So kann es nicht weitergehen. Der Armee fehlt immer mehr Personal. In den Beständen tun sich immer mehr Lücken auf. Der Bundesrat prüft mittlerweile verschiedene Massnahmen, um dem Problem Herr zu werden. Dem noch jungen Verein Europa- und Sicherheitspolitik (Esip) dauert das viel zu lange.
Der Verein schlägt deshalb vor, dass Freiwillige das Personalproblem der Armee lösen sollen. Mit dieser Sofortmassnahme soll die Personallücke zwischenzeitlich gestopft werden. «Gute und motivierte Leute sollen längerfristig verpflichtet werden können», sagt der Esip-Sicherheitsverantwortliche Lukas-Fritz Hüppin (30).
Anreize für Arbeitnehmer und -geber
Durch die verkürzte Dienstzeit haben heute viele Soldatinnen und Soldaten ihre Diensttage schon früh absolviert. Sie stehen der Armee dann nicht mehr zur Verfügung. Diese Leute sollte die Armee wieder nutzen können, findet der Verein. Er verlangt deshalb, die Möglichkeit für eine freiwillige Verlängerung der Dienstpflicht zu schaffen. So könnten sämtliche Armeeangehörige angeschrieben und gefragt werden, ob sie freiwillig in die Verlängerung ihrer Dienstzeit gehen möchten.
«Wer sich dazu bereit erklärt, erhält einen zusätzlichen finanziellen Anreiz, und für Arbeitgeber wäre eine vollständige Lohnübernahme durch den Erwerbsersatz vorgesehen», schlägt Hüppin vor: «Wir sind überzeugt, dass es viele motivierte und fähige Armeeangehörige gibt, die sich für diesen zusätzlichen Dienst für unser Land bereit erklären und mithelfen würden, den personellen Engpass zu verhindern.» Gerade mit dem Ukraine-Krieg sei die Sensibilisierung gestiegen.
Für SVP-Salzmann prüfenswert
Für den Berner SVP-Ständerat Werner Salzmann (59) ist das ein prüfenswerter Ansatz, um die nötigen Armeebestände zu erreichen. «Heute durchlaufen viele die Grundausbildung und haben schon wenige Jahre später ihre Dienstzeit beendet», sagt der Präsident der Sicherheitskommission und Bundesratskandidat. Mit einer Verlängerung der Dienstzeit würde die Armee demnach von fertig ausgebildeten Soldatinnen und Soldaten profitieren.
Die nötige Anpassung müsste mit einer einfachen Gesetzesänderung umsetzbar sein, schätzt Salzmann. Auch hält er die Massnahme für durchaus finanzierbar: «Meines Wissens ist die Kasse der Erwerbsersatzordnung gut gefüllt. Da sollte schon noch Spielraum vorhanden sein.» Auch wenn sich mit dieser Massnahme kaum sämtliche Personallücken füllen liessen, wäre es für Salzmann zur Überbrückung doch ein Schritt in die richtige Richtung.
VBS: Widerspricht einer Milizarmee
Deutlich skeptischer zeigt man sich im Verteidigungsdepartement (VBS). Denn auch für eine Verlängerung der Dienstpflicht oder eine Erhöhung der Erwerbsentschädigung wäre eine Änderung des Militärgesetzes nötig. Und das dauere erfahrungsgemäss mehrere Jahre. Eine rasche Umsetzung der Idee wäre also kurzfristig nicht möglich, gibt VBS-Sprecher Renato Kalbermatten zu bedenken.
Zwar hat die Armee bei ihren Corona-Einsätzen gute Erfahrungen mit Freiwilligen gemacht. Das sei aber eine Ausnahmesituation gewesen, «da damals viele Betriebe stillstanden und vielen Arbeitgebern und Arbeitnehmenden ein Militärdienst im Rahmen eines subsidiären Einsatzes entgegenkam», führt Kalbermatten aus. «Eine Freiwilligkeit lässt zudem keine Sicherheit in Bezug auf die effektive Verfügbarkeit im Bedarfsfall zu.»
Und nicht zuletzt ist die Freiwilligkeit für VBS und Armee auch eine Prinzipienfrage: «Das Prinzip, dass einige mehr leisten, damit andere nichts oder weniger tun, entspricht nicht den Grundsätzen einer Milizarmee.» Die Armee wird also andere Lösungen finden müssen, um ihre Personallücken zu füllen.
Dienstpflicht für Frauen
Einig sind sich aber viele, dass etwas passieren muss. Denn heute fehlt der Schweizer Armee regelmässig das nötige Personal für Übungen. Gerade an Fahrerinnen oder Köchen mangelt es. Und das Problem verschärft sich weiter. Ab 2030 dürften selbst die nötigsten Bestände fehlen, warnte das VBS letzte Woche. Mittlerweile prüft der Bundesrat sogar eine Dienstpflicht für Frauen.
Bislang will die Armee dennoch lieber nicht auf Freiwilligkeit setzen. (dba)