Diese Woche machten die Bundesparlamentarier nochmals Druck: Corona-Tests sollen gratis bleiben, fordert die nationalrätliche Gesundheitskommission. Schon zuvor hatten sich mehrere Parteien für eine sanftere Lösung stark gemacht. Die Kantone hingegen pochen auf eine Ende des Gratistest-Regimes.
Bundesrat Alain Berset (49) signalisierte bereits Entgegenkommen, von einer vollständigen Kehrtwende will er aber nichts wissen. Stattdessen setzt er eine Gnadenfrist! Dem Vernehmen nach sollen die Tests zehn Tage länger gratis bleiben als geplant – das heisst bis am 10. Oktober.
Kompromiss für Erstgeimpfte
Diese Verlängerung soll den Spielraum schaffen, um einen Kompromiss zu finden. Dieser dürfte so aussehen: Nach Ablauf der Gnadenfrist für alle, sollen die Tests schliesslich nur noch für Erstgeimpfte gratis bleiben. Dies allerdings auch nur bis Ende November. Berset hat erst kürzlich eingeräumt, dass kostenpflichtige Tests für Personen, die erst einmal geimpft sind, ein Problem darstellen.
Mit diesem Vorschlag gibt man den Impfzögerern also nochmals eine Chance, den Piks nachzuholen. Diese Frage will Berset aber bei den Kantonen und weiteren Stellen in die Konsultation geben, der definitive Entscheid würde wohl nächste oder spätestens übernächste Woche fallen.
Doch nicht nur mit Druck will Berset arbeiten, sondern auch mit Überzeugungskraft. Deshalb sollen die Impfanstrengungen nochmals verstärkt werden, begleitet von einer weiteren Sensibilisierungskampagne.
Die Zeit drängt aber, denn in einzelnen Kantonen beginnen die Herbstferien schon nächste Woche, die Woche darauf in zahlreichen weiteren Kantonen.
Maurer mit eigenem Antrag
Offen ist, ob die anderen Bundesräte mitziehen. In der Diskussion könnten sich nämlich auch andere Optionen ergeben – wie etwa eine Verlängerung des Gratistest-Regimes um zwei Wochen oder sogar bis Ende Oktober. Die Idee dahinter: Bis dahin – nach den Herbstferien – wäre allenfalls auch absehbar, ob es die ausgeweitete Zertifikatspflicht noch braucht oder ob deren Ende ins Auge gefasst werden kann.
In diese Richtung zielt auch ein Antrag von SVP-Finanzminister Ueli Maurer (70). Er will einen Antrag einbringen, die Gratistests beizubehalten, solange die ausgeweitete Zertifikatspflicht gilt.
Was macht Parmelin?
Für Diskussionsstoff ist also gesorgt. Tendenziell für ein baldiges Ende der Gratistests sind die freisinnigen Bundesräte Ignazio Cassis (60) und Karin Keller-Sutter (57), deren Partei als einzige kompromisslos für die Kostenpflicht einsteht. Auch Mitte-Bundesrätin Viola Amherd (59) gilt als Vertreterin eines harten Kurses.
Unklar ist, auf welche Seite sich SVP-Bundespräsident Guy Parmlin (61) schlägt. Er hat als Erster deutlich für das Ende der Gratistests plädiert und machte immer wieder klar: «Ungeimpfte hatten genug Zeit, sich impfen zu lassen.» In seiner Rolle als Landesvater wird er sich bei einem Kompromiss aber kaum querstellen. Erst recht, weil auch seine SVP Druck auf ihn ausübt.
Es dürfte auf eine Kompromisslösung hinauslaufen, bei welcher Regierung, Parlament und Kantone ihr Gesicht wahren können. Die Gratistests auf ewig zulassen wird der Bundesrat aber nicht, alleine schon aus Kostengründen. Denn seit der Ausweitung der Zertifikatspflicht letzte Woche wurden bis diesen Mittwoch rund 172'000 Antigen-Schnelltests vorgenommen. Diese kosten den Steuerzahler bei einem Stückpreis von 47 Franken 8,1 Millionen Franken.
Impfquote zu tief
Kommt hinzu, dass der sanfte Druck das Impftempo hat ansteigen lassen. Allerdings nicht stark genug, wie die Corona-Experten des Bundes diese Woche eindringlich warnten. Die vierte Corona-Welle sei noch nicht gebrochen, mahnte Patrick Mathys vom Bundesamt für Gesundheit. In welche Richtung es tatsächlich gehe, werde sich in den kommenden Wochen zeigen. «Es kann schnell gehen», sagte Mathys aber. «Es gibt zu viele Personen, die sich in rascher Zeit anstecken können.» Die aktuelle Impfgeschwindigkeit sei zu tief, um eine Durchimpfungsrate zu erreichen, welche das Infektionsgeschehen massgebend positiv beeinflussen könne.
Eine Warnung, die auch im Bundesrat nicht einfach so verhallen wird. Und so dürfte der Bundesrat weiterhin auf seine Politik von Zuckerbrot (für Geimpfte) und Peitsche (für Ungeimpfte) setzen.