Verblüffende Rangliste
Welcher Kanton hatte die meisten Bundesräte?

Warum die Innerschweiz bisher so wenige Bundesräte stellte – und Neuenburg viel besser dasteht, als es seine Grösse vermuten lassen würde.
Publiziert: 09.10.2022 um 01:14 Uhr
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Aktualisiert: 09.10.2022 um 14:01 Uhr
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Gerade einmal 176'000 Einwohner zählt der Kanton Neuenburg. Trotzdem hat er seit der Gründung der modernen Schweiz 1848 neun Bundesräte gestellt.
Foto: Shutterstock
Camilla Alabor

Wer tritt die Nachfolge von Finanzminister Ueli Maurer (71) an? Einigermassen sicher scheint, dass es kein Zürcher sein wird. Die aussichtsreichsten Kandidaten – Ex-Parteipräsident Albert Rösti (55) und Ständerat Werner Salzmann (59) – kommen beide aus dem Kanton Bern. Im Gespräch ist auch Nationalrätin Esther Friedli (45) aus St. Gallen.

Dass Zürich ohne Bundesrat auskommen muss, ist die Ausnahme: Fast immer mischelten Zürcher seit Gründung des modernen Bundesstaats 1848 in der Regierung mit – nur während sechs Jahren nicht.

Das liegt nicht einfach daran, dass Zürich der bevölkerungsstärkste Kanton ist, sondern an einer Regelung, die bis zur Revision der Bundesverfassung von 1999 galt: Zürich, Bern und die Waadt hatten gesetzlichen Anspruch auf einen Vertreter im Bundesrat. Auf der Bundesrats-Hitparade landen die drei Kantone denn auch auf den ersten drei Plätzen: 20 Zürcher, 15 Waadtländer und 14 Berner sassen während der letzten 124 Jahre in der Landesregierung.

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Zürich, Bern und Luzern hatten mal Sonderrechte

Eher überraschend auf Platz vier folgt bereits der Minikanton Neuenburg (9 Bundesräte), danach das Tessin (8), dann der ebenfalls eher kleine Kanton Solothurn (6). Zum Vergleich: Luzern, mit rund 420'000 Einwohnern mehr als doppelt so gross wie Neuenburg, kommt gerade auf fünf Bundesräte.

Diese Rangliste ist kein Zufall, sondern erklärt sich grösstenteils aus der Schweizer Geschichte.

Nicht immer hatten alle dieselben Rechte, wie der Politologe und Historiker Claude Longchamp erklärt. Es gab Herrscherkantone und Untertanengebiete. Zwischen 1815 und 1847 galten Zürich, Bern und Luzern als «mehrbessere» Kantone mit besonderen Rechten. Nachdem die katholisch-konservativen Kantone 1847 den Sonderbundskrieg anzettelten – und verloren – wurde der Verliererkanton Luzern aus dem erlauchten Kreis ausgestossen. Für ihn nahm man das reformierte Waadtland auf.

Ab 1848 schickten die drei grossen Kantone je einen Vertreter nach Bundesbern – während die anderen 19 die restlichen vier Sitze unter sich aufteilen mussten.

Wobei als Vertreter lange Zeit nur freisinnige Männer zulässig waren: Die katholischen Kantone hatten den Krieg schliesslich verloren. «Der Bundesstaat ist eine freisinnige Gründung», sagt Longchamp.

Moderate SP in den 1940er-Jahren

Das erklärt auch, weshalb Innerschweizer Kantone wie Luzern mit der Anzahl ihrer Bundesräte bis heute im Hintertreffen sind. Erst 1891, nach mehr als 40 Jahren, wurde der erste katholisch-konservative Vertreter in den Bundesrat gewählt.

Von dieser Regelung profitierten freisinnig geprägte Kantone wie Neuenburg und Solothurn. Sie schickten im 19. Jahrhundert verhältnismässig viele Vertreter nach Bern. Als nach 1943 zum ersten Mal die Sozialdemokraten in die Regierung aufgenommen wurden, kam ihnen das wiederum zugute: In beiden Kantonen gehört die SP dem moderaten Flügel an. Das machte die Kandidaten für die konservative Bundesversammlung eher wählbar.

Bleibt noch der – in der Bundesrats-Statistik ebenfalls übervertretene – Kanton Tessin. Die Tessiner hatten lange einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf einen Sitz, ebenso wie die Westschweiz. Dann setzten die Romands ihren Anspruch auf zwei Sitze durch. Daraufhin versprach das Parlament den Tessinern, ihre Vertreter «fallweise» zu berücksichtigen, wie Longchamp erklärt. Daher kam es auch, dass die Restschweiz die Tessiner nicht zu lange von der Regierung ausgeschlossen wissen wollte.

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Zwei Bundesräte vom gleichen Kanton sind möglich

So weit die Geschichte. Mit der Revision der Bundesverfassung von 1999 ist nicht mehr von Kantonen die Rede, sondern von «Landesgegenden und Sprachregionen», die angemessen vertreten sein sollen. Eine Regelung, die deutlich mehr Flexibilität zulässt – und dazu führt, dass auch mal zwei Vertreter desselben Kantons im Bundesrat sitzen.

Zuletzt war das bei den Bernern Johann Schneider-Ammann (70, FDP) und Simonetta Sommaruga (62, SP) der Fall.

Das könnte sich mit Albert Rösti oder Werner Salzmann schon bald wiederholen. Dann würde Bern rechnerisch mit der Waadt gleichziehen – dem ehemaligen Untertanengebiet.

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