Toni Brunner (48) kann aufatmen. Der ehemalige SVP-Präsident wird nicht «als Bundesrätinnen-Gatte mit der Frau des indonesischen Aussenministers zum Znacht gehen müssen», wie er schon befürchtet hatte. Seine Partnerin, die Nationalrätin Esther Friedli (45), verzichtet auf eine Kandidatur für die Nachfolge von SVP-Finanzminister Ueli Maurer (71). Stattdessen visiert sie den frei werdenden St. Galler Ständeratssitz an, wie sie am Freitag vor den Medien bekannt gab.
Absagen am Laufmeter
Mit ihrem regelmässigen Oppositionskurs steht die SVP im Ruf einer Nein-Sager-Partei. Und gerade jetzt werden die SVPler diesem Ruf mehr als gerecht: Nein, Nein und wieder Nein. Mit Friedli sagt eine weitere Hoffnungsträgerin für das Bundesratsrennen ab.
Neben Brunner, dem Wunschkandidaten von SVP-Übervater Christoph Blocher (82), winkte auch Blocher-Tochter Magdalena Martullo-Blocher (53) frühzeitig ab. Die Nationalratsmitglieder Franz Grüter (59), Marcel Dettling (41) oder Monika Rüegger (54) wollen ebenfalls nicht in die Regierung. Genauso wenig wie Ratskollegin Diana Gutjahr (38), der Berner Regierungsrat Pierre Alain Schnegg (59) und Stadler-Rail-Boss Peter Spuhler (62), um nur einige zu nennen.
Bis heute haben einzig zwei Berner ihren Hut in den Ring geworfen – Ständerat Werner Salzmann (59) sowie Nationalrat und Ex-Parteichef Albert Rösti (55). Beide gelten zwar als gut wählbar. Dennoch: Gerade mal zwei Interessenten für das höchste Polit-Amt im Land sind für die mit Abstand grösste Partei doch sehr bescheiden – zumal Präsident Marco Chiesa (48) angekündigt hatte, dem Parlament mindestens ein Zweier-Ticket vorlegen zu wollen.
Kandidat verzweifelt gesucht
Fast schon verzweifelt wirkt die Zürcher Kantonalsektion, die der SVP Schweiz jahrelang den Stempel aufgedrückt hat. Nach Absagen von Regierungsrätin Natalie Rickli (45) und Nationalrat Gregor Rutz (50) muss die Partei potenzielle Kandidaten bearbeiten, um den fast schon historischen Zürcher Sitz im Bundesrat nicht kampflos aufgeben zu müssen. Vom Rücktritt Maurers, der wegen seines fortgeschrittenen Alters absehbar war, wirkt sie völlig überrumpelt.
Noch gibt es zwar einzelne Parteimitglieder, die sich bis heute bedeckt halten. Sie alle wären aber lediglich als Aussenseiter oder sogar «Platzfüller» zu betrachten. Das gilt selbst für Fraktionschef Thomas Aeschi (43) oder Vorstandsmitglied Thomas Matter (56). Sie polarisieren im Parlament viel zu sehr, um eine Wahlchance zu haben.
Beim Personalaufbau versagt
Die SVP kann nicht darüber hinwegtäuschen: Der Aufbau von mehrheitsfähigen und willigen Kandidatinnen und Kandidaten ist in den vergangenen Jahren vernachlässigt worden. Schon nach Röstis Abgang hatte sie deshalb lange Mühe, eine Person für die Parteispitze zu finden. Bis heute wird dem Tessiner Ständerat Chiesa nachgesagt, nur eine Notlösung zu sein.
Was der SVP Sorgen machen müsste, wird von vielen aber nur schulterzuckend zur Kenntnis genommen. Dabei sind die Probleme hausgemacht. Zu oft macht der Zürcher Flügel auf Opposition, zu selten bietet er Lösungen Hand. Und zu stark ist der Eindruck, die Partei werde nach wie vor von Blocher regiert.
Die Berner müssen es richten
So ist absehbar: Der einst so stolze Zürcher Flügel wird den Bernern den Vortritt lassen müssen. Dabei war die SVP mit ihren letzten Bernern im Bundesrat nicht besonders glücklich: Adolf Ogi (80) war als EU-Freund bei vielen aus den eigenen Reihen ungeliebt. Samuel Schmid (75) wurde gar als «halber Bundesrat» verhöhnt und schliesslich verstossen. Das Blatt aber hat sich gewendet: Nun kann die Parteispitze froh sein, sind da noch die Berner.