vielfalt an Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen – bewahren und fördern. Dafür soll der Naturschutz besser in der Verfassung verankert werden. Konkret: Bund und Kantone werden verpflichtet, mehr geschützte Gebiete zu schaffen und mehr Geld für die Biodiversitäts-Förderung in die Hand zu nehmen. Die Initiative schreibt zudem vor, dass die Natur auch ausserhalb der Schutzgebiete geschont wird.
Darüber hinaus betrifft der neue Verfassungsartikel auch historische Bauten und Kulturdenkmäler. Sie sollen ebenfalls besser vor Eingriffen geschützt werden. Hinter der Initiative stehen die Umwelt- und Naturschutzorganisationen Pro Natura und Birdlife, der Schweizer Heimatschutz und der Stiftung für Landschaftsschutz.
«Mehr Fläche» – was heisst das konkret?
Die Gegner der Initiative behaupten, dass bei einem Ja 30 Prozent der Landesfläche «praktisch unantastbar» würden. Fakt ist: Die Initiative schreibt kein genaues Flächen-Ziel vor. Es wäre Sache des Parlaments, konkrete Massnahmen und Richtwerte in einem Gesetz festzuschreiben. Die Zahl ist aber nicht völlig aus der Luft gegriffen. Vor einigen Jahren wurde im kanadischen Montreal ein globales Biodiversitäts-Abkommen geschlossen. Es legt das Ziel fest, bis 2030 mindestens 30 Prozent der Landes- und Meeresfläche unter Schutz zu stellen. Die Schweiz hatte sich stark dafür engagiert.
Wie weit ist die Schweiz vom Ziel entfernt?
Sehr weit. Laut dem Bundesamt für Umwelt sind heute 13,6 Prozent der Landesfläche geschützt. Es handelt sich zum Beispiel um Nationalparks, Biotope, Wald- oder Zugvogelreservate, Auen und Moore. Damit liegt der Anteil sogar noch unter dem Ziel von 17 Prozent, das man eigentlich schon bis 2020 hatte erreichen wollen. Der Bundesrat spricht von einem «besorgniserregenden Zustand der Artenvielfalt». Die Biodiversität sei rückläufig und die bereits ergriffenen Massnahmen würden nicht ausreichen, um den Biodiversitätsverlust zu stoppen.
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Was würde ein Ja kosten?
Der Bundesrat schätzt, dass die Umsetzung Bund und Kantone pro Jahr 375 bis 440 Millionen Franken kosten würde. Nichtstun allerdings kommt noch viel teurer. Eine bereits ältere Studie schätzt, dass der Verzicht auf Massnahmen in einigen Jahrzehnten rund 40-mal höhere Kosten zur Folge haben könnte.
Gibt es einen Gegenvorschlag?
Nein. Der Bundesrat hatte zwar einen Gegenvorschlag ausgearbeitet. Denn er ist der Meinung, dass dringender Handlungsbedarf besteht – die Initiative aber zu weit geht. Im Parlament hat sich der Ständerat aber gegen einen Kompromiss gestellt, weshalb die Stimmbürgerinnen und -bürger nun zwei Optionen haben: ein Ja zur Initiative oder weiter wie bisher.
Wer ist für die Initiative – und wer dagegen?
Noch haben nicht alle Parteien die Parole gefasst. Im Nationalrat haben SP, Grüne und eine Mehrheit der GLP für die Initiative gestimmt. Die Befürworter verweisen zum Beispiel darauf, dass ein Drittel der Tier- und Pflanzenarten in der Schweiz bereits gefährdet oder ausgestorben sei. Sie betonen, dass es nicht darum gehe, Reservate zu schaffen, die ganz der Natur überlassen werden müssen.
SVP, FDP und ein Grossteil der Mitte stimmten dagegen. Innerhalb der Mitte ist man sich aber nicht einig. Die Mitte-Frauen und einzelne Mitte-Kantonalparteien sind für ein Ja oder haben Stimmfreigabe beschlossen. Das Nein-Komitee wird angeführt vom Bauernverband, auch die Wirtschaftsverbände kämpfen dagegen. Aus ihrer Sicht ist die Initiative zu extrem, schwächt die Inlandproduktion und gefährdet den Ausbau der erneuerbaren Energien.